In verschiedenen Regionen, etwa in Grossbritannien und Italien, wird ein Anstieg von Todesfällen bei 25- bis 49-jährigen Darmkrebs-Patienten festgestellt. Wie ist die Situation in der Schweiz? Natalie Kuchen (41), Fachärztin für Viszeralchirurgie und Onkologische Chirurgie an der Klinik Hirslanden in Zürich, beobachtet die Entwicklung mit Sorge: «Wir haben immer wieder auch jüngere Patientinnen und Patienten, die an Darmkrebs erkrankt sind», sagt Kuchen zu Blick.
«Der Verlauf einer Darmkrebserkrankung ist bei jüngeren Menschen häufig aggressiver», erklärt die Fachärztin. «Dies ist vermutlich so, weil bei jüngeren Patienten der Tumor eher später entdeckt wird, da junge Patientinnen und Patienten bei Bauchbeschwerden nicht gleich an Krebs denken.» Jüngere Betroffene kämen meist sehr spät zu ihr, so die Fachärztin, denn sie würden in der Regel lange von etwas Harmlosem ausgehen. «Daher wird dann die Erkrankung in einem fortgeschrittenen Stadium entdeckt, was die Therapiemöglichkeiten einschränkt.»
Bauchschmerzen, Blut im Stuhl, Gewichtsverlust
Die Krebsart ist tückisch, weil Betroffene am Anfang der Erkrankung gar nichts davon merken. «Es gibt kein eigentliches Leitsymptom», erklärt Kuchen. «Die meisten Beschwerden treten erst bei fortgeschrittenen Tumorstadien oder grossen Tumoren auf.» Mögliche Symptome seien etwa Bauchschmerzen, Blut im Stuhl, Darmverschluss oder andere Stuhlunregelmässigkeiten, Blutarmut, Eisenmangel und ungewollter Gewichtsverlust.
Laut Angaben der Krebsliga Schweiz ist die Anzahl der Dickdarmkrebserkrankungen in der Schweiz bei Menschen unter 50 seit 1996 leicht angestiegen. Allerdings auf sehr tiefem Niveau. Die Anzahl der Todesfälle bei Darmkrebspatienten zwischen 25 und 49 nahm demnach aber nicht zu. Sprecherin Stefanie de Borba: «Auch wenn die Zunahme der Zahl der Dickdarmkrebserkrankungen bei den unter 50-Jährigen in der Schweiz eher gering ist und bei den Todesfällen keine Zunahme verzeichnet wird, muss die Situation – auch mit Blick auf die Entwicklungen im Ausland – dennoch beobachtet werden.»
«Hat vermutlich mit westlichem Lebensstil zu tun»
Woher also die massiv erhöhten Sterberaten in Grossbritannien, wo im Vergleich zu 2018 gemäss der alarmierenden Studie von Carlo La Vecchia von der Universität Mailand satte 38,6 Prozent mehr Frauen und 26,1 Prozent mehr Männer an Darmkrebs sterben? Dies ist schwer zu beantworten. Kuchen: «Ein möglicher Faktor könnten viel längere Wartezeiten in nicht-schweizerischen Gesundheitssystemen sein, die zu langen Verzögerungen zwischen der Diagnosestellung bis zur Therapieeinleitung führen.»
Die Ursachen von Darmkrebs sind nicht eindeutig geklärt. «Es wird vermutet, dass es mit dem westlichen Lebensstil zu tun hat», sagt Fachärztin Kuchen. Mögliche Gründe seien Übergewicht, Fast Food, viel rotes Fleisch, Alkohol, Nikotin und Bewegungsmangel. «Auch die vermehrte Verabreichung von Antibiotika im Kindesalter wird diskutiert.»
Die Spezialistin empfiehlt deshalb einen gesunden Lebensstil, ausgewogene Ernährung sowie viel Bewegung. Menschen mit Darmkrebs-Fällen in der Familie oder mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen sollten frühzeitig Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen. «Je früher der Darmkrebs entdeckt wird, umso höher ist die Heilungschance.»
Goldstandard zur Früherkennung
Die Darmkrebs-Vorsorge wird in der Schweiz normalerweise ab dem 50. Lebensjahr empfohlen, wie Gastroenterologe Stefan Groth (48) von der Klinik Hirslanden in Zürich erklärt. «Der Goldstandard der Früherkennung ist die Darmspiegelung. Sinn und Zweck dieser Untersuchung ist es, die Darmschleimhaut auf Vorstufen zu Darmkrebs, die sogenannten Polypen, zu untersuchen und diese auch direkt zu entfernen.»
Ein weiteres Verfahren seien Tests auf Blut im Stuhl. Diese seien allerdings nicht so genau wie die Darmspiegelung, denn vor allem kleinere Polypen würden meist kein Blut absondern. Groth: «Sollte der Stuhl-Test positiv ausfallen, wird anschliessend eine Darmspiegelung empfohlen.»