SCB-Boss Marc Lüthi über die jüngsten Abgänge
«Ausser Czarnik verlieren wir keinen Spieler, den wir gerne behalten hätten»

Er ist mächtig, umstritten und sehr unterhaltsam: SCB-Boss Marc Lüthi (63) spricht über seinen Klub, das neue Stadion und die Zukunft des Schweizer Eishockeys. Viel Spass.
Publiziert: 10:40 Uhr
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Aktualisiert: 10:56 Uhr
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SCB-Boss Marc Lüthi hat klare Vorstellungen bezüglich der Grösse der National League.
Foto: Sven Thomann

Blick: Marc Lüthi, der SCB verliert eine Reihe von Titularen: Austin Czarnik geht nach Lausanne, Patrik Nemeth nach Fribourg und Goalie Philip Wüthrich nach Ambri. Haben Sie sich Ihre Sportchefs Martin Plüss und Patrik Bärtschi schon zur Brust genommen?
Marc Lüthi:
Nein, das habe ich nicht. Wir sind dabei, die Organisation umzubauen. Als die beiden angefangen haben, wussten wir, dass das passieren wird. Bei allen Spielern, die uns verlassen, gibt es einen konkreten Grund. Und zwar nicht, weil wir gepennt hätten, sondern weil wir aus diversen Gründen kein Angebot gemacht haben. Wir verlieren bis jetzt mit Ausnahme von Czarnik keinen Spieler, den wir gerne gehalten hätten.

Nemeth ist ein Leistungsträger, Wüthrich ein aufstrebender junger Goalie.
Wir haben einen Weg eingeschlagen. Wir wollen wieder nach ganz oben. Da wird es immer wieder zu Änderungen kommen. Es wird noch Weitere geben, die gehen. Mehr will ich dazu nicht sagen, dazu müssen Sie die Sportchefs fragen.

Bei Czarnik hatte man öffentlich gesagt, dass man ihn gerne behalten möchte.
Ja, diesen Abgang bedaure ich. Aber wir haben ihn gefunden, und ich bin optimistisch, dass wir ihn gleichwertig ersetzen können.

Marc Lüthi persönlich

Marc Lüthi (63), einst TV-Moderator bei TeleBärn, gehört seit über zwei Jahrzehnten zu den schillerndsten Figuren im Schweizer Eishockey. Beim SC Bern ist er seit 1998 tätig. Als CEO bewahrte der Berner den Verein durch eine straffe Finanzpolitik zunächst vor dem Konkurs und führte ihn auch durch ein damals einmaliges Gastrokonzept in die finanzielle Stabilität und Gewinnzone. Unter Lüthis Geschäftsführung feierte der SCB sechs Meistertitel, den letzten 2019. 2022 hatte Lüthi mit akuten gesundheitlichen Problemen zu kämpfen, trat als CEO ab und liess sich zum VR-Präsidenten wählen. Kein Jahr später entliess er seinen Nachfolger Raeto Raffainer und gab ein Comeback als CEO. Mit dem Ziel, den SCB wieder zurück an die Spitze zu führen.

Marc Lüthi (63), einst TV-Moderator bei TeleBärn, gehört seit über zwei Jahrzehnten zu den schillerndsten Figuren im Schweizer Eishockey. Beim SC Bern ist er seit 1998 tätig. Als CEO bewahrte der Berner den Verein durch eine straffe Finanzpolitik zunächst vor dem Konkurs und führte ihn auch durch ein damals einmaliges Gastrokonzept in die finanzielle Stabilität und Gewinnzone. Unter Lüthis Geschäftsführung feierte der SCB sechs Meistertitel, den letzten 2019. 2022 hatte Lüthi mit akuten gesundheitlichen Problemen zu kämpfen, trat als CEO ab und liess sich zum VR-Präsidenten wählen. Kein Jahr später entliess er seinen Nachfolger Raeto Raffainer und gab ein Comeback als CEO. Mit dem Ziel, den SCB wieder zurück an die Spitze zu führen.

Sie sagen, der SCB will wieder nach oben. Wo sehen Sie ihn jetzt?
Auf dem aufsteigenden Ast. Die Art und Weise, wie wir spielen, macht Freude. Für mich sind wir zwar immer noch viel zu fest als Samichlaus unterwegs: Wir verteilen zu viele Geschenke, sonst wären wir deutlich weiter vorne. Aber ich bin grundsätzlich zufrieden. Unsere Planung beruht nicht auf dieser Saison.

Die aktuelle Spielzeit ist also eine Zwischensaison?
Achtung! Nein. Wir haben von Anfang an gesagt, dass der Umbau bei uns eine Operation am offenen Herzen ist. Wir haben keine Zwischensaisons mehr, wir hatten genug Zwischensaisons. 

Hat sich seit der Pandemie alles wieder eingependelt?
Nein, wir sind 5 Millionen unter dem Rekordumsatz. Wegen der Gastronomie, aber auch weil wir mit den Zuschauern noch nicht ganz dort sind, wo wir vor der Pandemie waren. 

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«Ob es ein Umbau oder Neubau wird, ist immer noch offen»
Marc Lüthi über ein neues SCB-Stadion
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Ein grosses Thema beim SCB ist das Stadion. Sind Sie neidisch, wenn Sie zum Rivalen nach Fribourg schauen, der eine wunderbare neue Arena hat?
Nein. Unser Stadion ist nicht das neuste, aber es ist in Ordnung. Die eine Seite mit VIP-Bereich ist auf Top-Level, die andere nicht. Und es ist zu kalt. 

Es gibt Leute, die von einer Bruchbude sprechen.
Das ist mir zu billig. Aber wir sind uns bewusst, dass wir etwas machen müssen. Ob es ein Umbau oder Neubau wird, ist immer noch offen. 

Ist für Sie in der neuen Arena eine Stehrampe wie im alten Stadion Pflicht?
Nein. Unsere Fans wollen das auch gar nicht unbedingt, sie würden gerne hinters Tor. Um die 15'000 Plätze, zwischen 4000 und 6000 davon Stehplätze, das wäre gut. Aber es ist zu früh, um konkret darüber zu sprechen. 

Wir haben bald Weihnachten. Ist ein neues Stadion Ihr grösster Wunsch?
Nein, der grösste Wunsch ist, dass wir in absehbarer Zeit den nächsten Titel holen. Daran arbeiten wir. 

Sprechen wir über Geld: Ab 2027 gibt es einen neuen TV-Vertrag. Wir gehen davon aus, dass deutlich weniger Geld fliessen wird als bis anhin. Was erwarten Sie von den Verhandlungen?
Im Moment noch nichts. Ich bin überzeugt, dass wir nicht durchstarten werden und den aktuellen Vertrag verdoppeln können. Es wird schon schwierig genug sein, das zu halten, was wir jetzt haben. Auf der anderen Seite merken wir schon jetzt, dass es Interessenten gibt, die aus Ecken kommen, die wir nicht erwartet haben. 

Wer soll das sein? Die Swisscom setzt auf Fussball, Sunrise hat mit MySports die Rechte bereits und wird wohl weniger bezahlen wollen. Sky und Dazn werden herumgeboten, aber werden kaum grosse Kohle hinblättern wollen für Schweizer Eishockey.
Das wird sich dann zeigen. Ich hatte bei den letzten TV-Verhandlungen schon Schiss, dass es nicht gut kommt, aber es kam gut. Ich bin überzeugt, dass es nicht einfach wird, aber ich denke auch nicht, dass wir plötzlich nur noch halb so viel Geld bekommen. Lassen wir uns überraschen. 

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«Wir haben einen grossen Fehler gemacht»
Marc Lüthi über die Liga-Reform
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Wie viel Aufmerksamkeit schenken Sie dem SCB – und wie viel entfällt auf die Gesamtsituation im Schweizer Eishockey?
Für mich ist der SCB die Nummer 1, dann kommt die Liga, dann die Allianz der europäischen Profiklubs und dann, als Nummer 4, kommt der Verband. 

Mit der Nummer 4, dem Verband, müssen Sie bei der Rettung der Swiss League zusammenarbeiten.
Die Swiss League ist ein kompliziertes Kapitel. War sie immer schon, mit Ausbildungsklubs, Lokalklubs und ambitionierten Teams. Als wir uns vom Verband gelöst haben, haben wir die Swiss League sich selbst überlassen. In der Retrospektive war das ein Fehler. Aber die Swiss League hat dann auch «getrötzelt», die TV-Ausschreibung selbst gemacht ... nicht mit sehr viel Erfolg. 

Unserer Meinung nach ist die Swiss League am Boden. Und gleichzeitig die National League mit 14 Teams zu gross.
Wir haben einen grossen Fehler gemacht: Die zwei Gratis-Aufstiege, die wir in der Corona-Zeit möglich gemacht haben, als wir entschieden, dass gleichzeitig keiner absteigt. Dann wären wir heute noch bei 12 Teams, und alles wäre in Ordnung. Aber heute einem Klub zu sagen, du musst jetzt absteigen, notabene in eine Liga, von der man nicht genau weiss, wie es weitergeht, das ist relativ schwierig. 

Aber ein unternehmerisches Risiko muss es doch auch im Sport geben – den Misserfolg, der Konsequenzen hat. Wie in der Wirtschaft.
Sie wissen doch ganz genau, dass der Sport viel volatiler ist als andere Branchen. 

Was spricht denn dagegen, die National League endlich auf 12 Teams zu reduzieren, ausser der Tatsache, dass es für zwei Teams schmerzhaft wäre?
Wen soll man denn in die Swiss League schicken?

Die beiden schwächsten Teams. Ajoie plus eines. Bis vor ein paar Jahren waren es ja auch bloss 12 Teams. So würde gleichzeitig auch die Swiss League flott gemacht.
So etwas würde man nie durchbringen. 

Könnte der neue TV-Vertrag ein Anreiz sein? Vielleicht sagt der TV-Partner: Wir möchten höchstens noch maximal 6 Spiele gleichzeitig, nicht mehr 7.
Vielleicht bewegt sich dann etwas. Das kann sein. Momentan ist es so, dass du in der Liga keine Reduktion durchbringst, weil mindestens 8 Klubs Angst vor einem Abstieg haben.

Man erinnert sich an die Fanproteste vor der Reform der National League: gegen mehr Ausländer und für einen fixen Auf-/Abstiegsprozess.
Wir haben nicht mehr Ausländer als vor der Reform, weil alles den Regeln entsprechend abgelaufen ist: Bei 12 Teams sind es 4 Ausländer, bei 13 Teams sind es 5, und bei 14 Teams haben wir 6. Bezüglich der Swiss League sind wir dran, da wird jemand von der National League zur Verfügung gestellt und bezahlt, der alles sauber analysiert und dann etwas auf die Beine stellt. Die aktuelle Pflästerli-Politik bringt doch nichts, man muss alles auseinandernehmen und dann neu zusammensetzen. Das wird im Verlauf des nächsten Jahres passieren. 

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«Schönes Wetter draussen»
SCB-Boss Marc Lüthi auf die Frage nach Verbandspräsident Schärer
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Sind Sie optimistisch, dass das klappt?
Ja. 

Aber der Verband ist da auch involviert. Der sieht gewisse Dinge vielleicht anders.
Vielleicht, das werden wir sehen. 

Wie stellt sich Verbandspräsident Stefan Schärer Ihrer Meinung nach an?
Schönes Wetter draussen, nicht? 

Na gut, lassen wir das Thema ... Wie lange werden die aktuellen Strukturen der National League intakt bleiben?
Die Anzahl der Klubs und die Anzahl der Ausländer wird sich in den nächsten zehn Jahren nicht ändern, davon bin ich überzeugt, auch wenn ich vom System selbst nicht überzeugt bin. Wir halten uns an das, was das Reglement verlangt. Die Liga funktioniert – wenn ich von mehr Showbusiness und mehr Unterhaltung träume, bedeutet das nicht, dass ich dafür die bestehenden Regeln brechen werde. Ich kenne auch keinen anderen Klub, der das tun würde. 

Lüthi sagt: «Man hätte die Swiss League damals mitnehmen sollen.»
Foto: Sven Thomann

Könnte man mehr Show und mehr Unterhaltung nicht garantieren, wenn man jede Saison auch noch eine spannende Auf-/Abstiegsphase vermarkten könnte? Und dazu noch eine intakte Swiss League dazu?
Hätte ich diese grüne Wiese, gäbe es 20 Profi-Klubs, 10 oben, 10 unten, wir hätten einen einheitlichen TV-Vertrag, einen direkten Auf-/Abstieg, aber wenn du dabei sein willst, musst du gewisse Kriterien erfüllen. Aber wir haben keine grüne Wiese. 

Jetzt gibt es zwar keine grüne Wiese, aber ein Problem: Die Swiss League hat nur 6 Klubs, die konkurrenzfähig sind. Aus 6 Klubs kann man aber keine Liga basteln. Was hindert die National League daran, wenigstens 2 Klubs an die Swiss League abzugeben?
Die Mehrheiten. Man bringt für eine Änderung des Systems keine Mehrheit zustande, weil keiner am Ast sägt, auf dem er sitzt. Darum ist der Traum einer 12er-National-League genauso utopisch wie das 10-10-Modell. Keine Chance, weil keiner betroffen sein will. 

Und wenn der nächste TV-Vertrag nur noch dann Geld einbringt, wenn sich etwas ändert?
Das müsste man sich dann genau anschauen. Ich bin für vieles bereit, aber nicht dafür, Wirtschaftlichkeit zu vernichten. Das ist für mich als liberal denkender Mensch ein kostbares Gut. 

Dann müsste man aber die Liga schliessen?
Nein. 

Im Frühling wird es eine Liga-Qualifikation geben, verspricht Marc Lüthi.
Foto: Sven Thomann

Wäre das nicht ehrlicher als das, was man den Leuten jetzt vorgaukelt? Nicht mal eine Playout-Serie ist garantiert, die Liga-Quali auch nicht. Der B-Meister kann eventuell nicht aufsteigen.
Wer B-Meister ist und den A-Vertreter schlägt, der soll aufsteigen können, Punkt. 

Ohne Sicherheitsnetz und doppelte Böden?
Auch ein Aufstieg ohne Bedingungen würde in der Liga keine Mehrheit finden, ausser wenn das vielleicht von aussen erzwungen würde. Aber dann müsste man sich auch fragen: Ist es nicht doch attraktiver, wie es gerade ist?

Aus Sicht der Medien sagen harte Zahlen: Es ist spürbar, wenn es keinen Überlebenskampf gibt, also wenn Playouts und Liga-Quali ausfallen.
Im nächsten Frühling wird es eine Liga-Qualifikation geben. 

Glauben Sie das wirklich?
Ja. 

Also erhält La Chaux-de-Fonds die Lizenz zum Aufstieg?
Es ist nicht meine Aufgabe, das zu bestätigen. 

Wie deuten Sie das, wenn Olten von Ajoie Trainer Wohlwend bekommt und dafür auf ein Aufstiegsgesuch verzichtet? Das ist doch eine sportliche Bankrotterklärung.
(Grübelt.) Das ist wahrscheinlich in dieser Saison der einzig gangbare Weg für Olten, weil sie sich in diesem Jahr keine Chance auf den Aufstieg ausrechnen. Aber in Olten tut sich im Hintergrund einiges, die werden wieder in die Spur kommen, garantiert. 

Aber ein solcher Kuhhandel müsste doch Konsequenzen haben?
Warum? Das ist unternehmerische Freiheit. 

National League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
ZSC Lions
ZSC Lions
24
31
52
2
HC Davos
HC Davos
25
28
50
3
Lausanne HC
Lausanne HC
25
3
45
4
SC Bern
SC Bern
26
17
45
5
EV Zug
EV Zug
26
16
41
6
EHC Kloten
EHC Kloten
25
-3
38
7
EHC Biel
EHC Biel
25
2
37
8
SCL Tigers
SCL Tigers
23
-2
32
9
SC Rapperswil-Jona Lakers
SC Rapperswil-Jona Lakers
25
-12
32
10
Genève-Servette HC
Genève-Servette HC
22
1
31
11
HC Fribourg-Gottéron
HC Fribourg-Gottéron
25
-11
31
12
HC Ambri-Piotta
HC Ambri-Piotta
24
-15
30
13
HC Lugano
HC Lugano
23
-18
29
14
HC Ajoie
HC Ajoie
24
-37
20
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