Der Fall von Brian Keller (28) alias Carlos wird am Montag wieder einmal vor Gericht behandelt. Ihm werden über 30 Taten vorgeworfen, die Keller allesamt innerhalb der Gefängnismauern begangen haben soll. Dass er sich im Gefängnis nicht an die Regeln hält, ist offensichtlich: Obwohl er im Untersuchungsgefängnis in Zürich sitzt, wo eigentlich ein strenges Haftregime gelten sollte, präsentiert er sich immer wieder in seiner Zelle auf Social Media. Und das, obwohl die Zürcher Justiz bereits Ende April angab, genau das unterbinden zu wollen!
Inzwischen folgen dem berühmtesten Häftling der Schweiz über 13'800 Follower auf Tiktok und über 5400 auf Instagram. Keller ist ein eigentlicher Knast-Influencer. Er hat sich eine treue Fan-Gemeinde aufgebaut: In den Kommentaren ist etwa zu lesen, dass er ein Opfer der Justiz sei. Auch Sätze wie «Free Brian» tauchen regelmässig auf.
In einem Video von Anfang August gibt er an, sein Handy von jemandem geliehen zu haben. Haben also auch andere Häftlinge aus dem grössten Untersuchungsgefängnis des Kantons Zürichs Zugang zu einem Handy? Und das, obwohl in U-Haft eigentlich die Kommunikation nach draussen unterbunden werden sollte?
Einwirken auf Beweismittel oder Zeugen
Klar ist: Im Gruppenvollzug – wo sich auch Brian Keller befindet – können sich Inhaftierte mehrere Stunden pro Woche ausserhalb ihrer Zelle aufhalten und sich in Bereichen wie auf dem Hof, in der Kantine oder im Fitnessraum begegnen. Schafft es ein Handy ins Gefängnis, besteht die Möglichkeit, dass sich die Inhaftierten dieses untereinander weiterreichen.
Wie gefährlich das ist, weiss Justizvollzugsexperte Benjamin Brägger. Für Untersuchungsgefängnisse sei vor allem die Kollusionsgefahr relevant – also zum Beispiel das Verschwindenlassen von Beweisen. Denn dort sitzen Häftlinge mit noch laufenden Verfahren: «Beschuldigte könnten aus dem Gefängnis heraus auf Personen sowie auf Beweismittel einwirken und somit die Wahrheitsfindung beeinträchtigen», so Brägger.
Täter können weiter aktiv sein
Auch könnten Gefangene weitere Delikte begehen, sagt der Experte. «Sie könnten beispielsweise bei Gewalt- oder Sexualstraftaten die Opfer weiter bedrohen oder stalken.» Und: Durch Aufnahmen könnten Informationen über die Sicherheitsvorkehrungen des Gefängnisses nach draussen gelangen, wodurch etwa Gefangenenbefreiungen erleichtert werden könnten.
Aus früheren Fällen ist bekannt, dass Straftaten mit dem Handy aus einem Gefängnis heraus geplant worden sind. So stand Anfang 2015 ein Mann vor dem Bezirksgericht Weinfelden, weil er über 160 Mal aus dem Kantonalgefängnis in Frauenfeld telefoniert hat. Während eines solchen Telefonats wollte er gar den Mord am Vater seiner Ex in Auftrag geben.
Störsender und Co.
Die Abteilung Justizvollzug und Wiedereingliederung (JuWe) schreibt: «Wir setzen alles daran, dass möglichst wenig unerlaubte Gegenstände in die Gefängnisse hineingelangen und wenn doch, dass sie schnell gefunden und sichergestellt werden können.» Trotz aller Sicherheitsmassnahmen könne es vorkommen, dass unerlaubte Gegenstände ins und aus dem Gefängnis geschmuggelt werden – so auch Handys.
Ausserdem lasse sich nicht verhindern, dass «Inhaftierte mit einem geschmuggelten Handy mehrere Aufnahmen machen und diese später von Dritten posten lassen.» Im Fall Keller wird speziell darauf verwiesen, dass nach eigenen Angaben das Künstlerkollektiv Big Dreams seinen Instagram-Account betreut. Ob Keller sanktioniert wurde, bleibt aufgrund des Persönlichkeitsschutzes unbeantwortet.
Um die Handy-Aktivität innerhalb des Gefängnisses zu verhindern, setzen Schweizer Gefängnisse auf Technologien wie etwa Handy-Störsender. So schlagen im Gefängnis Lenzburg Zellen-Sensoren Alarm, sobald ein Handy eingeschaltet wird. Auch im Gefängnis Thorberg wurde ein Handy-Ortungssystem installiert. Das JuWe gibt aus Sicherheitsgründen keine Details zu den Sicherheitsmassnahmen einzelner Institutionen bekannt.