Innert sieben Monaten hat bei der Stadtpolizei Bülach ein Drittel der Belegschaft gekündigt – wegen des Polizeichefs, wie es heisst. Mit seinem toxischen Führungsstil verbreite er ein «Klima der Angst». Anschreien und einschüchtern seien an der Tagesordnung, erklärten drei Polizisten Anfang April gegenüber SonntagsBlick.
Der Stadtrat stellte sich daraufhin hinter seinen Polizeichef, bezeichnete die Vorwürfe als falsch und die Kündigungswelle als «übliche Fluktuation».
Das Parlament aber wollte dann doch genauer hinschauen. Derzeit läuft eine Untersuchung der Geschäftsprüfungskommission (GPK), deren Aufgabe es ist, «den genauen Sachverhalt zu klären und die entsprechende Bewältigung durch die Verantwortlichen aufzuarbeiten».
Die Stadtpolizei Bülach allerdings hat den Sachverhalt offenbar bereits geklärt – darauf lässt zumindest ein internes Dokument schliessen, das SonntagsBlick zugespielt wurde. Das interne Papier mit dem offiziellen Logo der Stadt Bülach ist betitelt mit «Q&A Schalterdienst und Patrouillen, für den Fall, dass Fragen aus der Bevölkerung kommen» und kann als eine Art Sprachregelung für Korpsmitglieder gelesen werden.
«Ziel» dieses Vorgehens ist laut dem Dokument eine einheitliche Reaktion. Polizisten sind angewiesen, «auf keinen Fall emotional und mit Ich-Botschaften zu antworten»: «Es gilt die Sprache der Stadt.» Transparente Information habe in der unpersönlichen Form zu erfolgen, «dies signalisiert, dass keine Sensationsaussagen zu erwarten sind».
Kündigungswelle bei der Stadtpolizei
Gemäss dem Papier haben Polizisten auf die Frage «Was ist denn bei euch los?» zu antworten: «Ja, wir haben den Artikel gelesen. Zum Geschriebenen wird keine Aussage gemacht.» Angesichts der laufenden Untersuchung ist dieser Hinweis wenig überraschend.
Bei der nächsten Frage hingegen («Stimmt es, dass der Chef so ist, wie er beschrieben wurde?») sind die Polizisten verpflichtet, die Vorwürfe gegen den Chef als «haltlos» und «jeglicher Grundlage entbehrend» zu bezeichnen. Zum Bericht selbst darf keine Aussage gemacht, aber die Vorwürfe müssen negiert werden.
Interessant: Das ist derselbe Wortlaut, den auch der zuständige Stadtrat Daniel Ammann (FDP) und die Leitung der Stadtverwaltung als Replik auf den Bericht verwendeten. In einer Mitteilung einen Tag nach Erscheinen des Berichts im SonntagsBlick heisst es: «Die Vorwürfe sind haltlos und entbehren jeglicher Grundlage.»
Bereits Anfang Mai wurden Stadtrat Daniel Ammann und die Stadtverwaltung von der GPK angehört. Wie es danach weitergehe, hänge von den daraus gewonnenen Erkenntnissen ab, betonte GPK-Präsidentin Romaine Rogenmoser damals gegenüber SonntagsBlick. Weitere Anhörungen sind offenbar für Juni geplant.
Die Arbeit der GPK ist geheim. Die Resultate der Untersuchung sollen jedoch nach deren Abschluss dem Parlament vorgelegt werden. Wie die GPK gegenüber dem «Zürcher Unterländer» mitteilte, werde man nach der Untersuchung «selbstverständlich» einen Bericht verfassen und ihn auch öffentlich zugänglich machen.
Ein weiterer Vorwurf der drei Insider gegenüber der Polizeiführung war, dass wegen akuten Personalmangels spätestens seit Anfang Jahr Patrouillen gestrichen worden seien und vereinzelt Polizisten sogar allein auf Patrouille geschickt wurden – sicherheitstechnisch ein No-Go. Auch dazu schreibt das «Q&A» eine passende Reaktion vor. Die gewünschte Antwort auf die Frage «Müsst ihr wirklich allein auf Patrouille?»: «Wir werden situationsangepasst und unter Berücksichtigung unseres Eigenschutzes eingesetzt.» Spätestens nach dieser Frage soll gemäss Papier «auf die Anliegen der Leute, den Interventionsauftrag, die Speisekarte etc. eingegangen werden».
Das interne Papier dürfte wohl nicht zur Beruhigung der Lage beigetragen haben. Denn die Kündigungswelle bei der Stadtpolizei Bülach hält an. Per Ende April hat eine weitere Person das Korps verlassen.