Der Schweizer Boxverband (SwissBoxing) steht vor grossen Herausforderungen. Noch immer steht er verloren zwischen Stuhl und Bank, ist nicht mehr dem umstrittenen Verband IBA angehörig und noch nicht dem neu gegründeten Verband World Boxing (WB), der keine Verbände mit ehemaligen IBA-Mitarbeiter in Führungspositionen aufnehmen will. Weil SwissBoxing-Präsident Amir Orfia (30) ein Ex-IBA-Mann ist, wurde das Gesuch um WB-Mitgliedschaft der Schweizer fürs Erste auf Eis gelegt.
Nun hat sich am Freitagabend Bemerkenswertes getan. Der Zürcher Boxverband (ZBV) hat Thomas Marthaler (63) einstimmig als Kandidaten für das Präsidium von SwissBoxing ernannt. Was nichts anderes heisst, als dass es im April an der ordentlichen GV von SwissBoxing zur Kampfwahl ums Amt des obersten Bosses kommen wird.
Was man auch als Röstigraben-Kampf werten könnte. Denn Orfia, der Mann aus Lausanne, findet vor allem Zuspruch bei den welschen Klubs. Und Marthaler wird nun als Mann der Deutschschweizer aufgebaut. Doch eigentlich will niemand einen Röstigraben-Kampf. Es soll friedlich zu und hergehen. Dafür steht Marthaler mit seiner Vita.
Deutschschweizer im Vorteil
Der ehemalige Amateurboxer und früherer Stadtammann ist Friedensrichter in Zürich (Kreise 3 und 9). Dementsprechend ist seine Nominierung auch ein Friedenszeichen des Zürcher Boxverbandes an die anderen Mitglieder von SwissBoxing. Mit zwei Kandidaten, die zur Wahl stehen, haben die Delegierten im April eine Auswahl bei der Wahl ihres Präsidenten, wobei man festhalten muss, dass die Deutschschweizer Klubs die Welschen zahlenmässig übertrumpfen.
Für Amir Orfia könnte es also eng werden. Der Druck steigt. Er braucht schnelle Resultate. Ein Volltreffer wäre es, würde er zeitnah die Differenzen mit World Boxing ausräumen und SwissBoxing in den neuen Weltverband führen. Zumal dieser nach Blick-Informationen nicht mehr mit Vehemenz darauf besteht, die Vorbehalte gegen Ex-IBA-Leute aufrechtzuerhalten. Stand jetzt muss als Kriterium für die Aufnahme einfach glaubhaft versichert werden, dass die Führungsmitglieder der Nationalverbände absolut nichts mehr mit der IBA zu tun haben. Dafür reicht ein Brief an World Boxing.
Thomas Marthaler ist im Schweizer Verband kein Unbekannter. Als Präsident der Disziplinarkommission ist er seit Jahren Mitglied des Verbandsrats. Jetzt will er mehr, steigt gegen Orfia in den Ring, mit dem Ziel, die Wogen rund um den Verband zu glätten und SwissBoxing aus der Krise und aus der Sackgasse zu führen. Ein Kampf, der noch viel Spannung verspricht.