Die Richterin erklärt Urteilsverkündigung als beendet.
Notruf war authentisch
Hingegen sei der Notruf von Milo T. authentisch gewesen. «Er musste auf Erlebtem beruhen», sagt die Richterin. Die Zeugin hat Anrig mit laufender Motorsäge gesehen, wie er ums Eck kam. Sie hatte Angst und flüchtete. Am Sachverhalt, an den Vorwürfen gegen Daniel Anrig, gäbe es keine Zweifel, gegenüber den Vorwürfe gegen Milo T. hingegen schon, sagt die Richterin. Und weiter: «Das Gutachten kam zum Schluss, dass Daniel Anrig während der Tat steuerungsfähig war, und somit schuldig zu sprechen ist.» Weil er noch immer eine gewisse Distanz vom Opfer einhielt und sich schliesslich doch entfernte, werde strafmildernd eingerechnet. Als Ersttäter kann die Freiheitsstrafe bedingt ausgesprochen werden. Im Zeitraum der Probezeit muss er psychotherapeutisch begleitet werden.
Anrigs Aussagen waren nicht glaubwürdig
Die Richterin erklärt: «Es liegen dem Gericht zwei sehr unterschiedliche Darstellungen vor. Zum grossen Teil musste das Gericht aufgrund der Aussagen entscheiden, da auch die Zeugin das Geschehen selber nicht gesehen hatte.»
Zu den Aussagen von Anrig sagt sie: «Er verfiel immer wieder in die Opferhaltung. Höchst unglaubwürdig war die Aussage, dass er die Motorsäge nur als Schutzschild eingesetzt habe. Ebenfalls ist unglaubhaft, dass er nur das Gartenhäuschen zerlegen wollte. Es hatte auch schon im Vorfeld Aggressionen gegen den Kontrahenten gezeigt. Er war auch im Besitz des Autoschlüssels, er hätte jederzeit wegfahren können. Dass er nicht gewusst haben soll, wie man eine Motorsäge ausstellt, ist ebenfalls unglaubwürdig», hält die Richterin fest.
Auf der ganzen Linie gegen Anrig
Der Privatkläger, der Handwerker Milo T.*, ist hingegen nicht schuldig der Drohung, der Freiheitsberaubung und der falschen Anschuldigung. Daniel Anrig hat gegen ihn eine Gegenklage, ebenfalls als Privatkläger, angestrengt. Das Gericht hat also auf der ganzen Linie gegen den ehemaligen Schweizergarde-Kommandanten und ehemaligen Chef der Glarner Kriminalpolizei sowie ehemaligen Gemeindeschreiber von Zermatt entschieden.
Daniel Anrig ist schuldig
Die Richterin eröffnet das Urteil pünktlich um neun Uhr. Daniel Anrig ist schuldig der Drohung, der falschen Anschuldigung und des Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen. Das Urteil entspricht der Forderung der Staatsanwaltschaft. Er wird zu 10 Monaten bedingt und einer Busse von 1000 Franken verurteilt. Dem Privatkläger muss er eine Genugtuung von 1000 Franken bezahlen.
Urteilsverkündung am Montag
Ist Daniel Anrig nun schuldig der Drohung, der falschen Anschuldigung und des Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen? Die Schilderungen des Vorfalls durch den Angeklagten und durch Privatkläger gehen weit auseinander. Die Anklage fordert eine bedingte Freiheitsstrafe von 10 Monaten mit einer Probezeit von zwei Jahren, sowie eine Busse von 1000 Franken. Die Verteidigung hingegen will einen Freispruch. Die Urteilsverkündigung erfolgt am Bezirksgericht Meilen am Montagmorgen um neun Uhr. Blick ist dabei und vermeldet das Urteil live im Ticker.
Schluss der Verhandlung
Zum Schluss äussert sich Daniel Anrig: «Ich wollte Milo T. nie Angst einjagen. Es ist absurd, dass ich meiner allerliebsten Tochter und ihrer Mutter etwas antun wollte.»
Die Richterin schliesst die Verhandlung. Das Datum der Urteilsverkündung steht noch nicht fest.
Milo T. soll Anrigs Anwalt mitfinanzieren
Die Verteidigerin fordert, Milo T. sei schuldig zu sprechen. Ihm sei eine Haftstrafe von 10 Monaten zu erteilen. Er solle sich ausserdem an den Anwaltskosten von Herrn Anrig beteiligen.
Verteidigerin plädiert für Freispruch von Anrig
Die Verteidigerin betont, ein Freispruch «in dubio pro reo» (im Zweifel für den Angeklagten) sei in diesem Fall zwingend.
Es gäbe keinen Grund, an der Glaubwürdigkeit von Daniel Anrig zu zweifeln. Er habe sich in den Einvernahmen nie widersprochen. Gewaltbereitschaft wäre mit Anrigs früheren Anstellungen bei der Kantonspolizei, der Gemeinde Wallis und der Schweizergarde nicht vereinbar gewesen.
Anrig solle für die Untersuchungshaft entschädigt werden.
Anrigs Verteidigung bezeichnet Milo T.s Aussagen als «wahnhaft»
Die Äusserung von Milo T. seien «wahnhaft» gewesen. Er habe sich völlig in etwas hineingesteigert. «Die krassen Aussagen von Milo T. lassen vermuten, wie mein Mandant sich gefühlt haben muss», sagt die Verteidigerin.
Dass er Chantal J. und die Tochter retten wollte, sei völlig an den Haaren herbeigezogen. Er habe aufgrund «des Gebarens von Milo T. mit der Motorsäge in der Hand» reagiert und zur Kettensäge gegriffen, um sich zu verteidigen. Die Verteidigerin führt aus: «Er hat die Kettensäge zu keinem Zeitpunkt gegen irgendjemanden einsetzen wollen. Nicht gegen Chantal J. oder die Tochter, nicht gegen Milo T. oder den Nachbarn. Nicht einmal gegen die Nachbarkatze!»
Wer hochfliegt, kann tief fallen. Das muss Daniel Anrig (51) aus Rapperswil-Jona SG am eigenen Leib erfahren. Nach einer Bilderbuchkarriere steht er aktuell unter anderem wegen Drohung mit einer Kettensäge vor Gericht. Schaut man sich Anrigs Leben an, wird klar: Es ist nicht der erste auffällige Vorfall.
Mehr zu Daniel Anrig
Der Lebenslauf von Anrig ist eindrucksvoll: In den vergangenen 22 Jahren war er unter anderem Chef der Glarner Polizei, der Schweizergarde im Vatikan, der Zürcher Flughafenpolizei, einer privaten Sicherheitsfirma und Gemeindeschreiber von Zermatt VS. Nun ist er Sicherheitschef des Eidgenössischen Schwing- und Älplerfests 2025 – die Liste der prestigeträchtigen Jobs scheint nicht enden zu wollen. Doch bereits 2003 kriegt das respektable Bild von Anrig einen ersten Riss.
Verwickelt in mehrere Skandale
Bei einer Razzia in zwei Glarner Asylunterkünften kommt es 2003 zu einem der grössten Polizei-Skandale der Schweiz: Asylbewerbende werden von Polizisten gefesselt, teilweise ausgezogen sowie mit Säcken über den Köpfen und Nummern auf dem Oberkörper fotografiert. Als damaliger Chef der Glarner Kriminalpolizei ist Anrig verantwortlich für die Einsätze. Es kommt zur Anzeige, doch das Verfahren wird eingestellt und hat für Anrig keine nennenswerten Folgen. Zwei Jahre später wird er zum Glarner Polizeikommandanten befördert.
Ab 2008 ist Anrig Kommandant der Schweizergarde im Vatikan, doch 2015 wird er entlassen. Die Hintergründe sind nicht offiziell bekannt. Aber gemäss italienischen Medien stört sich der Papst an Anrigs militärischem Führungsstil und dem protzigen Lebensstandard. Sowohl Anrig als auch Papst Franziskus haben das jedoch dementiert.
Im November 2020 übernimmt Anrig die Gemeindeschreiberei von Zermatt. Auf Ende 2022 kündigt er, um Sicherheitschef des Eidgenössischen Schwing- und Älplerfests 2025 zu werden. Doch dann verschwindet Anrig im November plötzlich, wird sogar von der Walliser Polizei gesucht – nur, um dann in einer Zelle eines Zürcher Untersuchungsgefängnisses wieder aufzutauchen. Der Kettensägen-Vorfall landete vor einem Monat vor dem Bezirksgericht Meilen ZH. Heute wird das Urteil eröffnet.
Wer hat wen mit der Kettensäge bedroht?
Daniel Anrig soll den Handwerker Milo T.* mit einer Kettensäge bedroht haben. Dieser ist der Exfreund von Chantal J.*, der Mutter von Anrigs mittlerweile dreijährigen Tochter. Das Mädchen wurde gezeugt, als Chantal J. und Milo T. noch ein Paar waren und ihren damaligen Nachbarn Daniel Anrig um eine Samenspende baten. Im November 2022 war das Paar getrennt, aber noch befreundet. Anrig besuchte seine Tochter regelmässig.
Am Tatabend befinden sich alle vier Personen in und ums Haus von Chantal J. in Hombrechtikon ZH. Zwischen den Männern kommt es zum Streit, infolgedessen Anrig mit der laufenden Kettensäge auf Milo T. zugerannt sein soll. Doch laut Anrig war es genau umgekehrt: Er will von Milo T. mit einer Kettensäge bedroht worden sein und erst darauf selbst eine in die Hand genommen haben.
Augrund dieser Verteidigung hat die Staatsanwaltschaft Anrig auch wegen falscher Anschuldigung angeklagt. Beide Parteien fordern, dass der gegnerische Beschuldigte eine zehnmonatige bedingte Haftstrafe kassiert.
Nicht der erste Prozess wegen Beziehungstat
Während der Ermittlungen wird bekannt: Daniel Anrig wurde bereits im Januar 2021 vom Zürcher Bezirksgericht wegen mehrfacher Nötigung und Hausfriedensbruchs zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt. Er soll eine Ex-Freundin gestalkt und bedroht haben. Demnach habe er mit Suizid sowie der Frau und dem gemeinsamen Sohn mit dem Tod gedroht. Anrig hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt, weswegen es noch nicht rechtskräftig ist.
Im aktuellen Prozess zitierte die Richterin ein psychiatrisches Gutachten von Anrig. Dieses attestiert narzisstische und zwanghafte Anteile «sowie fehlende Empathie und Selbstzentriertheit, insbesondere, wenn es um die Durchsetzung von Entscheidungen geht». Ob das Gericht dieser Einschätzung folgt und Anrig schuldig spricht, wird es heute bekannt geben. Bis zu einem rechtskräftigen Urteil gilt für alle Parteien die Unschuldsvermutung.
Dass er jetzt vor Gericht steht, ist für Anrig selbst unverständlich. Im Prozess sagte er: «Ich lebe im falschen Film! Ich wurde bedroht und dann plötzlich verhaftet.»
* Namen geändert
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