Der Flug LX7355 von Tel Aviv nach Zürich am Dienstagabend war nicht irgendein Linienflug. In ihm sassen über 200 Schweizerinnen und Schweizer, die der Hölle des Krieges in Israel entfliehen konnten. Der Airbus A321 der Fluggesellschaft Swiss, im Auftrag des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) setzte mit fast einer Stunde Verspätung in Kloten ZH am Boden auf.
Für Ursula Bernet (75) aus Wil SG holt ihren Bruder am Flughafen ab – Nächte ohne Schlaf, dafür voller Sorge und Kopfzerbrechen liegen hinter ihr. «Ich hatte solche Angst um ihn.»
Tränen und Champagner
Immer wieder rinnen der Ostschweizerin im Gespräch mit Blick in der Empfangshalle des Flughafens Tränen über die Wangen. In einer Papiertüte klimpern zwei Flaschen Champagner. Die Heimkehr des wohlbehaltenen Bruders soll gefeiert werden.
Neben Bernet hat sich eine Vielzahl besorgter Verwandter, Freunde und Bekannter von Israel-Reisenden versammelt. Immer wieder wandern ihre Blicke suchend in Richtung Zollabfertigung, wo ihre Liebsten bald durch die Schiebetüren kommen werden.
Gefühle waren «katastrophal»
Hibbelig harrt auch die Zürcherin Zoë Rappaport (26) aus. Sie empfängt ihre Eltern. Die Mutter plante, anderthalb Monate in Israel zu bleiben. Nun kehrt sie nach nur drei Tagen bereits zurück. «Katastrophal» habe Zoë Rappaport sich in den letzten Tagen gefühlt, als sie sich über die Eltern Sorgen machte.
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Als die ersten Ankömmlinge die Empfangshalle betreten, staunen viele von ihnen. So viele Menschen hätten sie nicht erwartet. Auch die Medien sind zahlreich vertreten.
«Wir gingen einfach nie raus»
«Ich glaube, ich war nicht einmal bei meiner eigenen Hochzeit so nervös», sagt Ursula Bernet aus Wil zu Blick und muss selber über ihren Witz lachen. Kurz darauf betritt ihr Bruder die Ankunftshalle und schaut sich überrascht um.
Seine Schwester fällt ihm um den Hals und drückt den älteren Bruder fest an sich. Nach dem Gefühlsausbruch sagt er: «Es ging eigentlich alles gut. Wir hatten ein gutes Zuhause und gingen einfach nie raus – wie in der Pandemie.» Daraufhin macht er sich schnell davon. Das Blitzlichtgewitter ist nicht sein Metier.
Zoë Rappaport hat mittlerweile ihre Mutter in die Arme geschlossen und strahlt über das ganze Gesicht. Ihre Mutter Michelle erzählt, wie es sich anfühlte, im Kriegsgebiet ausharren zu müssen: «Man hört die Einschläge und die Sirenen immer wieder. Auf den Strassen hat man vor allen Menschen Angst.» Sie verlässt Israel mit «durchzogenen Gefühlen». Ein zu erwartender, langer Krieg bereitet ihr sichtlich Kummer.
«Die Zeichen stehen auf Eskalation»
Damit ist sie nicht alleine. Auch der Generalsekretär des Schweizerisch-Israelitischen Gemeindebund (SIG), Jonathan Kreutner (44), schaut sich an, wofür seine Worte schliesslich gesorgt hatten. Er kritisierte am Sonntag auf Blick.ch die Untätigkeit des EDA, woraufhin das Amt aktiv wurde. Nach dem Flug am Dienstagabend soll am Mittwoch eine weitere Swiss-Maschine von Tel Aviv in Richtung Zürich abheben.
«Die Zusammenarbeit mit dem EDA ist mittlerweile sehr gut», lobt Kreutner den Bund. Einerseits ist er froh, dass ausreisewillige Schweizerinnen und Schweizer zurück in die Heimat kommen konnten, andererseits blickt er besorgt in die Zukunft: «Ich bin kein Prophet und leider auch kein Optimist. Die Zeichen stehen auf Eskalation.»