Gaga-Strafbefehl gegen Ukrainerin
Kateryna M. musste sich bei der Polizei ausziehen – wegen einem Zmittag!

Sie ist vor dem Krieg geflüchtet und will in Zürich ein neues Leben anfangen, doch dann wird die Ukrainerin plötzlich verhaftet. Weil sie für ein Mittagessen bei einer Bekannten putzen wollte. Statt eines Zmittags erhielt sie nun einen 3000-Franken-Strafbefehl.
Publiziert: 18.07.2024 um 17:17 Uhr
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Aktualisiert: 19.07.2024 um 06:48 Uhr
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Kateryna M.* (42) ist vor dem Krieg aus der Ukraine geflüchtet und wohnt seit zwei Jahren in Zürich. Sie hat den Schutzstatus S, dürfte also arbeiten – wenn ihr theoretischer Arbeitgeber eine spezielle Arbeitsbewilligung beim Kanton anfordert. Das weiss M. allerdings erst seit Kurzem.
Foto: zVg
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Gina KrücklReporterin

Kann ein selbstgekochtes Mittagessen als Lohn gewertet werden? Nach Ansicht der Zürcher Polizei und Staatsanwaltschaft offenbar schon. Kateryna M.* (42) hat einen 3000-Franken-Strafbefehl erhalten, weil sie einer Bekannten beim Putzen helfen und danach mit ihr gemeinsam essen wollte. Im Gespräch mit Blick sagt sie: «Man hat mich zu Unrecht wie eine Kriminelle behandelt.»

Kateryna M. wuchs in der Ukraine auf und flüchtet wegen des Kriegs in die Schweiz. Seit zwei Jahren wohnt sie mit ihrem Mann in Zürich und lernt Deutsch, um einen Job zu finden. Dank ihres Schutzstatus S darf sie das. Dass dafür ihr theoretischer Arbeitgeber eine spezielle Arbeitsbewilligung beim Kanton anfordern muss, weiss M. erst seit dem Strafbefehl. «Niemand in meinem Umfeld hat vorher was von einer Zusatz-Bewilligung gewusst.»

Putzen für Mittagessen

Um sich in der Arbeitslosigkeit zu beschäftigen und noch häufiger Deutsch zu sprechen, will Kateryna M. im Oktober 2023 einer Bekannten beim Putzen aushelfen. Doch dazu kommt es nicht. Denn als sie zum ersten Mal bei besagter Bekannter ist, wird sie verhaftet. «Ich habe noch nicht einmal angefangen zu putzen, als die Polizei auftauchte», erzählt die Ukrainerin. Die Beamten hätten zunächst nach dem Mann der Bekannten, dann nach M. gefragt. «Ich habe ihnen offen erzählt, was ich hier mache, weil ich nicht wusste, dass das illegal ist.» 

Die Verhaftung sei für sie «ein Schock» gewesen, erzählt Kateryna M. «Ich habe nicht verstanden, was ich falsch gemacht haben soll. Ich verstehe es immer noch nicht.» Insbesondere, da es durch die Verhaftung nicht mal zum versprochenen «Lohn» – dem Mittagessen – kam. Dass die «Entlöhnung» nur aus einem Mittagessen bestand, wird sogar im Strafbefehl bestätigt!

Kriminellen-Behandlung und 3000-Franken-Strafbefehl

Zudem fühlt sich die Ukrainerin durch die polizeiliche Behandlung traumatisiert. «Ich musste mich ausziehen und sie nahmen mir alle meine Sachen weg.» Fünf Stunden habe man sie auf dem Polizeiposten in Thalwil festgehalten und befragt. «Sie drohten mit Gefängnis, sollte ich lügen.» Als mögliche Konsequenz der Schwarzarbeit habe man ihr Geldstrafe oder Ausschaffung genannt. «Ich hatte solche Angst.»

Mit dieser Angst musste Kateryna M. neun Monate leben. Bis sie vergangene Woche den Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis erhielt, die sie zu einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 30 Franken verurteilt. Zudem soll sie die Verfahrenskosten über 1200 Franken zahlen. «Wie soll ich das ohne Job bezahlen?»

«Wie kann das gegen das Gesetz sein?»

Kateryna M. hat noch immer Angst. Angst, das Leben zu verlieren, das sie sich hier so mühsam aufgebaut hat. Aber die Angst hat sich mittlerweile mit Wut vermischt. «Wie kann es gegen das Gesetz sein, dass ich jemandem Putzen helfe und dafür ein Mittagessen bekomme?» Und selbst wenn: «Rechtfertigt das, mich wie eine Kriminelle zu behandeln? Als hätte ich jemanden umgebracht?» Sie hat Einsprache gegen den Strafbefehl erhoben.

Auf Anfrage von Blick bestätigt die Medienstelle der Zürcher Oberstaatsanwaltschaft das Strafverfahren wegen Erwerbstätigkeit ohne Arbeitsbewilligung gegen Kateryna M. Weitere Angaben verweigert die Behörde wegen des laufenden Verfahrens. Da der Strafbefehl noch nicht rechtskräftig ist, gilt die Unschuldsvermutung. Die Kantonspolizei Zürich schreibt auf Anfrage nur, dass sie im Rahmen der Strafprozessordnung gehandelt habe.

* Name geändert


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