Am Samstag laufen Hunderte Massnahmen-Gegner und Corona-Skeptiker durch die Gassen von Altdorf UR, halten mit viel Folklore eine nicht bewilligte Demonstration ab. Es kommt zu vereinzelten Scharmützeln mit der stark Präsenz markierenden Polizei, die auch Tränengas und Gummischrot einsetzen muss. Die Gesamtbilanz fällt trotzdem positiv aus: Kein Sachschaden, keine Festnahmen.
Einige Tage später jedoch schlägt einer Polizistin auf Social Media die blanke Wut entgegen. Mit grossem Foto abgebildet, eine Dose Tränengas in der Hand, wird sie zur Zielscheibe einiger Corona-Skeptiker. Zum Symbol für angebliche Inkompetenz der Polizei. Die harmlosesten Bezeichnungen sind dabei noch «Versagerin» und «Taugenichts». Verfasser des Hass-Posts: Chrigi R.*, einer der derzeit lautstärksten Corona-Skeptiker der Schweiz, der immer wieder mit Aktionen gegen die Polizei auffällt. Er erhält für seinen Beitrag Kritik, aber vor allem auch viel Zustimmung, die zumeist sehr tief unter die Gürtellinie geht.
Eine Ikone des Hasses?
Der Journalist Alex Baur bezeichnet die Frau auf Twitter danach als «Ikone des Hasses». Auf Blick-Anfrage präzisiert er, sie auf keinen Fall zu verurteilen und Gewalt jeglicher Art abzulehnen, dazu gehöre auch öffentlicher Hass gegen Polizisten. Er sagt: «Die Polizisten, welche den Job machen mussten, tun mir wirklich leid. Man sieht auch auf Videos Demonstranten, die auf Polizisten einreden. Das ist einfach dumm.» Den Tränengaseinsatz kritisiert aber auch er. Dieser sei unverhältnismässig gewesen, da auch Personen getroffen worden seien, die sich nichts zuschulden haben kommen lassen.
Videos der Veranstaltung lassen den Vorfall rekonstruieren: Eine grössere Menschenansammlung will, angeführt von Treichlern, zum Telldenkmal in Altdorf schreiten. Die Polizei stellt sich in den Weg. Die Gruppe drückt nach vorne, die Polizei drückt dagegen. Es wird hektisch, immer stärker wird geschubst. Da geht jemand mit Fäusten auf die Polizei los. Diese sprüht Tränengas, mehrere Personen werden getroffen. Zwei lassen sich anschliessend im Spital untersuchen. Ob die diffamierte Polizistin gesprüht hat? Darauf gibt es keine Antworten.
«Dinge, die man nie ins Gesicht sagen würde»
Die Polizistin machte am Samstag nur ihre Arbeit – jetzt ist sie plötzlich Hass-Figur der Corona-Skeptiker. Wie es ihr geht, darf sie gegenüber Blick nicht sagen. Sie arbeitet bei der Kantonspolizei Luzern, ihr Arbeitgeber will sie schützen. Die Luzerner Polizei teilt mit, sie habe «leider zunehmend festgestellt, dass ein Mangel an Respekt und eine latente Gewaltbereitschaft gegenüber Polizistinnen und Polizisten vorhanden ist».
Hassattacken im Netz seien nur eine Form dieser Feststellung. Social Media senke die Hemmschwelle, sagt Christian Bertschi, Kommunikationschef der Luzerner Polizei: «Die Kommunikation via Smartphone, Tablet oder Computer verführt dazu, Dinge zu schreiben, die man nie jemandem ins Gesicht sagen würde.» Die Luzerner Polizei mahnt aber diejenigen, die solche Dinge posten: «Das Netz ist kein rechtsfreier Raum.» Ob es eine Anzeige gegen die Verantwortlichen gibt, sagt die Polizei nicht.
«Angriffe sind unhaltbar und feige»
Beim Verband Schweizerischer Polizei-Beamter (VSPB) hofft man aber genau das. «Menschen, die in den sozialen Netzwerken solche Beiträge platzieren, müssen unter allen Umständen verfolgt und zur Rechenschaft gezogen werden», sagt Alexia Hungerbühler, Leiterin Kommunikation & Marketing beim VSPB. Man sei schockiert über diese Hasstiraden im Netz. «Die Angriffe auf die Persönlichkeit einer Kollegin, die ihre Arbeit ausübt, sind völlig unhaltbar und feige.» Nun sei ihr Arbeitgeber in der Pflicht «und muss seiner Mitarbeiterin den nötigen Rückhalt und Rechtsschutz gewähren, damit die Gegenpartei zur Rechenschaft gezogen wird.»
Gerne hätte Blick auch mit Chrigi R. oder anderen Denunzianten gesprochen. Keiner von ihnen hat auf entsprechende Anfragen geantwortet.
*Name bekannt