Zürcher Unterland testet Robotertaxis
Hier fährt die Zukunft

Ab Herbst 2025 sollen vier selbstfahrende Elektroautos im Zürcher Furttal verkehren. Das Pilotprojekt zielt darauf ab, die ÖV-Anbindung in der ländlichen Region zu verbessern.
Publiziert: 08:25 Uhr
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Aktualisiert: vor 26 Minuten
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Im Furttal sollen bald autonom fahrende Elektroautos von Nissan durch die Strassen fahren.
Foto: zVg

Auf einen Blick

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Sara BelgeriRedaktorin

Mittwochabend, Stimmengewirr im Kirchgemeindesaal Otelfingen im Zürcher Unterland. Der Raum ist voll. So voll, dass einige keinen Stuhl mehr ergattern konnten. Auch Gemeindepräsidentin und GLP-Nationalrätin Barbara Schaffner (56) ist sich einen solchen Andrang nicht gewohnt, wie sie gleich nach der Begrüssung sagt.

«Grüezi Furttal – gemeinsam gestalten wir die Mobilität der Zukunft», lautet die Botschaft, die auf der Leinwand präsentiert wird. Hier, im ländlichen Furttal, eingenistet zwischen Lägern und Altberg, und auf halber Strecke zwischen Baden AG und Zürich, soll ein Vorreiterprojekt durchgeführt werden. Die Menschen sind an diesem Abend hier, um mehr darüber zu erfahren.

Bessere Anbindung ans ÖV-Netz

Voraussichtlich ab Herbst 2025 sollen vier selbstfahrende Elektroautos zwischen den Dörfern Otelfingen, Boppelsen, Dänikon und Hüttikon die Bevölkerung transportieren. Das Furttal ist eine Region mit einer schwachen ÖV-Anbindung. Deshalb sollen die Anwohnerinnen und Anwohner die Fahrzeuge via App an verschiedene Haltestellen bestellen können und so besseren Anschluss ans ÖV-Netz erhalten. Die Robotaxis sind ganz ohne Sicherheitspersonal unterwegs – eine Premiere in Europa. In einem zweiten Schritt sollen selbstfahrende Busse dazukommen.

Der Kanton Zürich hat das Pilotprojekt zum automatisierten Fahren im öffentlichen Verkehr Ende November angekündigt. Auch die SBB und die Organisation Swiss Transit Lab (STL) sind Projektpartner. «Bisher fanden Pilotprojekte vorwiegend in Städten statt. Wir sehen jedoch gerade im ländlichen Raum und in der Agglomeration grosses Potenzial», sagt STL-Präsident Matthias Rödter. Vor allem dort könne automatisiertes Fahren den Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln gut ergänzen.

Nicht der erste Versuch

Es ist nicht das erste Mal, dass automatisiertes Fahren in der Schweiz getestet wird: Die Post versuchte sich vor acht Jahren erstmals an autonomen Lieferrobotern. Auch selbstfahrende Postautos waren in der Vergangenheit schon im Einsatz. In Bern transportiert zurzeit ein Lieferwagen ohne Chauffeur Cargo durch die Stadt – mit einer Geschwindigkeit von bis zu 60 Kilometern pro Stunde. Und am Flughafen Zürich verkehrt ein autonomer Shuttlebus für die Mitarbeitenden. 

Auch das Swiss Transit Lab betrieb zwei selbstfahrende Busse in Schaffhausen. Dort sei die Technologie allerdings an ihre Grenzen gekommen, sagt Rödter. Der Bus sei zu zögerlich in den Kreisel eingebogen, oder die Sensoren seien durch hohes Gras am Strassenrand durcheinandergekommen. Seither ist viel passiert. «Die Technologie hat in den letzten Jahren grosse Fortschritte gemacht», sagt Rödter. 

Kein Sicherheitsfahrer an Bord

Im Furttal geht man mit dem Verzicht auf Begleitpersonal jetzt einen Schritt weiter als bei den bisherigen Versuchen. Die Fahrzeuge werden jedoch aus der Ferne überwacht. Das ist aufgrund einer Pilotbewilligung des Astra möglich. Aufgrund einer Gesetzesänderung ab März 2025 wird dies zukünftig auch regulär möglich sein.

Aber wie fährt so ein Fahrzeug? Matthias Rödter vergleicht den Fahrstil mit dem eines «routinierten Chauffeurs, der defensiv und weitsichtig fährt». Abrupte Verkehrsmanöver habe er nie erlebt. Und sich sehr schnell an das Fahrzeug gewöhnt: «Ich habe erstaunlich schnell vergessen, dass das Auto von selbst fährt.»

Geht es nach Rödter, werden automatisierte Fahrzeuge in der Mobilität der Zukunft eine grosse Rolle spielen. «Sie eröffnen neue Möglichkeiten, um den öffentlichen Verkehr besser an die individuellen Bedürfnisse der Menschen anzupassen.» So solle der öffentliche Verkehr insgesamt attraktiver werden. «Das Pilotprojekt zum automatisierten Fahren soll dabei helfen, herauszufinden, welche Angebote tatsächlich sinnvoll sind, um so die Attraktivität, Auslastung und Effizienz zu verbessern», so Rödter.

USA und China weiter

In Zukunft könnten wir dank automatisierter Fahrzeuge ganz auf private Autos verzichten, meint Mobilitätsforscher Thomas Sauter-Servaes von der ZHAW. «Warum soll ich mir noch ein eigenes kostenintensives Privatauto leisten, wenn Busse und Bahnen in Kombination mit geteilten automatisierten Fahrzeugen jederzeit alle meine Mobilitätsbedürfnisse bequem abdecken?»

Bis es so weit ist, dürfte es allerdings eine Weile dauern. «Die fortgeschrittensten Anwendungen automatisierten Fahrens finden sich aktuell nicht in Europa, sondern in den USA und China», sagt der Mobilitätsforscher. Dort würden bereits zahlreiche Robotertaxis durch die Strassen fahren. «Im Vergleich dazu sind wir in der Schweiz noch ganz am Anfang einer kommerziellen Umsetzung der neuen Technologie.»

Wie schaut die Mobilität der Zukunft aus? Im Furttal werden Antworten auf diese Frage gesucht. Als Gemeindepräsidentin Schaffner am Infoanlass zum Schluss fragt, wer morgen in ein selbstfahrendes Auto einsteigen würde, schiessen fast alle Hände in die Höhe.

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