Kein Häftling ist so hart behandelt worden, keiner hat sich so gewehrt: Brian Keller (28) kommt frei – nach rund sieben Jahren Haft. Mit diesem Beschluss schreibt das Bezirksgericht Dielsdorf wohl am Mittwoch ein Stück weit Schweizer Justiz-Geschichte: Es gibt einem jungen Mann, der in den Mühlen der Justiz gefangen schien, eine Chance auf eine Zukunft – trotz einiger Bedenken.
Nach langen Jahren gehe ein neues Kapitel auf, sagte der Richter bei der Urteilseröffnung. «Wir beenden Brian Kellers Haftsituation.» In der Gesamtbetrachtung sei die Fortsetzung der Sicherheitshaft nicht mehr verhältnismässig. Er schloss mit: «Wir laden alle ein, die sich für Brian interessieren, sich um ihn zu kümmern und zu begleiten.»
Kein Freispruch
Obwohl der Entscheid auf den ersten Blick wie ein Freispruch wirkt: Das ist er nicht. Der Richter stellte klar: «Sein Verhalten gegenüber den Gefängnismitarbeitenden war nicht korrekt. Das wird sanktioniert.» Allerdings müsse die Strafe viel tiefer sein als vom Staatsanwalt gefordert.
Brian Keller musste sich seit dem 30. Oktober für über 30 Vorwürfe verantworten, die er allesamt während einer dreieinhalbjährigen Isolationshaft begangen haben soll. Diese wurde zuvor heftig kritisiert und gar als menschenrechtswidrig eingestuft. Die Staatsanwaltschaft forderte eine Freiheitsstrafe von 9 Jahren und 7 Monaten. Kellers Anwälte hingegen wollten einen Freispruch.
Hohe Rückfallgefahr
Der Richter verurteilte Keller zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen. Seine Haftstrafe hat er bereits verbüsst. Die Verurteilung erfolgte wegen mehrfacher einfacher Körperverletzung, mehrfacher Sachbeschädigungen, mehrfacher Drohungen und mehrfacher Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte. Gleichzeitig stufte er die schwerste Tat – die versuchte schwere Körperverletzung – nicht als solche ein. Dadurch wurde der Strafrahmen deutlich gesenkt.
Weiter wurde Keller mit Auflagen belegt: Rayonverbot für die JVA Pöschwies und Kontaktverbote gegenüber den Privatklägern und weiteren Gefängnisaufsehern.
Zwar wurde bei Keller grundsätzlich eine hohe Rückfallgefahr diagnostiziert. Doch: «Die Prognose, ob ausserhalb der Mauern schwere Gewaltdelikte gegen Personen erwartet werden müssen, ist nicht klar und nicht belastbar», so das Gericht.
Weiter hielt der Richter fest, dass sich Keller gemäss einem Führungsbericht des Zürcher Gefängnisses vom Oktober 2023 mehrheitlich positiv verhält – und das seit zwei Jahren.
Mit Provokationen rechnen
Auch der Staatsanwalt ging nach der Urteilsverkündung gegenüber den Medien auf diese Rückfallgefahr ein. «Grundsätzlich bin ich sehr zufrieden mit dem Urteil. Was die Haftentlassung betrifft, wurde gut begründet.» Keller müsse in der Freiheit mit Provokationen durch Mitmenschen rechnen, so der Staatsanwalt. Er sorge sich, dass Keller rückfällig werden könnte: «Es ist eine hohe Rückfallgefahr da. Darum hätten wir das Konzept mit ihm gerne persönlich besprochen.»
Er bedauerte, dass Keller bei der Urteilsverkündung nicht anwesend war. Versöhnlich sagte der Staatsanwalt: «Ich wünsche ihm, dass ihm der Weg gelingt und er ohne Delikte leben kann.» Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig: Die Staatsanwaltschaft werde vielleicht Berufung gegen das Urteil anmelden, um nach der schriftlichen Urteilsverkündung zu überlegen, was sie machen wolle. Gegen den Beschluss zur Entlassung aus der Sicherheitshaft werde die Staatsanwaltschaft wohl nicht vorgehen.
Glückliche Familie
Die Anwälte von Brian Keller zeigten sich ebenfalls erfreut: «Unser Mandant ist gehört worden, weil seine Rechte verletzt wurden», sagte Anwalt Philip Stolkin. Das Gericht habe Keller «heute das erste Mal nach langer Zeit die Chance auf Freiheit gegeben.» Er sei «selbstverständlich glücklich», dass sein Mandant frei kommt. «Und, dass wir das erste Mal in der Schweiz eine menschenrechtswidrige Haft festgestellt haben, welche es war.»
Keller werde «erst einmal zu seiner Familie» gehen, um die siebenjährige Haft «zu verkraften». Bereits im Gerichtssaal konnte die Familie ihr Glück nicht fassen. Die Emotionen aus dem Gerichtssaal waren bis in den Übertragungsraum spürbar.
In den kommenden Tagen muss nun ein «Empfangsraum» für den 28-Jährigen eingerichtet werden – mit Wohnung, einer Tagesstruktur und einem Sozialpädagogen. Dieser soll Brian Keller auf allen Ebenen unterstützen. Somit kriegt der bekannteste Häftling der Schweiz die Chance, doch noch seinen Traum zu verwirklichen und Profiboxer zu werden. Was aus dieser Chance wird, liegt jetzt bei ihm.
Brian geht wohl erstmal zu seiner Familie
Ein Journalist fragt den Anwalt, ob Brian nun ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft werden könne. Der Anwalt antwortet: «Das ist jeder.» Weiter erklärt er, dass Brian jetzt «erst einmal zu seiner Familie» gehen wird, um die siebenjährige Haft «zu verkraften».
Menschenrechtswidrige Haft
Brians Anwalt ist «selbstverständlich glücklich», dass sein Mandant frei kommt. «Und, dass wir das erste Mal in der Schweiz eine menschenrechtswidrige Haft festgestellt haben, welche es war», sagt der Anwalt. Weitergehend beteuert er: «Die Staatsanwaltschaft ist mit ihren völlig überrissenen Antrag nicht durchgekommen.»
Erste Chance auf Freiheit
Das Gericht hat Brian laut seines Anwalts «heute das erste Mal nach langer Zeit die Chance auf Freiheit gegeben.»
«Unser Mandant wurde gehört»
«Unser Mandant ist gehört worden, weil seine Rechte verletzt wurden», sagt Brians Anwalt in einer Pressekonferenz.
Staatsawalt wünscht Brian alles Beste
«Ich wünsche ihm, dass ihm der Weg gelingt und er ohne Delikte leben kann», sagt der Staatsanwalt, welcher über neun Jahre Haft forderte.
Hohe Rückfallgefahr
Brian erwarte in der Freiheit Provokation, sagt der Staatsanwalt. Ebenso sorgt er sich, dass Brian rückfällig werden könnte: «Es ist eine hohe Rückfallgefahr da. Darum hätten wir das Konzept mit ihm gerne persönlich besprochen.» Er bedauert, dass Brian bei der Urteilsverkündung nicht anwesend war.
Staatsanwaltschaft: «Sehr zufrieden mit dem Urteil»
Der Staatswanwalt sagt nach der Urteilsverkündigung in einer Pressekonferenz: «Grundsätzlich bin ich sehr zufrieden mit dem Urteil. Was die Haftentlassung betrifft, wurde gut begründet.»
Verhandlung beendet
Der Richter schliesst die Urteilsverkündung. Die Familie von Brian freut sich sichtlich über das Urteil.
Neues Kapitel
Der Richter hält fest: «Es geht ein neues Kapitel auf nach so langen Jahren. Das Gericht hat entschieden, dieser Situation ein Ende zu setzen.»
Weiter bittet der Richter: «Atmet tief ein.» Und: «Er wird nicht heute entlassen, sondern Freitagmittag.» Weiter lade er dazu ein, sich um Brian zu kümmern.
Wohnung und Arbeit
Weiter hält der Richter fest, dass Brian eine Wohnung braucht. Auch soll er sich finanziell stabilisieren können.