Es ist erst sein zweites Eistraining im Sportzentrum in Arosa, doch Michel Zeiter ist schon heiser. Er treibt seine neuen Spieler in den Übungen an. Es sind die Heilbronner Falken aus der zweithöchsten deutschen Liga, der DEL2. Im April haben die Falken Zeiter für die nächste Saison als ihren Headcoach engagiert, seit einem Monat wohnt er etwas ausserhalb von Heilbronn.
Michel Zeiter ist ein grosser Name des Schweizer Eishockeys. Zweifacher Meister mit den ZSC Lions (2000, 2001), der «Löwenkönig». In seiner Karriere als Spieler hat es der Ostschweizer nie ins Ausland geschafft. Als Trainer wagt er diesen Schritt nun. «Ich will als Trainer arbeiten, dafür lebe ich», sagt der 46-Jährige, «wo ich das tue, ist mir egal.»
Zeiter will sich nicht auf die Schweiz beschränken, als er im letzten Dezember nach seiner Freistellung beim EHC Winterthur (2016 bis 2019) nach neuen Möglichkeiten sucht. Zumal hierzulande in der Vergangenheit schon oft thematisiert worden ist, dass Schweizer Trainer in der Heimat einen schweren Stand haben und (zu) selten eine Chance bekommen.
Angebote aus Deutschland und Österreich trudeln mitten in der Corona-Krise ein, bei Heilbronn hat Zeiter nach dem ersten Gespräch ein gutes Gefühl. «Ich fühlte mich wohl, wusste sofort, wie sie spielen und wo sie hinwollen. Auch menschlich hat es gepasst mit der Klubführung.» Die Falken haben sich in den letzten zwei Jahren, in denen sie es in die Playoffs schaffen, sowohl sportlich als auch wirtschaftlich stabilisiert.
Davor sind sie eine Lift-Mannschaft, entgehen zweimal erst am grünen Tisch dem Abstieg (2015, 2016). Entsprechend viele Trainer haben sich in den letzten Jahren die Klinke in die Hand gegeben. Zeiter ist der neunte Headcoach seit 2013. Er macht das Rennen bei den Falken aus rund 30 Mitbewerbern – Vorteil Schweiz.
Schweizer als Ruhepol
«Im deutschen Hockey wird gut gearbeitet. Aber wir Schweizer sind diesbezüglich immer noch Vorbilder für sie, und auch das Schweizer Eishockey geniesst eine hohe Anerkennung. Die Wertschätzung fühlt sich gross an», erzählt Zeiter. «Sie sahen meine Karriere als Spieler und Trainer, ebenso meine Präsenz am letztjährigen Deutschland-Cup als Nati-Assistent. Das half sicher beim Entscheid.»
Mit der direkten deutschen Mentalität und dem manchmal schroffen Umgangston kommt der Ostschweizer bestens klar. In Meetings wird Zeiter dann oft als Ruhepol gesehen, der die Gespräche konstruktiv bereichert. Das erste Ausland-Engagement in der Ungewissheit des Corona-Krisenjahres – der Ex-Stürmer geht diese Herausforderung an.
Als erstes DEL2-Team haben die Falken den Trainingsbetrieb aufgenommen, ihr neuer Coach organisiert dafür ein Camp in Arosa. «Es ist eine gute Möglichkeit für mich, das Team besser kennenzulernen.» Zeiters Bauchgefühl ist verheissungsvoll: «Der Teamgeist erinnert mich stark an jenen aus unseren Zürcher Meisterjahren!» Das Highlight ist das Testspiel gegen das Aroser MySports-League-Team, das in drei Wochen in die Saison startet. Der DEL2-Meisterschaftsauftakt hingegen ist auf den 6. November verschoben.
Noch viel Zeit für Zeiter also, mit seiner Mannschaft zu arbeiten. Die Partie gegen Arosa gewinnen die Deutschen nach harzigem Start inklusive Rückstand dann doch klar mit 8:3.
Zeiter hat hohe Ziele
«Qualität und Einstellung waren für den Re-Start nach sechs Monaten sehr gut», sagt Zeiter mit noch heisererer Stimme, «trotzdem habe ich noch viel Arbeit vor mir. Tempo und Intensität müssen klar besser werden.»
Die Ziele für die – hoffentlich stattfindende – Saison sind gesteckt: die Playoff-Qualifikation. «Und da Heimrecht zu haben, wäre sensationell», so Zeiter, der den Weg Heilbronns erfolgreich weiterführen möchte. Eine Playoff-Serie gewonnen, das haben die Falken bisher nie. Auch daran wagt Zeiter zu denken. Als Spieler kennt er den sportlichen Erfolg, nun möchte er ihn sich auch als Trainer erarbeiten.