Auf einen Blick
Der EHC Biel befindet sich im Umbruch. Vor zwei Jahren schnupperten die Bieler am Meistertitel, letzte Saison folgte der sportliche Absturz inklusive Trainerentlassung und Notfall-Einsatz von Sportchef Martin Steinegger an der Bande. Seither: Prominente Abgänge, die Mannschaft bekommt ein neues Gesicht.
Keine einfache Aufgabe also, die Seeländer als Trainer in ruhige Gewässer zu führen. Die Aufgabe gefasst hat Martin Filander (43). Martin, wer? Eine Frage, die bei der Bekanntgabe seiner Verpflichtung bestimmt mancherorts gestellt worden ist. Dabei hat sich Filander in den letzten Jahren in seiner Heimat Schweden einen Namen als Coach gemacht. 2022 wurde er als «Schwedischer Trainer des Jahres» ausgezeichnet, 2023 als «SHL-Trainer des Jahres». Was heraussticht beim 43-Jährigen: Seine Laufbahn ist keine herkömmliche.
Der «spannende Werdegang» hat auch Ueli Schwarz, Delegierter des EHCB-Verwaltungsrates, beeindruckt und überzeugt. «Martin ist mit einem Rucksack voller Führungserfahrung in seine Trainerkarriere gestartet. Meistens ist das bei Coaches eher umgekehrt.» Der Grund: Filander hat mit 22 Jahren bereits eine Führungsposition bei Scania, einem der weltweit bekanntesten Lastwagen-Hersteller. Er durchläuft ein firmeninternes Leadership-Programm, führt 50 Leute. Einer Karriere in der Privatwirtschaft wäre nichts im Weg gestanden.
Er kam nur durch Zufall auf den Trainerposten
Als er mit 30 seine semiprofessionelle Spielerkarriere an den Nagel hängt, deutet zunächst nichts darauf hin, dass er eine Trainer-Laufbahn einschlägt. Bis ihn sein letzter Klub Örebro (zweithöchste schwedische Liga) anfragt, ob er sich um die marode Nachwuchs-Abteilung kümmern könnte. «Es war ein Zufall. Ich spielte vier Jahre dort. Man kannte mich und vertraute mir», erzählt Filander. Er lehnt ein Jobangebot aus der Privatwirtschaft ab und baut beim noch jungen Klub Örebro etwas Beständiges auf. In der Saison 2012/13 amtet er gleichzeitig als U20-Headcoach, Nachwuchs-Sportchef, Material- und Hallenmanager.
Was den Vater von zwei Söhnen am Coaching fasziniert? Seinen Schützlingen helfen zu können, bessere Spieler und Menschen zu werden, sie wachsen zu sehen. «Natürlich ist das Gewinnen der Antrieb. Aber dabei soll die Mannschaft verstehen, dass und wie sie als Team besser ist.» Filander möchte für seine Spieler jener Trainer sein, den er sich damals als junger Verteidiger gewünscht hätte. Der vermitteln kann, dass die Taten von jedem das ganze Team beeinflussen. Schon als Spieler sei es ihm wichtig gewesen, sich einzubringen und zu kümmern, «ich war nie der Beste, aber trotzdem wollte ich dem Team, den Mitspielern bestmöglich helfen», erzählt er.
Filander, der aus dem kleinen Dorf Akers Styckebruk eine Stunde südwestlich von Stockholm stammt, denkt Hockey 24 Stunden, 7 Tage. «Ich kann es fast nicht abschalten», gesteht er. «Vor dem Einschlafen habe ich Hockey im Kopf. Es ist meine Passion.» Er hinterfragt viel und mag es, die «Was wäre wenn?»-Frage zu stellen. Sich selbst beschreibt der Schwede als offen für unkonventionelle Antworten.
Benny Boquist (30), derzeit Materialwart beim EV Zug und davor von 2020 bis 2023 in gleicher Funktion für Oskarshamn unter Filander tätig, sagt: «Er ist ein absoluter Hockey-Nerd. Wenn man an seine Ideen glaubt, ist alles möglich.» Der Kult-Materialwart spricht die erste Saison Filanders als Headcoach bei Oskarshamn an. «Er hatte einen schwierigen Start.» Das Team – erst in seiner zweiten Saison nach dem Aufstieg in die höchste Liga – reiht 16 (!) Pleiten aneinander. «Doch Martin schaffte es, immer positiv zu bleiben. Es war der beste Entscheid des Klubs, an ihn zu glauben und an ihm festzuhalten.»
Filander trinkt zwölf Tassen Kaffee am Tag
Filander schafft den Turnaround, führt den Low-Budget- und Aussenseiter-Klub zu Erfolgen, die ihm niemand zugetraut hat. Und verschafft sich als junger Trainer so den Respekt in Schweden und eine grosse Beliebtheit. «Er ist ein toller, ehrlicher Mensch», so Boquist, der aber auch Filanders Kaffee-Liebe nicht unerwähnt lässt. Rund zwölf Tassen täglich trinke er, sagt der Biel-Trainer einst selbst dazu. Seine Energie, sich über Hockey Gedanken zu machen, versiegt nie.
Denn etwas ist ihm wichtig: Es soll keine Routine aufkommen bei der täglichen Arbeit. Filander mag es, Dinge anders anzupacken, auf oder neben dem Eis. «Nur weil etwas gut gewesen ist, so wie es war, bedeutet es nicht, dass es anders nicht noch besser sein kann.» Es hat Zeiten gegeben, in denen er sich als Trainer jedes Spiel danach noch drei- bis viermal angeschaut hat. «Irgendwann habe ich realisiert, dass es meine Analysen nicht besser macht.» Filander macht auch vor sich selber nicht Halt, wenn es darum geht, unangenehme Fragen zu stellen. «Wenn man aufhört zu versuchen, besser zu werden, wird man automatisch schlechter. Stagnation gibt es nicht.»
Wenn er etwas anpackt, möchte er etwas bewegen. Wie nun beim EHC Biel. «Es ist ein Neustart für mich und hat Klick gemacht. Es ist die perfekte Herausforderung.» Und seine Familie ist mit an Bord. Seine Frau Louise (39) sowie die beiden Hockey spielenden Söhne Sigge (11) und Challe (6) leben sich gerade in Biel ein. «Ich bin stolz auf sie, wie sie das meistern.»
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
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1 | ZSC Lions | 27 | 32 | 58 | |
2 | HC Davos | 31 | 26 | 57 | |
3 | Lausanne HC | 30 | 9 | 56 | |
4 | EHC Kloten | 31 | 0 | 53 | |
5 | SC Bern | 30 | 17 | 52 | |
6 | EV Zug | 29 | 16 | 46 | |
7 | SCL Tigers | 29 | 3 | 41 | |
8 | EHC Biel | 29 | 1 | 40 | |
9 | HC Fribourg-Gottéron | 30 | -8 | 39 | |
10 | HC Ambri-Piotta | 30 | -19 | 39 | |
11 | SC Rapperswil-Jona Lakers | 31 | -15 | 39 | |
12 | Genève-Servette HC | 27 | 0 | 36 | |
13 | HC Lugano | 29 | -22 | 36 | |
14 | HC Ajoie | 29 | -40 | 26 |