Am Mittwochmorgen stirbt der Kindergärtler wenige Meter von seinem Zuhause entfernt auf dem stark befahrenen Escher-Wyss-Platz in Zürich. Er wird von Passanten leblos auf der Strasse gefunden. Der Fünfjährige liegt zwölf Meter entfernt von einem Fussgängerstreifen, und etwas mehr als einen Meter vom zweiten weg. Was passiert ist, bleibt auch am Tag nach dem furchtbaren Unfall ein Rätsel.
Der Knabe war gut für den Umgang mit dem Verkehr geschult und hat mehr als ein Jahr Erfahrung, sich selbständig in der Stadt zu bewegen. Dennoch haben sich die Eltern bereits mehrmals bei der Stadt für einen sicheren Schulweg eingesetzt.
2018 schrieben die Eltern zum ersten Mal ein E-Mail an die Stadt. Sie beschwerten sich über die unsichere Situation beim Fussgängerstreifen, wo ihr jüngerer Sohn nun tödlich verunglückt ist.
Kritik an der Ampelschaltung
Die grünliberale Politikerin Sandra Bienek (43) erinnert sich, sie war damals im Vorstand des Quartiervereins. «Sie meldeten sich bei der Stadt, als der ältere Bruder in den Kindergarten eingeschult worden war. Sie machten sich Sorgen.»
Die Familie kritisierte die Ampelschaltung am Fussgängerstreifen. Schon damals stand die Ampel in Stosszeiten auf Grün, obwohl durch den Rückstau Lastwagen oder Reisecars die Strasse blockierten. Das führte dazu, dass ungeduldige Autofahrer drängelten und überholten.
Gleichzeitig hätten Lenker versucht, die Spur zu wechseln oder von den querenden Schienen wegzukommen, weil ein Tram kam. Für Kinder sei das extrem gefährlich. Gerade auch SUV-Fahrer mit ihrer höheren Sitzposition könnten die Kinder nicht sehen, wenn sie sich zwischen den Stossstangen durchschlängeln.
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Als zusätzliche Gefahr sahen die Eltern, dass der Fussgängerstreifen zweigeteilt ist, und die beiden Abschnitte nicht gleichzeitig auf Grün oder Rot schalten. Dadurch müssen die Kinder auf einer kleinen Insel einen Zwischenstopp einlegen, während hinter und vor ihnen Autos durchbrausen.
Begehung mit Quartierverein
Der Quartierverein organisierte nach dem Schreiben 2019 eine Begehung. «Wir sahen die Schwierigkeiten und unterstützten die Familie. Aber leider konnten wir nicht viel mehr machen, als sie an die zuständigen Stellen der Stadt verweisen. Wie wir heute sehen, hat sich aber nichts verändert», so Bienek.
Die Gemeinde- und Kantonsrätin kennt die Familie. Eines ihrer Kinder ging mit dem verunfallten Bub in den Kindergarten. Sie sagt: «Die Eltern haben das Kind sehr gut auf den Schulweg vorbereitet. Der Bub war bereits im zweiten Chindsgi. An der Wohnadresse haben sich bei der Einschulung vor eineinhalb Jahren die Eltern zusammengeschlossen. An jedem Tag begleitete jemand die Kinder zum Kindergarten. Sie sind alle gut für die Strasse trainiert.»
Auch der SVP-Gemeinderat Stefan Urech (35) ist schon lange mit den Eltern des verunglückten Buben in Kontakt. Der Sek-Lehrer setzt sich ebenfalls für einen sicheren Escher-Wyss-Platz ein. Er sagt: «Die Familie meldete sich noch einmal vor etwa einem Jahr beim Gemeinderat, ich beschäftigte mich darum mit dem Fall. Ich erinnerte mich an meine Kindheit, hier gab es damals eine Unterführung. Ich wollte wissen, warum die geschlossen wurde.»
Drei Fahrzeuge im Fokus der Polizei
Die Erkundigung war ernüchternd. Die Unterführung wurde aufgeschüttet, damit der Boden die schweren Trams tragen kann. Eine Wiedereröffnung stand nicht zur Debatte. Das will der Politiker ändern. Er sagt: «Die Fraktion ist bereits einverstanden, wir machen einen Vorstoss. Als Fussgänger ist man hier der Verlierer. Man soll künftig wieder ohne Spiessrutenlauf über den Escher-Wyss-Platz gehen können.»
Die Ermittlungen der Polizei haben erste Resultate gebracht. Ein medizinischer Notfall sei ausgeschlossen. Genauso wie die Beteiligung eines Trams. Ein Lastwagen und zwei Autos seien auf eine mögliche Verwicklung in den Unfall vertieft geprüft worden, so die Stadtpolizei Zürich. Die entsprechenden Fahrer seien befragt worden. Mehr sagt die Polizei nicht.