Der berühmteste Häftling der Schweiz soll am Freitag ein freier Mann sein: Brian Keller (28) wird nicht der versuchten schweren Körperverletzung schuldig gesprochen – sondern unter anderem nur der einfachen. So entschied das Bezirksgericht Dielsdorf am Mittwoch. Demnach dürfte er übermorgen aus dem Knast marschieren.
Dass die Staatsanwaltschaft im Zweifel einen Beschuldigten mit dem schwereren Delikt anklagt, sei normal, sagt der Aargauer Strafrechts-Fachanwalt André Kuhn (49) zu Blick. «Das hat sie in diesem Fall gemacht. Heisst: schwere Körperverletzung statt einfache.» Es obliege dann aber dem Gericht, zu beurteilen, welche Delikte tatsächlich erfüllt sind. Kuhn: «Den Wurf mit dem Gegenstand sah das Gericht als einfache Körperverletzung an. Damit fällt die Strafe viel tiefer aus, als die Staatsanwaltschaft beantragt hatte.»
Überdies richteten sich die Delikte, die Brian vorgeworfen wurden, gegen das Gefängnispersonal, hält Kuhn fest: «Daher können die Gutachter nicht mit Sicherheit sagen, dass für Brian auch ausserhalb des Gefängnisses eine erhebliche Rückfallgefahr für schwere Gewaltdelikte bestehe.»
Genugtuung in separatem Verfahren
Und der Anwalt erklärt, dass das Gericht bei der Bemessung der Strafe verschiedene Faktoren bemesse: «Im vorliegenden Fall berücksichtige es wahrscheinlich auch die von der Verteidigung geltend gemachte unmenschliche Behandlung im Gefängnis.» Und: «Das Gericht erachtet eine sofortige Freilassung als verhältnismässig.»
Ob Brian Keller deswegen eine Genugtuung und Schadenersatz kriegt, wird in einem separaten Verfahren entschieden. Der Strafrechts-Experte dazu: «Dass die Haft angeordnet wurde, erachtete das Bezirksgericht Dielsdorf als korrekt, ebenso die bisherige Haftdauer. Nur die Art der Haft war nicht korrekt.»
Aufgrund der Äusserungen des Staatsanwalts nach dem Urteil ist nicht davon auszugehen, dass er die Haftentlassung anfechten wird. «Überlegt es sich der Staatsanwalt aber anders, wird er die Frist bis zur bevorstehenden Freilassung von Brian am Freitag kaum verstreichen lassen», meint Kuhn. «In diesem Fall müsste das Zürcher Obergericht innert wenigen Tagen über die sofortige Haftentlassung entscheiden.»