Erwin Steiner (85) aus Embrach ZH ist frustriert. Er ist sich sicher: Sollte er das Coronavirus auflesen, wird er das nicht überleben. «Das wäre mein Todesurteil», sagt der Rentner zu BLICK. Vor fünf Jahren hatte er einen Herzinfarkt, ist seither auf Medikamente angewiesen – und damit ein Hochrisikopatient. Als die Impfung angekündigt wurde, hat Steiner darum alle Hebel in Bewegung gesetzt, um eine der Spritzen zu bekommen. Bisher ohne Erfolg. Die Verzweiflung wächst.
Der ehemalige Geschäftsführer eines Steinbruchs erkundigte sich bei sämtlichen Behörden-Hotlines, probierte es beim Hausarzt, im Spital und direkt beim Zürcher Impfzentrum. Das Fazit: «Man kann mir nicht einmal sagen, wann es mit einer Impfung realistischerweise klappen könnte», sagt der 85-Jährige. «Ich versuchte mich sogar ins Impfzentrum einzuschleichen», gesteht er schmunzelnd. «Dort war aber ein Sicherheitsmann. Ich habe ihm gesagt, dass ich ohne Impfung nicht gehe – das hat ihn aber nicht interessiert.» Die Hausärztin habe ihm gesagt, sie habe schlicht keine Impfdosen zur Verfügung – und wisse auch nicht mehr, als in der Zeitung steht.
«Die Impfung würde mir endlich meine Freiheit zurückgeben»
Der Rentner recherchiert deshalb auf eigene Faust. Auf dem Tisch liegt ein Dossier, da steht mit grosser Schrift: «Am 11. Januar wird in einem Pflegezentrum ein Testlauf für Impfungen durchgeführt.» Von Hand notierte der 85-Jährige daneben: «Welches?» Er will keine Chance verpassen, sein altes Leben so früh wie möglich zurückzubekommen.
Die Kontroversen um den Wert des Lebens betagter Menschen hat Steiner mitgekriegt. Dass etwa kürzlich ein Lokalpolitiker schrieb, es gebe «zu viele Hochbetagte», dass Corona dies nun bereinige (BLICK berichtete). «Ich habe aber Freude am Leben», sagt der 85-Jährige dazu. Er hat Familie, mit der er im Sommer Ausflüge auf dem eigenen Boot unternimmt. «Die Impfung würde mir endlich meine Freiheit zurückgeben», sagt er.
«Endlich wieder in die Ferien!»
Seit Ausbruch der Pandemie hat er die Wohnung praktisch nicht mehr verlassen. Wenn er nicht gerade versucht, an eine Impfung zu kommen, liegt höchstens ein Spaziergang drin. Für das Interview mit BLICK herrschten strenge Sicherheitsregeln.
Die nächste Chance für den Pensionär auf die Freiheit aus der Spritze dürfte ab dem 18. Januar kommen. Dann sollen sich im Kanton Zürich Risikopatienten online wieder für die Impfung anmelden können.
Falls es dann endlich klappt – was würde der Steiner nach der Impfung als Erstes unternehmen? Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen: «Endlich wieder in die Ferien!»