«Jemand anders hat von meinem PC aus den Auftragskiller engagiert»
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Nathan P. vor Gericht:«Jemand anders hat von meinem PC aus den Auftragskiller engagiert»

Zürcher soll Auftragsmörder für seine Ex gesucht haben
Staatsanwaltschaft fordert 15 Jahre Haft

Am Donnerstag wird am Bezirksgericht Affoltern am Albis ZH eine versuchte Anstiftung zum Mord verhandelt. Auf der Anklagebank: Nathan P. (53). Er soll gemäss Anklage einen Killer beauftragt haben, seine Ex Valerie M. zu erschiessen. Blick konnte mit M. sprechen.
Publiziert: 15.01.2025 um 19:52 Uhr
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Aktualisiert: 17.01.2025 um 08:01 Uhr
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Nathan P. (53) ist wegen versuchter Anstiftung zum Mord angeklagt.
Foto: zVg

Auf einen Blick

  • Anklage: Zürcher (53) soll Killer im Internet auf seine Ex-Partnerin angesetzt haben
  • Nun muss er sich vor dem Bezirksgericht Affoltern am Albis ZH verantworten
  • Über 22'000 Franken habe er dem Auftragsmörder überwiesen, heisst es in der Anklage
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Helena GrafReporterin
16.01.2025, 19:13 Uhr

Prozess vorbei – das waren die wichtigsten Erkenntnisse

Der erste Prozess gegen Nathan P. ist zu Ende – Zeit für einen Rückblick:

Die Staatsanwältin Claudia De Boni erläuterte geduldig die Ermittlungsergebnisse. Die Beweise gegen Nathan P. sind ausschliesslich digital – und basieren auf einem Chatverlauf zwischen dem Nutzer «sitting.dark» und dem «Online Killers Market» einem Anbieter von Angriffsmorden im Darknet.

Anhand der gesicherten Daten bringt die Staatsanwältin den Nutzer «sitting.dark» mit dem Beschuldigten in Verbindung. Gespeicherte Login-Daten und gesicherte Fotos sollen belegen, dass es sich bei dem Nutzer um Nathan P. handeln muss.

Der Angeklagte dementiert die Vorwürfe. Auf den Nutzeraccount «sitting.dark» habe er keinen Zugriff. Ergo habe er die Nachrichten an den mutmasslichen Auftragskiller nicht geschrieben. Vermutlich sei sein Computer von einem Bekannten, Adam, gehackt worden.

Diesem Charakter, Adam, schiebt denn auch P.s Verteidiger die Schuld in die Schuhe. Er behauptet, es sei technisch möglich gewesen, dass ein Hacker den Mordauftrag aufgegeben hatte.

Zuletzt wirft der Verteidigung der Staatsanwaltschaft vor, ihre Beweise seien unzulässig. Er stützte sich dabei auf ein Gutachten von Strafrechtsprozessor und SP-Nationalrat Daniel Jositsch. Aus diesem Grund, so Oertle, müsse sein Mandant freigesprochen werden.

16.01.2025, 19:09 Uhr

Der Richter schliesst die Verhandlung

Der Prozess ist beendet. Das Datum für die Urteilsverkündung steht noch nicht fest.

16.01.2025, 19:08 Uhr

Nathan P.: «Ich wollte einfach am Leben meiner Kinder teilhaben»

Der Richter gibt Nathan P. das Wort. Er betont noch einmal: «Ich bin ein ruhiger Typ und habe mich nie zu Kurzschlussreaktionen hinreissen lassen. Konflikte belasten mich extrem, entsprechend ziehe ich mich zurück.»

Er würde stets Kompromisse suchen. Die Streitereien mit Valerie M. seien sehr belastend gewesen. «Ich habe immer versucht, es geradezubiegen. Leider habe ich das nicht geschafft», beteuert P. 

Er habe daran geglaubt, die Kinder wieder sehen zu dürfen. Zusammen mit der Kesb und dem Männerbüro habe er nach Lösungen gesucht und an sich gearbeitet: «Ich wollte als Vater einfach Teil des Lebens meiner Kinder sein!»

Sein erstes Kind habe sich immer gefreut, wenn sie als Familie alle zusammen gewesen seien. Er habe sich auf die Besuche der Kinder stets vorbereitet: «Wir haben gebastelt, Kekse gebacken. Ich habe mich immer um ein Programm gekümmert», so P.

Es sei ihm wichtig gewesen, dass er und Valerie M. sich friedlich «Hallo» sagen könnten – zum Wohl der Kinder. «Das habe ich leider nicht geschafft und es tut mir leid.»

Bis zu seiner Verhaftung habe er ein schönes Leben gelebt. Er habe seinen Job gemocht, sei in einer glücklichen Beziehung gewesen, hätte an den Wochenenden viel unternommen. «Der Tod von Valerie M. hätte mein Leben komplett auf den Kopf gestellt. Warum hätte ich das tun sollen»?», fragt der Beschuldigte.

Er würde seinen Kindern nie die Mutter nehmen. «Ich bin keine Gefahr, für niemanden. Ich will einfach mein Leben zurück.»

16.01.2025, 18:52 Uhr

Jetzt teilt der Verteidiger aus

Nun äussert sich noch einmal der Verteidiger Markus Oertle. Er verteidigt das Gutachten von Daniel Jositsch, wiederholt sich: «Man hat sich nicht an die Strafprozessordnung gehalten – das ist eindeutig», so Oertle. Entsprechend dürften die Beweise nicht verwertet werden.

Nach der Staatsanwältin teilt auch der Verteidiger aus: Offensichtlich hätten die Staatsanwältin und die Opferanwältin das Gutachten nicht ausgiebig gelesen.

16.01.2025, 18:46 Uhr

Britische Polizei hat mutmasslichen Mordplan von Nathan P. gemeldet

Die Staatsanwältin ergreift das Wort und platziert sogleich einen Seitenhieb gegen die Verteidigung: «Wir haben sehr viele Wiederholungen gehört. Ich will das Gericht also nicht mit unnötigen Ausführungen langweilen.» 

Zunächst widerspricht sie einigen Aussagen der Verteidigung. Etwa, dass er sich keinen finanziellen Vorteil vom Tod der Frau erhofft hätte.: «In seinem Kopf musste er die Zahlungen an seine Ex-Partnerin leisten – und eben nicht an die gemeinsamen Kinder.»

De Boni bestreitet, dass die Beweisaufnahme der Ermittler gegen die Prozessordnung verstossen habe. Das Gutachten von Daniel Jositsch sei «widersprüchlich» und voreingenommen. 

Die britische Polizei habe die Schweizer Behörden alarmiert und auf den mutmasslich geplanten Auftragsmord hingewiesen. «Stellen Sie sich vor, wir hätten das ignoriert?», sagt die Staatsanwältin. Die Behörden hätten auf die Beweise reagieren müssen.

16.01.2025, 18:25 Uhr

Opferanwältin hält an der Gültigkeit der Beweise fest

Jetzt spricht wieder die Anwältin von Valerie M.: Sie bestreitet die Aussage des Verteidigers, ihre Mandantin habe die Besuche der Kinder beim Vater verweigert. «Nach dem tätlichen Vorfall an der Haustür wollten die Kinder selbst den Vater nicht mehr sehen», so die Anwältin.

Zu den Beweisen der Zeugin Lidia H. sagt sie weiter: «Es ist möglich, die Schlafzeit manuell einzutragen. Ob er wirklich geschlafen hat, ist mit den Daten der Smartwatch also nicht zu belegen.»

Der Angeklagte habe selber zugegeben, er habe «gute IT-Kenntnisse» und sei demnach fähig gewesen, so vorzugehen, wie die Staatsanwaltschaft es beschrieben hatte.

Zuletzt äussert sich die Anwältin zur Forderung der Verteidigung, den Angeklagten freizusprechen, weil die Beweise nicht zulässig seien. Solche Beweise einer derart schweren Straftat dürften nicht pauschal verworfen werden. Dies habe auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem vergleichbaren Fall entschieden.

16.01.2025, 17:56 Uhr

Verteidiger schliesst sein Plädoyer – kurze Pause

Markus Oertle hat seinen Vortrag beendet. Das Gericht unterbricht den Prozess.

16.01.2025, 17:26 Uhr

Verteidiger gibt Valerie M. Schuld am Konflikt mit Nathan P.

Der Verteidiger führt seine Argumentation fort. Selbst wenn sein Mandant die Tat begangen hätte, würde es sich dabei nicht um einen versuchten Mord handeln: «Viel mehr hätte er aus einer tiefgreifenden Konfliktsituation gehandelt, an der vor allem seine Ex-Freundin Valerie M. Schuld ist.»

Es würde sich entsprechend nicht um eine versuchte Anstiftung zum Mord handeln, sondern zu vorsätzlicher Tötung.

16.01.2025, 17:15 Uhr

«Gericht muss ihn freisprechen»

Markus Oertle fasst zusammen: «Wegen der Unzulässigkeit der Beweise muss das Gericht Nathan P. freisprechen.»

Zur geforderten Genugtuung führt der Verteidiger aus, Nathan P. habe in der Haft sehr gelitten. Er sei psychisch in ein tiefes Loch gefallen, habe zwei Jahre mit seinen Kindern verpasst. 

Oertle kritisiert das Vorgehen der Polizei während der Verhaftung: Nathan P. sei – «völlig unverhältnismässig» – während einer Videokonferenz mit seinem Arbeitgeber zu Boden gestossen und festgenommen worden.

16.01.2025, 17:05 Uhr

«Beweise der Staatsanwaltschaft sind nicht zulässig»

Nun erläutert Markus Oertle das ominöse Gutachten, das die Beweise der Staatsanwaltschaft in Frage stelle. Dieses hat der Strafrechtsprozessprofessor und Nationalrat Daniel Jositsch (SP) verfasst.

Zugegeben – es ist herausfordernd, als Laie den Worten Oertles zu folgen. In den Gesichtern der Anwesenden im Gerichtssaal macht sich Verwirrung breit – und Langeweile. 

Zusammengefasst sagt das Gutachten aus, dass die Beweiserhebung der Staatsanwaltschaft nicht zulässig sei. 

Die Begründung (vereinfacht ausgedrückt): Die Beweisaufnahme habe mehrheitlich im Ausland stattgefunden. Konkret haben die Ermittler den Chat von «sitting.dark» (mutmasslich Nathan P.) mit der Darknet-Website «Online Killers Markets» ausgewertet. Diese Website unterliege der Kontrolle der britischen Strafverfolgungsbehörden. 

Wie kommt Oertle zu diesem Schluss? Die britischen Behörden haben mehrere Personen geschnappt, die über den «Online Killers Market» einen Auftragskiller anheuern wollten – und sie verurteilt.

Unter diesen Umständen seien die Beweise aus den Chats mit «Online Killers Market» nicht zulässig, erklärt Oertle mit Verweis auf die Schweizer Prozessordnung.

Datum und Ablauf des Auftragsmords seien bereits geplant gewesen: Am 27. Januar 2023 hätte die zweifache Mutter Valerie M.* erschossen werden sollen. So steht es in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zürich.

Die entsprechenden Anweisungen soll Nathan P. *(53), der Ex-Freund von Valerie M., einem anonymen Auftragsmörder im Internet gegeben haben. Am Donnerstag muss er sich wegen versuchter Anstiftung zum Mord vor dem Bezirksgericht Affoltern am Albis ZH verantworten.

Blick liegen die Anklageschrift und mehrere Gerichtsurteile gegen Nathan P. vor. Sie dokumentieren einen jahrelangen Streit um Besuchsrecht und Unterhalt für die gemeinsamen Kinder des Paares. Und sie belegen, dass Nathan P. seiner Ex-Partnerin mehrfach Gewalt angetan hat.

«Ich war geschockt»

Valerie M. erzählt Blick: «Als ich von der Polizei erfuhr, dass mich jemand töten lassen wollte, war ich geschockt.»

Valerie M. und Nathan P. werden 2010 ein Paar. Ab 2011 leben sie zusammen. Als Valerie M. schwanger wird, sei es mit Nathan P. schwieriger geworden, erzählt sie. 2014 sei sie deshalb ausgezogen, habe aber wegen der Kinder weiterhin engen Kontakt mit Nathan P. gehalten.

2016 registriert die Polizei einen ersten Vorfall. Valerie M. erzählt: «Nathan sperrte mich und die Kinder, damals vier und ein Jahr alt, ins Kinderzimmer ein. Ich rief vom Balkon aus um Hilfe. Die Polizei hat uns schliesslich befreit.»

Streit um Besuchsrecht

Nathan P. wird verurteilt – wegen Freiheitsentzug. Valerie M. trennt sich von ihm. Sie hat seit Geburt der Kinder das alleinige Sorgerecht. Er darf die Kinder weiterhin regelmässig sehen.

Laut Gerichtsakten habe Nathan P. seine Ex-Freundin bei der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) angeschwärzt. Er wirft ihr vor, ihm sein Besuchsrecht zu verweigern. Wie der Bezirksrat Affoltern später feststellt, haben die Anschuldigungen aber weder Hand noch Fuss. 

Im Dezember 2020 eskaliert es während eines Besuchs der Kinder bei Nathan P. In einem Urteil des Bezirksrats Affoltern steht, Nathan P. habe sich bei Valerie M. beschwert: Sie habe den Kindern tagsüber zu wenig «Auslauf» gelassen, weshalb sie nun nicht schlafen könnten, schrieb er ihr.

Nathan P. schlägt seine Ex

Daraufhin habe Valerie M. versucht, ihn anzurufen. Vergeblich. Sie sei zu ihm gefahren. «An der Haustür schlug er mich und stiess mich weg, sodass ich mit meinem Kind auf dem Arm zu Boden fiel», sagt M. nach dem Vorfall gegenüber der Polizei aus. Nathan P. wird erneut verurteilt, diesmal wegen Tätlichkeiten. 

Im Juli 2021 loggt er sich schliesslich, laut Anklageschrift, auf einer Plattform im Darknet ein und verschickt folgende Anfrage: «Hi, würde eine Dienstleistung brauchen, um jemandem Respekt zu lehren. Absolut kein Töten involviert, aber ein Spitalbesuch.»

Ein unbekannter Nutzer habe geantwortet: «Das wird 2500 Dollar kosten.» Er müsse in Kryptowährungen bezahlen. Ein paar Monate später soll Nathan P. ein Kryptokonto eröffnet haben. Doch der Auftrag wurde nie ausgeführt. 

«Erschiessen und wegfahren»

Am 19. Dezember 2022 habe er aus einem Urteil des Bezirksgerichts Affoltern erfahren, dass er für sein jüngeres Kind rückwirkend Unterhalt zahlen müsse: insgesamt 150'000 Franken.

Noch am selben Tag habe sich P. im Darknet informiert, wie man einen Auftragsmörder findet, schreibt die Staatsanwaltschaft in der Anklage. Knapp zwei Wochen später, am 3. Januar, soll er über die Website «Online Killers Market» einen Auftragsmörder für Valerie M. bestellt haben. Der Administrator der Website habe den Auftrag bestätigt. P. habe mit ihm Zeitpunkt und Bezahlung in Bitcoins vereinbart.

Der mutmassliche Auftragskiller soll Details zu Valerie M. verlangt haben. Laut Anklageschrift übermittelte Nathan P. ihm daraufhin ihr Foto, Name, Adresse und Modell ihres Autos. 

22'000 Franken in Bitcoin

Bis zum 19. Januar 2023 soll P. insgesamt über 22'000 Franken in Bitcoins an die Website überwiesen haben, wie die Staatsanwaltschaft schreibt. Der Auftragsmord habe am 27. Januar stattfinden sollen.

Als P. zwei Tage später bemerkt habe, dass Valerie M. noch lebte, habe er noch ein Foto ihres Autos nachgereicht und gefragt, wann der Auftrag ausgeführt werde. Zehn Tage später habe er erneut nachgefragt, so die Anklage.

Nathan P. bestreitet die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft, teilt sein Verteidiger Markus Oertle Blick mit. Für Nathan P. gilt die Unschuldsvermutung.

Verteidiger plädiert auf Freispruch

Wie die Behörden vom angeblichen Mordplan erfahren haben, ist unklar. Fakt ist: Am 16. Februar wird Nathan P. festgenommen. Valerie M. sagt: «Ich wusste, ihn reute das Geld für den Unterhalt. Aber ich hatte eher Angst um die Kinder, als um mich.»

Welche Strafe die Staatsanwaltschaft fordert, ist noch offen. Der Verteidiger plädiert auf Freispruch. Sein Mandant habe die genannten Delikte nicht begangen.

Der zweitägige Prozess beginnt am Donnerstagmorgen um 8.30 Uhr. Blick berichtet live aus dem Gerichtssaal. 

*Namen geändert 

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