Eine unfassbare Tragödie ereignete sich am Mittwochmorgen auf dem stark befahrenen Escher-Wyss-Platz in Zürich: Ein Kindergärtler starb ganz in der Nähe von seinem Daheim auf dem Schulweg, er wurde von Passanten unweit eines Fussgängerstreifen aufgefunden. Wie der Unfall genau passiert ist, ist rätselhaft.
Fakt ist aber: Die Eltern des Fünfjährigen kannten die Gefahren des Schulweges schon seit mehreren Jahren. 2018 schrieben sie zum ersten Mal der Stadt eine Mail. Darin beschwerten sich über die aus ihrer Sicht unsichere Verkehrssituation. Bloss: Viel bewirken konnten sie damit jedoch nicht.
Zumutbarkeit muss im Einzelfall beurteilt werden
Anwalt Sandor Horvath (53) hat sich mit seinem Einsatz für sichere Schulwege einen Namen gemacht. Der Luzerner hat in mehreren Verfahren erreicht, dass Gemeinden die Sicherheit von Schulwegen verbessern mussten – teilweise kämpfte er bis vor Bundesgericht. Zum Fall in Zürich erklärt der Experte zuerst einmal grundlegend: «Die Zumutbarkeit eines Schulwegs wird immer anhand des konkreten Einzelfalles beurteilt.» Beachtet werde dabei etwa das Verkehrsaufkommen, die Breite des Trottoirs, die konkrete Querungssituation und die signalisierte Höchstgeschwindigkeit.
«Wenn es um die Sicherheit von 4- bis 5-jährigen Kindergartenkinder geht, sind die Ängste der Eltern meist nachvollziehbar», führt Horvath weiter aus. Massgebend sei aber die objektive Beurteilung der Schulwegsicherheit. Gerade in der Stadt oder in der Agglomeration seien Schulwege oftmals sehr herausfordernd: «Die sichere Querung einer Strasse setzt voraus, dass Geschwindigkeit und Distanz von herannahenden Fahrzeugen korrekt eingeschätzt werden. Das kann ein fünfjähriges Kind meist nicht.»
Rechtliche Konsequenzen für Behördenmitglieder?
Sicherheitsmassnahmen, die man treffen könnte, gebe es viele: Etwa einen Lotsendienst oder einen Pedibus, also quasi einen Schulbus zu Fuss. Die konkrete Situation am Escher-Wyss-Platz kennt der Rechtsanwalt nicht, daher kann und will er sich nicht zu möglichen Sicherheitsmassnahmen an der Unfallstelle äussern. Er sagt jedoch: «Es ist stossend und erschreckend, dass oft ein schwerer Unfall passieren muss, bevor die Behörden Massnahmen ergreifen.»
Ob und für wen der Tod des Kindergärtlers nun Konsequenzen haben wird, kann Sandor Horvath nicht abschliessend beurteilen: «Sollte sich aus der Volksschulgesetzgebung des Kantons Zürichs eine Garantenstellung im Sinne von Art. 11 Strafgesetzbuch ergeben, müsste die zuständige Staatsanwaltschaft eine Strafbarkeit der betroffenen Behördenmitglieder prüfen, sofern diese um die Gefährlichkeit des Schulwegs gewusst haben und es pflichtwidrig unterlassen haben, die notwendigen Massnahmen zu ergreifen.»
Ob ein entsprechendes Verfahren läuft, ist derzeit nicht bekannt: Die Zürcher Staatsanwaltschaft war für Blick bis Redaktionsschluss nicht mehr zu erreichen.