SNB-Präsident Schlegel erklärt die aussergewöhnlich grosse Senkung
4:01
Neuer Leitzins bei 0,5 Prozent:SNB-Präsident Schlegel erklärt die Senkung

Schlegels «Jumbo»-Senkung
Macht die Nationalbank Zürich zur teuersten Stadt der Welt?

Die Senkung des Leitzinses wird den Druck auf die Immobilienpreise weiter erhöhen. Bald schon könnten Eigenheime in Zürich mehr kosten als überall sonst.
Publiziert: 15.12.2024 um 11:33 Uhr
|
Aktualisiert: 16.12.2024 um 08:06 Uhr
1/5
In Europa ist sie schon die Stadt mit den höchsten Immobilienpreisen – weltweit liegt Zürich auf Platz 2.
Foto: Keystone

Auf einen Blick

  • SNB senkt Leitzins, Immobilienpreise steigen. Eigenheimbesitzer profitieren von günstigeren Finanzierungskosten
  • Zürich ist nach Hongkong zweitteuerste Stadt weltweit für Wohnimmobilien
  • Quadratmeterpreise in Zürich übersteigen 20'000 Franken an begehrten Lagen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Der Entscheid der Nationalbank vom Donnerstag ist ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk für alle in der Schweiz, die bereits ein Eigenheim besitzen. Denn die Halbierung des Leitzinses von 1,0 auf 0,5 Prozent führt zu einem Preisschub bei Wohnungen und Einfamilienhäusern. Es ist fast ein Naturgesetz: Weil das Geld billiger wird, sinken die Finanzierungskosten für Immobilien, und das treibt die Preise.

Petra Tschudin (49), neu im Direktorium der SNB, sagte an der Medienkonferenz zum Zinsentscheid, es sei klar, dass tiefere Hypothekarzinsen «tendenziell zu einem Aufwärtsdruck bei den Immobilien führen». UBS-Immobilienspezialist Matthias Holzhey bestätigt die Einschätzung der Nationalbank-Direktorin gegenüber SonntagsBlick. Er geht davon aus, dass die Eigenheimpreise 2025 wegen des SNB-Entscheids sogar «etwas stärker steigen» als im Vorjahr.

Der Immobilienspezialist rechnet für das kommende Jahr mit einer Teuerung von 3,5 Prozent, wobei die Preise für Einfamilienhäuser etwas stärker von den sinkenden Zinsen beeinflusst werden dürften als jene für Eigentumswohnungen. Im Hotspot Zürich, wo die Preise ohnehin die höchsten der Schweiz sind, wird das Wohnen im Eigenheim für immer mehr Menschen unerschwinglich. «Klammert man Monaco oder einige Tourismus-Hotspots aus, ist Zürich bereits heute das teuerste Pflaster Europas», sagt Holzhey.

Dies sei eine Folge der «hohen lokalen Einkommen, der extrem tiefen Zinsen und des starken Frankens». Diese Entwicklung schlägt sich in steigenden Quadratmeterpreisen für Wohnungen und Einfamilienhäuser nieder. Laut Auskunft des Immobiliendienstleisters Realadvisor liegen die Quadratmeterpreise an begehrten Lagen in der Stadt Zürich bereits über der 20'000-Franken-Marke. Das bedeutet, dass für eine Wohnung mit 100 Quadratmeter Wohnfläche mehr als zwei Millionen Franken bezahlt werden müssen.

Aber es geht noch teurer. In den Datenbanken der Luxusmakler finden sich Angebote, die deutlich darüber liegen. Julius Bär Real Estate etwa bietet eine «exklusive Topfloor-Wohnung an ruhiger Lage unterhalb des Dolder Grand Hotel» an. Kostenpunkt für die 3,5-Zimmer-Wohnung mit 157 Quadratmeter Wohnfläche: 4,5 Millionen Franken. Das sind mehr als 28'000 Franken pro Quadratmeter.

Zürich schon auf Platz 2 der Welt

Für dieses Geld kann man sich praktisch überall auf der Welt eine grössere und bessere Wohnung leisten. Gemäss Zahlen der Vergleichsplattform Numbeo liegt Zürich hinter Hongkong inzwischen an zweiter Stelle (siehe Tabelle). Andere asiatische Metropolen wie Singapur, Seoul oder Shenzhen, die lange viel teurer waren, liegen deutlich hinter der grössten Stadt der Schweiz. Auch New York City ist mittlerweile günstiger als Zürich. In den USA hingegen sind die Preise wegen der anhaltend hohen Zinsen – der Leitzins liegt derzeit bei 4,75 Prozent – zum Teil deutlich gesunken.

Das musste auch Basketball-Legende Michael Jordan (61) erfahren. Seine riesige Villa in der Nähe von Chicago (USA) wurde diese Woche für 9,5 Millionen (8,4 Millionen Franken) verkauft. Die neuen Besitzer erhalten dafür ein Anwesen mit 3200 Quadratmeter Wohnfläche, einer Basketballhalle, einer Raucher-Lounge und einem hauseigenen Casino mit mehreren Spieltischen. Ursprünglich war das Anwesen mit 30'000 Quadratmeter Umschwung für 29 Millionen Dollar angeboten worden, wie Bloomberg diese Woche berichtete.

Die hohen Zinsen im Euroraum und in Grossbritannien haben in den letzten Jahren die Preise in Grossstädten wie Paris, München (D) oder London unter Druck gesetzt. Zürich hingegen, so UBS-Immobilienspezialist Holzhey, konnte das Niveau trotz höherer Hypothekarzinsen halten. Noch vor wenigen Jahren bewegten sich die Wohnungspreise in den Nobelvierteln von Paris und London in eigenen Sphären. Inzwischen aber erzielen selbst Objekte im Zürcher Kreis 5, dem ehemaligen Arbeiter- und Drogenviertel, höhere Quadratmeterpreise als im 16. Arrondissement von Paris, wo die Aristokratie und die bürgerliche Elite residieren.

Die Immobilienwelt wird noch eine Weile verrückt spielen. Der Leitzins von 0,5 Prozent, an dem sich die Saron-Hypotheken orientieren, könnte 2025 weiter sinken. Nadia Gharbi, Senior Economist bei der Genfer Privatbank Pictet Wealth Management, schrieb diese Woche: «Wir gehen weiterhin davon aus, dass die SNB ihre Geldpolitik weiter lockern und den Leitzins im Juni auf 0,0 Prozent senken wird.» Die Ökonomin schliesst auch ein erneutes Abtauchen in den Negativzinsbereich nicht aus.

Unbezahlbar für junge Familien

Der «Jumboschritt» von SNB-Chef Martin Schlegel (48) in dieser Woche macht es für viele junge Familien noch schwieriger, Wohneigentum zu erwerben. Auf der anderen Seite dürfen sich Mieter auf sinkende Mieten einstellen, da der massgebende Referenzzinssatz ziemlich sicher sinken wird.

Die günstigeren Finanzierungskosten in der Schweiz werden die Bauwirtschaft ankurbeln. Das erwartet auch UBS-Immobilienexperte Matthias Holzhey. Er nennt neben den Finanzierungskosten die stabilisierten Baupreise und die gesunkenen Risikoprämien als Gründe dafür, dass die Zahl der neu projektierten Wohnungen seit dem Tiefststand im August 2022 um 14 Prozent gestiegen ist. «Der jüngste Zinsrückgang dürfte die Attraktivität von Mehrfamilienhäusern als Anlageklasse weiter erhöhen», sagt er. Dass die lockeren Zinsen zu einem regelrechten Bauboom führen, glaubt Holzhey allerdings nicht. Auch das wird dazu beitragen, dass der Preisdruck so schnell nicht nachlassen wird.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?