Es waren auch fünf Jahre, die der zehnfache GP-Sieger immer zittern musste, ob er einen neuen Vertrag bekommt. «Deshalb bin ich jetzt froh, dass mir die Leute in Hinwil vom ersten Werksbesuch an das Gefühl des Vertrauens, des Willkommens und der Freude entgegenbrachten. Das machte den Wechsel für mich sehr einfach!»
«Nachts keine Gedanken mehr!»
Und dann sagte der Finne sofort: «Wenn ich diese Saison mal einen Fehler mache, dann muss ich mir nicht wie früher in der Nacht Gedanken machen, ob mein Vertrag verlängert wird. Das ist ein gutes Gefühl, stärkt das Selbstvertrauen und spornt dich natürlich an. Und ich habe ja für mehrere Jahre unterschrieben!»
Nach dem Blitz-Rückzug von Weltmeister Nico Rosberg (37) im Winter 2016 kam Williams-Pilot Bottas fast wie die Jungfrau zum besten Cockpit im Zirkus. Mercedes suchte einfach den schnellsten Mann, den man kurz vor der Saison irgendwo loskaufen konnte.
«Es ist bei Lewis nicht nur Talent»
«Natürlich ist es eine Ehre, für Mercedes zu fahren. Aber der Druck ist in kaum einem anderen Team so gross. Vor allem, weil du neben Lewis Hamilton fahren kannst. Da ist bei fast jedem Training ein Vergleich angesagt», so Bottas.
Viele Fans glauben, dass der Brite (sieben Titel, sowie je 103 Siege und Pole-Positionen) allein von seinem Talent lebt. Bottas: «Das ist falsch. Lewis arbeitet hinter geschlossenen Türen fast noch härter als auf der Strecke. Daneben nützt er an den Renn-Wochenenden jede Minute, um auch fitnessmässig top zu bleiben. Zudem hat er immer sein Team und sich – und er stellt die wichtigen Fragen auch stets den richtigen Leuten. Da geht keine Zeit verloren.»
«Bringe 10 Jahre Erfahrung mit»
Bottas akzeptiert es, dass es viele Teams gibt, in denen ein Fahrer der Chef ist oder sogar sein muss. Wie jetzt bei Alfa-Sauber. Viele nennen es die Fahrer Nummer 1 oder 2. Bottas: «Man kommt nur als Team wirklich weiter. Deshalb müssen Zhou ich gut funktionieren. Natürlich habe ich mit zehn Jahren Formel 1 die nötige Erfahrung, um bei Reifen- und Abstimmungsfragen den Ton anzugeben.»
Fünf Jahre lang wusste Bottas also bei Mercedes, dass er «nur» der brave, geduldete und superschnelle Teamkollege von Hamilton ist. Eine Art Notnagel, der stets hinter Lewis in der WM-Rangliste auftauchte.
Es geschah in der Fabrik…
«Das ist sehr hart zu akzeptieren, weil ja jeder Fahrer seine eigenen Qualitäten sehr hoch einschätzt.» Und dann kommt wohl der Zeitpunkt, an dem man einfach sagen muss, dass das Talent nicht reicht, fragt Blick.
Bottas: «Am Ende meiner Mercedes-Zeit hatten wir im Dezember 2021 noch ein Meeting im Werk. Da waren alle versammelt, und ich sagte es sehr laut in die Runde: Lewis, du bist besser als ich!»
Berger brauchte nur 3 Rennen
Damit war der entscheidende Satz endlich aus dem Kopf des Finnen gesprungen: «An guten Tagen konnte ich Lewis schlagen, kein Problem. Aber sein Basislevel war so hoch, dass er einfach die Leistungen abrufen konnte, die es brauchte. Auch die nächsten Fahrer, die im gleichen Team gegen Hamilton antreten, werden es schwer haben, ihn über eine Saison zu schlagen.»
Der frühere McLaren-Fahrer Gerhard Berger (62, wie Bottas zehn GP-Siege) brauchte 1990 «nur drei Rennen, um zu akzeptieren, dass Teamkollege Ayrton Senna einfach schneller war. Und ich wollte mich ja nicht umbringen!»