Es war sein grösster Wunsch. Einfach nur noch raus. Sieben Jahre lang war Brian Keller (28), bekannt geworden unter dem Pseudonym Carlos, ununterbrochen hinter Gittern. Eingesperrt!
Jetzt ist der bekannteste Häftling der Schweiz tatsächlich ein freier Mann. Der 28-Jährige wurde heute aus dem Gefängnis entlassen. In der Gesamtbetrachtung sei die Fortsetzung der Sicherheitshaft nicht mehr verhältnismässig, entschied das Zürcher Bezirksgericht Dielsdorf am Mittwoch.
«Ich glaube, ich esse Spaghetti mit Scampi»
«Jetzt fängt das Leben an», sagte Brian sichtlich erleichtert am Freitag. Auf seine Haftentlassung sei er nicht vorbereitet worden. Er werde als Erstes mit Anwälten und Familie essen gehen. «Ich glaube, ich esse Spaghetti mit Scampi.» Am Mittag postete Brian schliesslich ein Foto seiner heissersehnten Spaghetti mit Scampi auf Instagram. Und auch ein Bild mit Familie und Freunden wurde auf seinem Instagram hochgeladen.
Später präsentierte er sich dann auf Instagram mit einem neuen Erscheinungsbild. Er postete ein Selfie in einem Coiffeur-Salon. Was auffällt: Brians Bart ist weg. Ebenso liess der Ex-Häftling sich die Haare kurz rasieren. Zu dem Bild schreibt er: «Fresh».
«Es hat mich stärker gemacht»
In der Nacht vor seiner Entlassung habe Brian «wie ein Baby» geschlafen, erklärte er bei der Pressekonferenz. In den beiden Nächten zuvor habe er jedoch kaum geschlafen. «Nur zwei Stunden.»
Seine dunkelsten Tage seien jene in Einzelhaft gewesen. «Dort habe ich mir den eigenen Tod gewünscht.» Und weiter: «Das zeigt, wie hart es war.» Das Leben sei immer ein Kampf – und mit der Unterstützung seiner Familie habe er auch diese dunkle Zeit überstanden.
Was machen sieben Jahre Haft mit einem? «Es hat mich stärker gemacht», so Brian. Jetzt werde er seine Ziele verfolgen. «Mein Ziel war es immer, Boxchampion zu werden.» Und er werde sein Leben anfangen, auch wenn das mit 28 Jahren etwas spät sei. Jetzt müsse er erstmal ankommen. «Ich muss mich jetzt zurechtfinden.»
Ein Sozialpädagoge wird Brian hierzu begleiten und auf allen Ebenen unterstützen. Brian soll auch eine Wohnung erhalten und in den Arbeitsmarkt integriert werden.
«Einzelhaft ist Wahnsinn – das ist Folter»
Seinen Anwälten ist Brian sehr dankbar. «Ich habe super Anwälte.» Angst vor seinem neuen Leben hat Brian nicht. Er werde kämpfen, betont er erneut. Er habe über einen Gefängnismitarbeiter von seiner Entlassung erfahren und sei sehr nervös gewesen.
Was muss sich am Justizsystem ändern? «Es muss sich ändern, dass Leute nicht mehr in Einzelhaft sind. Psychiater dürfen nicht mehr so viel Macht haben.» Einzelhaft sei «Wahnsinn», so Brian weiter. «Das ist Folter.»
Als Brian vor die Medien trat, wirkte er sehr ruhig, besonnener und freundlicher, als etwa in manchen seiner Videos auf Social Media.
Bundesgericht wies alle Beschwerden ab
Brian Keller musste sich seit dem 30. Oktober für über 30 Vorwürfe verantworten, die er allesamt während einer dreieinhalbjährigen Isolationshaft begangen haben soll. Diese wurde zuvor heftig kritisiert und als menschenrechtswidrig eingestuft. Die Staatsanwaltschaft forderte eine Freiheitsstrafe von neun Jahren und sieben Monaten. Kellers Anwälte hingegen wollten einen Freispruch.
Das Bundesgericht wies bisher alle Beschwerden von Brian Keller und seiner Anwälte ab. Ursprünglich hätte er im vergangenen Winter auf freien Fuss kommen sollen. Doch drei Tage vor seiner Entlassung wurde Keller wegen der neuen Anklage innerhalb des Gefängnisses wieder offiziell verhaftet und in Sicherheitshaft gesetzt.