Zweisprachig begrüsst ein grosses Plakat die Besucher ganz im Osten der Stadt: «Bienvenue in Biel». Links daneben, im Swiss-Tennis-Zentrum, sind Roger Federer und Belinda Bencic zu Weltstars gereift. Die Strasse, die zur Tennishalle führt, heisst «Roger-Federer-Allee». Gleich dahinter steht die Tissot Arena, Spielstätte des FC Biel und des EHC Biel. Der Stadtteil Bözingen, in dem die Sportanlagen stehen, geniesst ansonsten einen eher zweifelhaften Ruf. Die Häuser an der Hauptstrasse sind heruntergekommen, leer stehende Lagerhallen, Massagesalons, Sexshops. Richtung Norden schwingt sich die Autobahn A16 auf mächtigen Pfeilern in den Jura hinauf. Unweit davon hat Polizeihund Faro an einem Freitagmorgen im September 2010 den Amok-Rentner Peter Hans Kneubühl gestellt.
Armut und Edeluhren
Biel, mit ihren 55'000 Einwohnern die grösste zweisprachige Stadt der Schweiz, könnte gegensätzlicher kaum sein. Vor vier Jahren hat die UBS ein Backoffice für 600 Mitarbeitende mitten in der Stadt bezogen. Die Infrastrukturkosten und die Mieten sind in Biel billiger als in Zürich.
Vor kurzem hat Swatch den neuen Hauptsitz eingeweiht. Ein architektonisches Meisterwerk des Japaners Shigeru Ban. 240 Meter lang und 35 Meter breit schlängelt sich das Gebäude, das einem Drachenschwanz nachempfunden ist, dem Fluss Schüss entlang. Rolex, der zweite Uhrengigant der Region, hat in den letzten Jahren im östlichen Industriegebiet für 500 Millionen eine neue Manufaktur gebaut. Dabei war die Uhrenindustrie, von der die Stadt und die ganze Region jahrzehntelang gelebt hatten, Anfang der 70er-Jahre praktisch tot. Die Arbeitslosigkeit stieg in schwindelerregende Höhen, mehr als 10'000 Menschen verliessen die Stadt.
Heute gehören die Gebäude von Swatch, Omega und Rolex zu den modernsten im ganzen Kanton. Aber es ist längst nicht alles Gold, was in Biel glänzt, wenn die Sonne abends hinter der ersten Jurakette verschwindet.
Da ist einerseits die Schuldenlast, welche die Stadt Biel drückt. 800 Millionen sind es mittlerweile. Hinzu kommt die höchste Sozialhilfequote aller Schweizer Städte (10,5 Prozent). Erich Fehr (SP), seit 12 Jahren Bieler Stadtpräsident, sagt: «Natürlich sind wir darauf nicht stolz. Aber in den letzten Jahren hat es eine Trendwende gegeben. Die Sozialhilfequote ist zum fünften Mal in Folge gesunken. Die Einwohnerzahl steigt wieder und erfreulich ist auch, dass wir praktisch keine Zuzüger mehr haben, die direkt in der Fürsorge landen.»
Aber auch Fehr weiss, dass der billige Wohnraum, den es in der Stadt Biel gibt, nach wie vor viele arme Familien anlockt. Am meisten Sorgen bereitet Fehr allerdings der unterdurchschnittliche Steuerertrag: «Biel war immer schon eine Arbeiter- und Industriestadt. Und da sind die Löhne halt wesentlich tiefer als etwa im Banken- oder im Dienstleistungssektor.» Das führt dazu, dass in Biel jeder Steuerfranken direkt in die Fürsorge wandert.
Hoffnungen setzt Fehr unter anderem in den neuen Campus der Berner Fachhochschule, der bis in fünf Jahren bezugsbereit sein wird, und in den Innovationspark daneben. Die Studenten sollen sich dort mit Bieler Techfirmen vernetzen «und im Idealfall später hier eigene Ideen entwickeln und Firmen gründen», so Fehr. Im Vergleich mit anderen Städten verfügt Biel zudem über viele unbebaute Flächen und relativ günstige freie Wohnungen.
Eine Stadt im Aufschwung
Trotz hoher Sozialquote und fehlender Steuererträge lässt sich also ein leichter Aufwärtstrend erkennen. Die Expo 2002 hat dabei geholfen, längst fällige Infrastrukturvorhaben zu beschleunigen. Im Swiss-Tennis-Zentrum findet seit zwei Jahren ein Challenger-ATP-Turnier statt. Die Frauen-Fussballnati spielte regelmässig in der Tissot Arena, ebenso die Schweizer Eishockeynationalmannschaft in der Eishalle daneben.
Und dann ist da natürlich der EHC Biel, der zuerst den SC Bern und dann auch den ZSC in überzeugender Art und Weise aus den Playoffs geschossen hat. Mit 4:0 haben sich die Bieler zuletzt in der Halbfinalserie gegen die Zürcher durchgesetzt. Stadtpräsident Fehr, der selber jahrelang als Junior für die Bieler gespielt und später den Nachwuchs trainiert hat, glaubt daran, dass es die Seeländer erstmals seit 40 Jahren wieder packen können: «Die Zeichen stehen gut.»
Spätestens nach den drei Meistertiteln in den Jahren 1979, 1981 und 1983 hat der EHC Biel den Fussballern des FC Biel den Rang abgelaufen. Dabei gehörten die Seeländer Fussballer auch einmal zu den ganz Grossen im Land. 1947 wurden sie Schweizer Meister, 1961 standen sie im Cupfinal. Jupp Derwall war von 1959 bis 1961 Trainer. Die späteren Nationalspieler Joko Pfister, Thomas Bickel und Martin Weber starteten ihre Karriere in Biel.
Wie die Kollegen vom EHC geriet auch der FC zu Beginn der 90er-Jahre in finanzielle Schwierigkeiten. Zwischenzeitlich stieg man sogar bis in die 2. Liga ab. Der Umzug in die neue Tissot Arena, der für den EHCB ein Segen war, erwies sich für den FC Biel als Hypothek. 2015 übernahm der grössenwahnsinnige Zürcher Anwalt Carlo Häfeli (Foto oben) als Präsident beim damaligen Challenge-Ligisten. Kaum im Amt, fabulierte Häfeli von Aufstieg und Europa League. 29 Spieler gingen, 22 neue wurden verpflichtet. Unter Häfeli gab es ein Kommen und Gehen wie auf einer Baustelle. Der absolute Tiefpunkt war erreicht, als der kroatische Trainer Zlatko Petricevic übernahm. Im Training übte er sich unter dem Gelächter der Spieler als Elfmeterschütze, rauchte im Mannschaftsbus eine Zigarette nach der anderen und wurde freigestellt, nachdem er beim Auswärtsspiel in Schaffhausen einem Physiotherapeuten einen Faustschlag verpasst hatte.
Weil Häfeli Löhne und Sozialbeiträge nicht bezahlte, verhängte die Liga mehrere Punktabzüge. Ende April 2016 entzog die Disziplinarkommission den Bielern die Lizenz mit sofortiger Wirkung. Der FC Biel wurde in die 2. Liga regional zwangsrelegiert. Zwar gelangen danach zwei Aufstiege. Der FC Biel spielt inzwischen wieder in der Promotion League. Doch bereits bahnt sich das nächste Desaster an. In der Tabelle belegen die Bieler den drittletzten Platz. In 12 Monaten haben sie 5 Trainer verschlissen. Im Schnitt kommen kaum 500 Zuschauer zu den Heimspielen. Vielleicht sollten sich die Fussballer ein bisschen bei den Nachbarn vom Eishockey umhören, wie man einen Klub seriös führt.
Spätestens nach den drei Meistertiteln in den Jahren 1979, 1981 und 1983 hat der EHC Biel den Fussballern des FC Biel den Rang abgelaufen. Dabei gehörten die Seeländer Fussballer auch einmal zu den ganz Grossen im Land. 1947 wurden sie Schweizer Meister, 1961 standen sie im Cupfinal. Jupp Derwall war von 1959 bis 1961 Trainer. Die späteren Nationalspieler Joko Pfister, Thomas Bickel und Martin Weber starteten ihre Karriere in Biel.
Wie die Kollegen vom EHC geriet auch der FC zu Beginn der 90er-Jahre in finanzielle Schwierigkeiten. Zwischenzeitlich stieg man sogar bis in die 2. Liga ab. Der Umzug in die neue Tissot Arena, der für den EHCB ein Segen war, erwies sich für den FC Biel als Hypothek. 2015 übernahm der grössenwahnsinnige Zürcher Anwalt Carlo Häfeli (Foto oben) als Präsident beim damaligen Challenge-Ligisten. Kaum im Amt, fabulierte Häfeli von Aufstieg und Europa League. 29 Spieler gingen, 22 neue wurden verpflichtet. Unter Häfeli gab es ein Kommen und Gehen wie auf einer Baustelle. Der absolute Tiefpunkt war erreicht, als der kroatische Trainer Zlatko Petricevic übernahm. Im Training übte er sich unter dem Gelächter der Spieler als Elfmeterschütze, rauchte im Mannschaftsbus eine Zigarette nach der anderen und wurde freigestellt, nachdem er beim Auswärtsspiel in Schaffhausen einem Physiotherapeuten einen Faustschlag verpasst hatte.
Weil Häfeli Löhne und Sozialbeiträge nicht bezahlte, verhängte die Liga mehrere Punktabzüge. Ende April 2016 entzog die Disziplinarkommission den Bielern die Lizenz mit sofortiger Wirkung. Der FC Biel wurde in die 2. Liga regional zwangsrelegiert. Zwar gelangen danach zwei Aufstiege. Der FC Biel spielt inzwischen wieder in der Promotion League. Doch bereits bahnt sich das nächste Desaster an. In der Tabelle belegen die Bieler den drittletzten Platz. In 12 Monaten haben sie 5 Trainer verschlissen. Im Schnitt kommen kaum 500 Zuschauer zu den Heimspielen. Vielleicht sollten sich die Fussballer ein bisschen bei den Nachbarn vom Eishockey umhören, wie man einen Klub seriös führt.
Als kleiner Junge war Fehr beim ersten Meistertitel 1978 im Stadion dabei. «Leider musste ich vor der Pokalübergabe nach Hause.»
Damals war der EHC Biel vor dem letzten Heimspiel gegen Kloten auf die Schützenhilfe des SC Bern angewiesen. Weil die Stadtberner an jenem Abend gegen Tabellenführer Langnau siegten, während gleichzeitig die Bieler zu Hause 4:1 gewannen, musste der Meisterpokal zuerst aus dem Emmental ins Seeland gebracht werden. Die Meisterfeier stieg daher erst, als der kleine Erich bereits im Bett lag.
Am Abgrund
Einer, der die Geschichte des EHCB besser kennt als alle anderen, ist der Bieler Sportjournalist Beat Moning. Für das «Bieler Tagblatt» schreibt er seit 40 Jahren über den EHC Biel.
Er hat alle drei Meistertitel (1978, 1981 und 1983) hautnah miterlebt. Während die Bieler Ende der 70er- und Anfang der 80er-Jahre das Mass aller Dinge im Schweizer Eishockey waren, setzte Ende der 80er-Jahre der tiefe Fall ein. Sportjournalist Beat Moning erinnert sich: «Ab 1986 war es jedes Jahr ein reiner Überlebenskampf. Ende Saison fehlte jeweils fast eine Million Franken.»
Richtig dramatisch wurde die Situation in den 90er-Jahren. Trainer und Ausländer kamen und gingen. Und nach dem Ausstieg des legendären Bieler Patrons und Verlegers des «Bieler Tagblatts», Willy Gassmann, begann der Fall ins Bodenlose. Nur dank der Unterstützung von Donatoren, die am Ende der Saison ausstehende Rechnungen bezahlten, konnte der EHCB am Leben erhalten werden.
Trainieren, bis die Polizei kommt
Auch die Bieler Verteidiger-Legende Jakob «Köbi» Kölliker, der zu Beginn der Saison 1993/94 als Trainer an der Bande stand, konnte das Steuer nicht herumreissen. Unter seiner Führung spielte sich zudem eine der bizarrsten Geschichten ab, die es im Schweizer Eishockey je gegeben hat. Nach einer 0:7-Schlappe in Zug war der damalige Präsident Ueli Roth, ein bisweilen leicht cholerischer Bieler Immobilienunternehmer, dermassen erbost, dass er seinen Versagern einen mehrminütigen Marsch hinter dem Mannschaftsbus verordnete. Angekommen in Biel, mussten die Spieler auch noch zum Straftraining antraben. Biels damaliger Goalie, Olivier Anken, erinnert sich gut an diese Episode: «Wir spielten im Stadion Bandy eine finnische Form des Eishockeys, die mit einem Ball gespielt wird. Nach 15 Minuten setzte die Bieler Stadtpolizei dem Treiben ein Ende. Nachbarn neben der Eishalle hatten sich beschwert, weil wir ihre Nachtruhe störten.»
Im Dezember, kurz nach der Strafsession, war Köllikers Engagement beendet, und auch der EHCB war eineinhalb Jahre später am Ende. Die Bieler stiegen 1995 in die Nationalliga B ab.
Spielerlöhne aus dem Aktenkoffer
Der Klub stand vor dem Konkurs. Die ausstehenden Spielerlöhne konnten nach der Saison nur deshalb bezahlt werden, weil der heutige Sportchef Martin Steinegger nach dem Abstieg für 300'000 Franken zum Rivalen SCB wechselte. Markus Bundeli, der damalige Teammanager der Bieler, liess sich die 300'000 Franken vom SCB bar ausbezahlen. Mit einem prall gefüllten Aktenkoffer setzte er sich ins Auto, fuhr von Bern direkt ins Eisstadion nach Biel und bezahlte den Spielern ihren Lohn auf die Hand.
13 Jahre dümpelte der EHC Biel in der zweithöchsten Liga herum und scheiterte viermal in der Ligaqualifikation. Unter neuer Führung und dank einer Nachlassstundung überlebte der EHCB die Zweitklassigkeit.
Erst 2008 gelang dann gegen den EHC Basel der Wiederaufstieg. Es war die Geburtsstunde des Schlachtrufs «Ici c’est Bienne» der Bieler Fans, die damit ihrer Einzigartigkeit Ausdruck verleihen wollten: «Wir sind anders als alle anderen.»
Dreimal mussten die Bieler danach allerdings noch in die Relegation, wo die Zukunft erneut an einem seidenen Faden hing.
Seither hat sich der Klub stabilisiert. CEO Daniel Villard und Sportchef Martin Steinegger sind beide seit mehr als zehn Jahren im Klub. Trainer Antti Törmänen steht seit 2017 an der Bande. Zweimal in den letzten fünf Jahren standen die Bieler im Playoff-Halbfinal und nun also erstmals in der Geschichte im Playoff-Final.
Goalie-Legende Olivier Anken ist zuversichtlich, dass den Bielern nach 40 Jahren endlich wieder der grosse Coup gelingt: «Der ganze Klub arbeitet seriös und mit viel Geduld. Die Juniorenabteilung gehört zu den besten im Land. Und ganz wichtig: Das Team ist eine Einheit und hat sowohl gegen den SCB als auch gegen den ZSC Charakter gezeigt.»
Auch Kölliker glaubt an den Titel: «Das Team ist taktisch und läuferisch stark und dazu sehr kompakt und ausgeglichen. Vom Koch bis zum Eismeister ziehen alle am selben Strick. Es passt einfach alles. Für mich ist Biel im Final der klare Favorit.»
Mehr Eishockey
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | Lausanne HC | 20 | 12 | 40 | |
2 | ZSC Lions | 18 | 20 | 39 | |
3 | HC Davos | 19 | 21 | 38 | |
4 | SC Bern | 20 | 15 | 33 | |
5 | EHC Biel | 19 | 4 | 32 | |
6 | EV Zug | 19 | 11 | 29 | |
7 | EHC Kloten | 19 | -2 | 28 | |
8 | SC Rapperswil-Jona Lakers | 19 | -8 | 26 | |
9 | HC Ambri-Piotta | 18 | -10 | 24 | |
10 | HC Lugano | 17 | -13 | 22 | |
11 | HC Fribourg-Gottéron | 19 | -11 | 22 | |
12 | Genève-Servette HC | 16 | -2 | 21 | |
13 | SCL Tigers | 17 | -3 | 21 | |
14 | HC Ajoie | 18 | -34 | 12 |