Die Woche der Wahrheit bei SNB, EZB und Co.
Gehts in Richtung Negativzinsen?

Die Notenbanken aus der Schweiz, Australien, Kanada, Brasilien und der Eurozone legen in dieser Woche ihre künftige Geldpolitik fest. Eine Übersicht.
Publiziert: 10.12.2024 um 15:31 Uhr
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Martin Schlegel dürfte am Donnerstag erstmals die Zinsen als neuer SNB-Präsident senken.
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

  • Wegweisende Wochen für Geldpolitiker vor Trumps Amtsantritt. Unsynchronisierte Phase der Geldpolitik
  • EZB und SNB erwägen Zinssenkungen, USA tendiert zu weniger Leitzinssenkungen
  • Markt preist 50 Prozent Wahrscheinlichkeit für SNB-Zinssenkung um 50 Basispunkte ein
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Thomas Marti
Cash

Es sind wegweisende Wochen für die Geldpolitiker, bevor Donald Trump am 20. Januar 2025 zum neuen US-Präsident vereidigt wird. Der bevorstehende Regierungswechsel in den USA trägt zu einer besonders unsynchronisierten Phase der Geldpolitik bei, da verschiedene Volkswirtschaften mit unterschiedlichen Wachstums- und Inflationsrisiken zu kämpfen haben.

Während die Tendenz in den USA auf weniger Leitzinssenkungen und eine robuste Konjunktur in 2025 hindeuten, zeichnen sich bei den Zentralbanken in Europa und Kanada weitere Reduktionen ab.

EZB wohl mit einem «kleinen» Zinsschritt

Besonderes Augenmerk richten die Ökonomen auf die Europäische Zentralbank (EZB). Die Konjunktur in der Eurozone ist schwach und hohe US-Zölle könnten dem alten Kontinent im nächsten Jahr eine Rezession bescheren. Der Ukraine-Krieg sowie die politisch unsichere Lage in Frankreich und Deutschland tragen zu anhaltenden Spekulationen bei, wonach die EZB an ihrer Sitzung am kommenden Donnerstag, den 12. Dezember, eine «grosse» Zinssenkung um 50 Basispunkte vornehmen könnte.

Artikel von «Cash.ch»

Dieser Artikel wurde erstmals auf «Cash.ch» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.cash.ch.

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Für die EZB-Vertreter verlagere sich der Fokus rasch von der Überwachung der anhaltenden Inflationsrisiken auf die Sorge über die potenziellen Folgen der Trump-Zölle, schreibt die ING Bank in einem Kommentar. Deren Experten erwarten trotz hoher Unsicherheiten von EZB-Präsidentin Christine Lagarde nur eine «kleine» Zinssenkung um einen Viertelprozentpunkt auf drei Prozent. Möglicherweise werde an der Pressekonferenz zum Zinsentscheid aber die Tür zu einem subneutralen Leitzins – das heisst weniger als zwei Prozent – im nächsten Jahr geöffnet.

Die EZB wird ihren Entscheid am Donnerstag um 14.15 Uhr bekanntgeben – das ist rund vier Stunden nach dem Zinsentscheid der Schweizerischen Nationalbank (SNB) um 09.30 Uhr. 

Grosser Zinsschritt der Nationalbank nicht ausgeschlossen

Die SNB dürfte den Leitzins voraussichtlich ebenfalls um 25 Basispunkte senken. Allerdings preist der Markt mit einer 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit eine höhere Zinssenkung um 50 Basispunkte ein.

Die Meinungen der Ökonomen gehen auseinander, ob ein «kleiner» oder «grosser» Zinsschritt durch die SNB angebracht ist. Die ING Bank hält eine Senkung um 25 Basispunkte für weitaus wahrscheinlicher, da der Schweizer Leitzins bereits bei einem Prozent liegt und die SNB somit weitaus weniger Spielraum für eine konventionelle Lockerung der Geldpolitik hat. «Tatsächlich spricht einiges dafür, dass die SNB die Zinsen in diesem Zyklus nicht unter 0,50 Prozent senkt – obwohl die Marktpreise mit der Idee negativer Zinsen im nächsten Jahr spielen», meint der ING-Stratege Chris Turner.

SNB-Zinsentscheid: Was die Experten vorhersagen

Thomas Stucki von der St. Galler Kantonalbank glaubt ebenfalls an einen «kleinen» Zinsschritt, auch wenn er einen «grossen» nicht kategorisch ausschliessen will. Nachdem die SNB im ersten Halbjahr bereits grosszügig mit ihrem kleinen Zinspolster umgegangen ist, kann man nicht ausschliessen, dass sie erneut ein Zeichen für die Schwächung des Frankens setzen will. «Damit würde sie jedoch nur die Markterwartungen an die Zinsen tief in den negativen Bereich sinken lassen, ohne dass die Wirkung auf den Franken nachhaltig wäre.»

Neben Karsten Junius, Chefökonom der Bank J. Safra Sarasin, sieht Geoff Yu, Marktstratege beim US-Finanzdienstleister BNY, ebenfalls grösseren Handlungsbedarf. «Eine Senkung um 25 Basispunkte durch die SNB wird erwartet. Wir glauben aber, dass eine Senkung um 50 Basispunkte fest auf dem Tisch liegt – und sogar notwendig ist.»

Das Treffen wird das erste unter dem neuen SNB-Präsidenten Martin Schlegel sein. Er hat jüngst klargemacht, wonach negative Zinssätze weiterhin zum Instrumentarium der SNB gehören werden. «Für jede Form der Aktivierung ist das Erreichen der nominalen Nullzinsgrenze eine Voraussetzung, und ähnlich wie bei der schwedischen Riksbank erwarten wir, dass die SNB die Zinslockerungen vorzieht – insbesondere da die Inflation weiterhin enttäuschend ist», schreibt der BNY-Experte.

Nicht überall stehen die Zeichen auf Lockerung

Die australischen Notenbanker werden die Zinsen am Dienstag wahrscheinlich erneut unverändert belassen, schreibt die Nachrichtenagentur Bloomberg nach Befragung von Ökonomen. Die Inflationssorgen sind in Australien noch nicht vom Tisch.

Am Mittwoch könnte die Bank of Canada (BoC) eine weitere Senkung um bis zu einem halben Prozentpunkt vornehmen. Die konjunkturelle Lage in Kanada ist ähnlich schwach wie in der Eurozone. 

In Brasilien dürfte die Banco Central do Brazil am Mittwoch eine Zinserhöhung bekanntgeben. Damit könnte der steigende Inflationsdruck eingedämmt werden. Die brasilianische Währung Real ist in der vergangenen Woche durch Trumps Drohung, Zölle gegen den BRICS-Block zu erheben, erneut in Mitleidenschaft gezogen worden. Seit Jahresbeginn hat der Real zum Dollar mehr als 20 Prozent an Wert verloren. 

Fed folgt eine Woche später mit Zinsentscheid

Erst eine Woche später – am Mittwoch, den 18. Dezember – treffen sich die Vertreter der amerikanischen Notenbank Fed zum Federal Open Market Committee (FOMC) und entscheiden über die Höhe des US-Leitzinses. Eine Senkung um 25 Basispunkte ist an den Märkten fest eingepreist. Danach dürfte der US-Leitzins gemäss Marktkommentatoren aber unverändert bleiben.

Erst wenn im Laufe des ersten oder zweiten Quartals 2025 klarer wird, wie sich die neuen Zölle von Donald Trump auf das globale und amerikanische Wirtschaftswachstum sowie die Inflation auswirken, dürfte es zu einer Neubeurteilung durch die Fed kommen.

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