Durchbeissen bis zur Tapferkeitsmedaille
Weshalb Verletzungen in den Playoffs verschwiegen werden

Blessuren und Schlimmeres werden während den Playoffs meist unter Verschluss gehalten. Ist die Sause aber vorbei, bietet das medizinische Bulletin genug Stoff für Heldengeschichten.
Publiziert: 03.04.2023 um 14:38 Uhr
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Playoffs 2022: Zug-Topskorer Jan Kovar muss gegen den Lugano-Stürmer Justin Abdelkader einstecken.
Foto: BENJAMIN SOLAND

Läuft der noch ganz rund? In den Playoffs machen spätestens ab den Halbfinals die ersten Gerüchte über mögliche Verletzungen die Runde. Informationen gibt es in der Regel keine, die Klubs halten die medizinischen Bulletins aus praktischen Gründen unter Verschluss: Es könnte ja einer auf dumme Ideen kommen und da draufhauen, wo es eh schon zwickt.

Ins Plaudern geraten Klubs und Spieler erst, wenn die Saison durch ist – und das ebenfalls aus praktischen Gründen: Verletzungen werden ab und zu auch bei der posttraumatischen Aufarbeitung eines frühzeitigen Ausscheidens kommuniziert, um Systemkritikern präventiv den Wind aus den Segeln zu nehmen. Oftmals ist die plötzliche Transparenz aber auch ein Schutzreflex: Erreicht ein Spieler in der wichtigsten Phase der Saison nicht sein optimales Rendement, liefert eine nachgereichte Verletzungsmeldung vielleicht eine einfache Erklärung dazu.

Wer trotz ernsthaften Blessuren durchhält und dabei auch noch von Verdachtsmomenten verschont bleibt, erfährt die höchste Auszeichnung für Mannschaftssportler: den Heldenstatus für besondere Tapferkeit.

Playoffs mit vier gebrochenen Rippen

Der EVZ-Captain und Leithammel Jan Kovar spielte im Frühling 2022 auf dem Weg zum zweiten Titel in Folge mit vier gebrochenen Rippen die Playoffs durch. Eine Verletzung, die selbst Profis mit höchster Schmerztoleranz dazu nötigt, die weisse Fahne zu hissen. Aber nicht Kovar. «Ich habe mit dem Trainer lange Diskussionen geführt, ob ich spielen soll oder nicht. Aber schliesslich ging es um alles oder nichts.»

Ohne Schmerzmittel hätte er aber keine Chance gehabt. «Die Checks blieben aber schmerzhaft», so Kovar, «deshalb habe ich einfach, so gut es ging, versucht, solchen Problemen aus dem Weg zu gehen.» Das Atmen fiel ihm leichter als erwartet, «ich dachte, das wäre schlimmer».

Erwischen kann es aber jeden. Selbst den Davoser Dauerläufer Andres Ambühl. 2018 verpasste «Büeli National» wegen einer Schnittverletzung den Rest der Playoffs sowie die Weltmeisterschaft in Kopenhagen. Im Viertelfinal hatte ihm die Kufe eines Mitspielers oberhalb des rechten Knöchels Sehnen und Bänder durchtrennt, Operation, Saisonende. Obwohl Trainer Del Curto noch auf ein Wunder gehofft hatte: «Ambühl ist Ambühl, zudem ein Bauernsohn, die sind aus anderem Holz geschnitzt.» Ist Ambühl bestimmt – aber offenbar trotzdem ein Mensch aus Fleisch und Blut.

90er-Jahre: Medizinische Notfall-Selbstversorgung

Der angriffslustige Kanadier Paul Gagné, in den 90er-Jahren bei Olten und Biel für Rustikales und Zählbares zuständig, gab 1996 ein kurzes Playoff-Gastspiel im Zürcher Hallenstadion. Der damalige ZSC-Mitspieler Edgar Salis erinnert sich: «Gagné hatte einen schlimmen Schleimbeutel am Ellbogen, der Arm sah aus wie eine Brühwurst. In den Pausen zog er jeweils Achsel- und Ellbogenschoner aus, beugte sich über einen Abfallkübel und drückte eitrige Flüssigkeit aus dem dick angeschwollenen Gelenk, zog die Ausrüstung wieder an und machte weiter.» Zum Glück gibt es davon keine Bilder. Bitte nicht zu Hause nachmachen, weil: Infektionsgefahr.

Da draufhauen, wo es schmerzt

Ein Beispiel für möglichen Missbrauch liefert diese Episode: 2011 musste Klotens Finne Tommi Santala die Finalserie gegen den HC Davos mit einem gebrochenen Zeigefinger in Angriff nehmen. In Kloten hielten sich damals offenbar nicht alle an das branchenübliche Schweigegelübde – die Verletzung wurde publik. Beim ersten Puckeinwurf im fünften Spiel in Davos erhielt Santala von seinem Gegenüber Reto von Arx einen Stockschlag – just auf die schmerzhafte Stelle. Santalas Handschuh flog bis unters Hallendach. Schlecht ist, wer Schlechtes denkt: Hatte von Arx gut gezielt? Oder war das Zufall? Auf jeden Fall wusste der HCD-Leitwolf bald einmal, wie sich das anfühlt: Ein Jahr später wird Von Arx während der ersten Viertelfinal-Partie gegen den späteren Meister ZSC Lions von einem Puck an der Hand getroffen (Friendly fire, der Absender war sein Teamkollege Beat Forster) und bricht sich dabei einen Finger. Von Arx wird am nächsten Tag operiert und ist nach einer kurzen Pause im dritten Spiel wieder dabei, muss aber für das Schlussbouquet mit dem Sieg der Zürcher passen.

Bänderriss beim Ballspiel

Manchmal erwischt es die Spieler aber auch schon beim Warmlaufen vor dem ersten Eiskontakt: Während des Viertelfinals 1994 gegen den SC Bern werfen sich die EVZ-Schweiz-Kanadier Misko Antisin, Tony Koller und Colin Muller auf der Wiese neben der alten Herti-Halle einen Football zu. Als Antisin den Ball fangen will, verliert er das Gelände aus den Augen, tritt abseits der Wiese auf einen Bordstein und knickt um: Bänderriss am rechten Knöchel. Antisin humpelt in die Garderobe, zieht die Ausrüstung an und sagt erst mal nichts. Erst als der Fuss dick anschwillt, wird der Arzt gerufen. Im Spiel danach erzielt «Mish» zwei Tore. Gehen kann er für den Rest der Playoffs nur noch mit der Hilfe von Krücken – aber zum Spielen reicht es dank schmerzstillenden Injektionen und dem Halt, den die Schlittschuhe bieten.

National League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
ZSC Lions
ZSC Lions
29
34
61
2
Lausanne HC
Lausanne HC
32
13
61
3
SC Bern
SC Bern
32
21
58
4
HC Davos
HC Davos
33
24
58
5
EHC Kloten
EHC Kloten
33
0
57
6
EV Zug
EV Zug
31
19
49
7
SCL Tigers
SCL Tigers
31
3
45
8
EHC Biel
EHC Biel
31
-1
42
9
HC Fribourg-Gottéron
HC Fribourg-Gottéron
32
-11
42
10
SC Rapperswil-Jona Lakers
SC Rapperswil-Jona Lakers
33
-14
42
11
HC Ambri-Piotta
HC Ambri-Piotta
32
-21
41
12
Genève-Servette HC
Genève-Servette HC
29
-1
39
13
HC Lugano
HC Lugano
31
-20
39
14
HC Ajoie
HC Ajoie
31
-46
26
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