Eine WM-Bronze-Medaille mit der Schweizer Nati, drei Meistertitel und vier Cup-Triumphe mit den ZSC Lions sowie eine Olympia-Teilnahme. Monika Waidacher hat in ihrer Karriere als Hockeyspielerin einiges erreicht. 2020 hängt sie ihre Schlittschuhe an den Nagel nach neun Saisons in der höchsten Schweizer Frauen-Liga, nur um nach einem Jahr Pause wieder zum Spass aufs Eis zurückzukehren. Mit den EHC Wallisellen Lions Frauen in der dritthöchsten Liga. «Hockey ist mein Leben und ich liebe es», sagt Waidacher.
Als dann die Anfrage von MySports kommt, ob sie als Expertin das Team bereichern möchte, ist ihr erstes Gefühl? «Respekt», gesteht die 34-Jährige, «ich habe mir die Antwort darauf lange überlegt.» Denn selbst im Jahr 2024 ist es noch Realität, dass sich gewisse Leute nicht vom Vorurteil abbringen lassen werden, dass eine Frau keinesfalls eine fachmännische (oder «fachfrauische»?) Beurteilung zum Männer-Hockey abgeben kann. Das ist sich auch Waidacher bewusst. «Ich weiss, dass ich es nicht allen werde recht machen können. Aber damit kann ich umgehen.»
Denn ihr Selbstbewusstsein ist geschliffen von fünf jüngeren Brüdern – allesamt Hockeyspieler – und vielen Jahren als Stürmerin. «Hockey-Garderoben waren meine Lebensschule.» Deshalb kontert die Bank-Angestellte, die im Asset-Management arbeitet. «Auch männliche Experten haben unterschiedliche Sichtweisen und Meinungen und jeder seinen eigenen Charakter.»
Nur ein Unterschied zwischen Frauen- und Männer-Hockey
Dass Männer- und Frauen-Hockey gerne und auch zurecht als zwei verschiedene Sportarten beschrieben werden, da stimmt Waidacher zu. «Jedoch nur aus einem Grund, wegen des Physischen.» Bei den Frauen sind Bodychecks nicht erlaubt. Aber wer nun denkt, da gehts nicht auch zur Sache, dem versichert die einstige ZSC-Kapitänin: «Fiese Crosschecks oder Stockstiche sind an der Tagesordnung.» Auch Frauen können einstecken – und austeilen.
Die Aroserin betont aber, dass sich das Frauen-Hockey systemtechnisch nicht von jenem der Männer unterscheidet. «Die meisten von uns Spielerinnen hatten Männer als Trainer, mit den gleichen Theorien und Playbooks.» Die Angriffsauslösungen, das Backchecking, Power- oder Boxplay basieren auf gleichen Systemen. Und davon hat Waidacher als langjährige Spielerin Ahnung. Deshalb ist sie überzeugt, dass sie bei Torszenen beurteilen kann, welcher Spieler seine Position oder den Gegner nicht im Griff hat, und dass sie taktische Finessen erkennen und Fouls einschätzen kann.
Vom Eiskunstlaufen zum Eishockey
Bevor sie MySports zusagt, blickt sie im Studio mehrere Male hinter die Kulissen, schaut sich die Abläufe an und was auf sie zukommen wird. «Dann habe ich mich entschieden, voranzugehen, dass es eines Tages nicht mehr aussergewöhnlich ist, wenn Frauen über Männer-Hockey fachsimpeln.» Sie wolle mutig sein. Dennoch wird es Kritik geben, weil es ja einfach sei, über andere zu urteilen. Aber Waidacher beschreibt sich als lernwillig, selbstkritisch und ehrgeizig. «Ich will mich immer verbessern.» Schon als kleines Kind ist sie so. Bis sie dreijährig ist, betreibt sie Eiskunstlaufen. Weil ihr bester Schulfreund aber Hockey spielt, möchte sie es auch. Und so ist Monika Waidacher, das älteste der acht Kinder, das erste Mädchen überhaupt, das beim EHC Arosa spielt. Der Klub wird damals von ihrem Vater Ludwig (64) präsidiert.
Die WM-Bronze-Gewinnerin von 2012 macht Hoffnung, weil sie sagt: «Als ich als Kind Hockey spielte, habe ich nie den Unterschied zu spüren bekommen, dass ich ein Mädchen bin. Es ist das Beste, das mir passiert ist. Ich wurde in den Teams immer akzeptiert und habe gelernt, mich einzufügen. Es war immer normal.» Unter ihren Teamkollegen damals bei den Junioren in Chur sind zum Beispiel HCD-Stürmer Enzo Corvi (31), Kloten-Verteidiger Leandro Profico (34) oder Ex-NL-Profi Mauro Jörg (34).
Bis Waidacher 18 ist, spielt sie mit Jungs. Dann wechselt sie ins Frauen-Team der ZSC Lions. Zwischen 2010 und 2014 legt sie noch vier College-Jahre ein und erlebt das Highlight, dass sie im letzten Jahr gemeinsam mit ihren Schwestern Nina (32, Assistenztrainerin SCB-Frauen) und Isabel (30, SCB-Stürmerin) für das College St. Scholastica in Duluth (US-Bundesstaat Minnesota) auflaufen kann. Sonst ist das nur in der Nati der Fall, das Trio spielt zum Beispiel im Olympia-Team 2018 in Pyeongchang.
Hockey-Brüder freuen sich auf Debüt ihrer Schwester
Waidacher bewegt sich auch privat in einem Hockey-Umfeld. Ihr Mann Marco (33), ein einstiger ZSC-Junior, spielt beim SC Küsnacht, der Freundeskreis stammt aus der Hockey-Familie. Es ist Thema, mit Herzblut, auch in beiden Familien. Nach der ersten Überraschung sind ihre Hockey-Brüder gespannt und voller Vorfreude auf ihren ersten Einsatz im MySports-Studio vom kommenden Dienstag, 1. Oktober. Wie die quirlige, offene und kommunikative Aroserin selbst auch: «Dieses Engagement bringt mich noch näher an den Hockey-Puls.»
«Vielfalt, Gleichstellung und Inklusion sind uns sehr wichtig. Es gibt für mich keinen Grund, wieso im Sportjournalismus oder in der Hockeyberichterstattung nicht vermehrt auch Frauen das Sagen haben», sagt Toby Stüssi, als Senior Director Content Creation zuständig für die Inhalte bei MySports. «Umso mehr freut es mich, dass Monika den Schritt macht und unsere neue MySports-Expertin wird. Als Spielerin hat sie faktisch alles erreicht und kennt die Sportart aus dem FF.»