«SAC-Hütte», Garderoben-Sitzplan, Zimmer-Aufteilung, Captain- und Song-Auswahl
So funktioniert die Nati

Die Nati-Spieler peilen über mehrere Wochen ein gemeinsames WM-Ziel an und verbringen dafür viel Zeit miteinander. Zum Glück. Denn neben dem Eis wächst, was zu Grossartigem führen kann: ein unvergleichlicher Teamgeist. Was das Innenleben einer Mannschaft prägt.
Publiziert: 14.05.2023 um 00:04 Uhr
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Aktualisiert: 14.05.2023 um 10:54 Uhr
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Auch wenns auf dem Eis läuft: Gemeinsame Zeit neben dem Eis schweisst die Nati-Spieler noch enger zusammen.
Foto: keystone-sda.ch
Nicole Vandenbrouck aus Riga

Die Verbundenheit in einem Team. Das tiefe Vertrauen in- und der Glaube aneinander. Die Dynamik, die sich in einer Mannschaft entwickeln kann, bleibt für Aussenstehende oft nur ein Mysterium. In einer Garderobe wird ihr Charakter geformt, ihre Seele wächst – und beides kann eine Truppe zu grossen Erfolgen tragen.

Wichtige Zutaten für eine starke Einheit mit verankerten Werten liefert dabei auch vieles neben dem Eis und ausserhalb der Kabine: gemeinsame Momente, Fixpunkte, Rituale, Traditionen. Davon gibt es im Rahmen eines WM-Turniers einige. SonntagsBlick pickt Bedeutsames heraus, das das Innenleben der Nati bereichert.

Tor- und Sieges-Song von «DJ Bertschy»

Sie könnten für ewig in Erinnerung bleiben: die Songs, die nach einem Tor oder einem Sieg der Schweizer Nati an der WM gespielt werden. Traditionell dürfen alle Nationen vor dem Turnierstart dafür ihre Lieder-Auswahl einreichen. Bei den Schweizern gab es schon so einiges: Ausgefallenes, Schweizerisches, Rockiges. Im Silberjahr 2013 dröhnte «Can’t stop» von den Red Hot Chili Peppers. 2018 jubelten die Schweizer zum Ohrwurm «079» von Lo & Leduc, ein Jahr später zu «Legändä und Heldä» von Bligg.

Seit jenem Jahr, seinem WM-Debüt, ist Christoph Bertschy nun der Nati-DJ in der Garderobe und damit für jegliche Song-Auswahl verantwortlich. Beim 7:0-Kantersieg im Auftaktspiel gegen Slowenien singen die Schweizer Fans gestern in Riga siebenmal zu «Petra Sturzenegger» von der Stubete Gäng mit – eine Panne!

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Denn Bertschy hat sich zusammen mit Enzo Corvi und nach Absprache mit weiteren Teammitgliedern eigentlich für «Göschene Airolo» der Zuger Mundart-Band entschieden. Ab dem heutigen Spiel gegen die Norweger sollte nun der richtige Tor-Song durch die Arena tönen. Und der Sieges-Song? Da setzt «DJ Bertschy» auf den neuen Partykracher «Peter Pan» von Julian Sommer und Mia Julia, der am Ballermann auf Mallorca schon die Massen anheizt.

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Worauf Bertschy bei seiner Auswahl Wert legt? «Am liebsten habe ich Lieder auf Schweizerdeutsch oder Deutsch, die gut mitgesungen werden können und für Stimmung sorgen. Einfach nichts Langweiliges, sondern Songs, die mitreissen», erklärt der 29-Jährige. Bertschy ist sich bewusst, dass ein solches Lied auch Jahre später noch besondere Erinnerungen wecken kann, darum macht ihm sein DJ-Amt auch grossen Spass. An Spieltagen wählt der Fribourg-Stürmer für die Garderobe Musik aus eigenen Playlists, an Trainingstagen lässt er auch einfach mal das Radio laufen.

Ein Captain von Format

Mit Nino Niederreiter ist nach Nico Hischier 2022 erneut ein NHL-Star der Captain der Schweizer Nati. Wer das Team mit dem «C» auf der Brust anführt und wer als Assistenten zum Captain-Team gehören sollen, schlägt Trainer Patrick Fischer vor. Die Kandidaten werden im Gremium mit dem restlichen Staff diskutiert. Die benötigten Eigenschaften? «Dabei geht es um seine Leadership-Qualität, seine Kommunikation, dass er auch mal die Stimme erheben kann, wenn es nötig wird», so Weibel.

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Weibel betont, dass in dieser 25-köpfigen Mannschaft eigentlich alle Captain-Eigenschaften besitzen, «darauf achten wir ja schon bei den Selektionen. Alle respektieren einander, es gibt keinen Futterneid im Team.» Der Austausch zwischen Trainer-Crew und Captain-Team ist laut Weibel ein intensiver, die Rolle dieser Leadergruppe deshalb eine wichtige – obwohl in der Nati das Credo herrscht: «Keiner ist grösser als das Team.»

Interne MVP-Auszeichnung

Trotz des Credos: Jeweils direkt nach den Spielen wird in der Garderobe der interne MVP, also der wertvollste Spieler der Partie, ausgezeichnet. So wird einer Leistung, einem Einsatz Respekt gezollt. Dem Auserwählten wird dabei symbolisch etwas übergeben. Das wird von Turnier zu Turnier neu aufgegleist. Letztes Jahr in Helsinki (Fi) war es beispielsweise eine lederne Fliegerkappe und -brille. «Es ist ein tolles Ritual», so Weibel. Was und ob sich die Spieler diesmal hier in Riga etwas haben einfallen lassen, bleibt noch ein Geheimnis.

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Die Sitzordnung in der Garderobe

Trainer Patrick Fischer nimmt den grössten Einfluss darauf, wer in der Kabine neben wem seinen Platz hat. Denn die Aufstellung ist massgebend für die Sitzordnung. So können die Linienkollegen in den Pausen besser miteinander kommunizieren.

Die traditionelle «SAC-Hütte»

Sie vermittelt Heimatgefühle und ist Kult: Die sogenannte «SAC-Hütte» ist ein Aufenthaltsraum für die Nati-Spieler, der im Hotel von Masseur Karl Müller mit viel Swissness und Herzblut eingerichtet wird. Dort verbringen die Schweizer viel Zeit, «die Kameradschaft und der Schweiz-Gedanke werden gefördert», so Weibel. Die Akteure können sich massieren lassen, die anderen WM-Partien im Fernsehen schauen, sich in Gesellschaftsspielen wie Brändi-Dog oder Jassen duellieren, eine Runde Pingpong spielen. Ab und an steht auch ein kaltes Plättli mit Käse und Aufschnitt parat.

Die Zimmer-Einteilung: Oldie Ambühl mit Corvi

Noch mehr Zeit als auf dem Eis und in der Garderobe verbringen die Spieler in den Zimmern. Doch wie läuft die Einteilung der Doppelzimmer eigentlich ab? Ergeben sich die Belegungen zufällig? Oder werden die temporären Zimmerkollegen einfach bestimmt? Nati-Direktor Weibel erklärt: «Unser Team-Manager Ricardo Schödler fragt im Vorfeld im Chat der Mannschaft, wer sich mit wem ein Zimmer teilen möchte. Diese Wünsche versuchen wir zu berücksichtigen. Für die Übrigen macht er Vorschläge.» Ex-Nati-Torhüter Weibel kann sich nicht daran erinnern, dass mal etwas nicht gepasst hätte.

Andres Ambühl spielt hier in Riga bereits seine 18. (!) Weltmeisterschaft. Entsprechend viele verschiedene Zimmer-«Gspänli» hatte der Davoser schon. Aktuell teilt er sich zum zweiten Mal in Folge das Zimmer mit HCD-Kollege Enzo Corvi (30) – dies nun bereits in der fünften Woche. «Man gewöhnt sich aneinander und nimmt Rücksicht», so Ambühl, «bei Enzo und mir harmoniert es, wir sind uns ähnlich. Wir haben gerne unsere Ruhe und stören einander so auch nicht.» Deshalb gehe man ja mit jemandem ins Zimmer, von dem man wisse, wie er tickt. «Es ist ja wichtig, dass man sich nicht von Anfang an auf die Nerven geht. Inklusive Vorbereitung können es sechs bis acht Wochen im gemeinsamen Zimmer sein. Deshalb ist die Konstellation schon bedeutend.»

Gleich wichtig wie generell die gemeinsam verbrachte Zeit. Ambühl pflichtet bei, dass die Einheit vor allem neben dem Eis geformt wird. «Je länger ein Turnier dauert, desto näher muss ein Team zusammenrücken. Zeit zusammen schweisst auch zusammen», so der 39-Jährige. Natürlich nehme man einfacher Schwung auf, wenn es auf dem Eis läuft. «Aber neben dem Eis kann man vieles beeinflussen. Dass sich alle füreinander einsetzen, dass man einen guten Kitt hat.» Man werde zu einer Familie.

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