Rund zwei Wochen nach der Veröffentlichung der Studie der Universität Zürich zu sexuellem Missbrauch in der schweizerischen katholischen Kirche werden in den Luzerner Gemeinden die Auswirkungen deutlich. Die Luzerner Pfarreien erleben einen akuten Mitgliederschwund, wie es ihn nur selten zuvor gab.
Seit dem 12. September habe sich die Zahl der Austritte in der Stadt Luzern vervielfacht, erklärt Urban Schwegler, Leiter Fachbereich Kommunikation der katholischen Kirche Stadt Luzern, in der «Luzerner Zeitung». Waren es vor Veröffentlichung der Studie noch zehn Austritte pro Woche, seien es jetzt 80. Nur wenige geben einen Grund für ihren Austritt an. Diejenige, die es tun, nennen jedoch überdurchschnittlich häufig die Missbrauchsfälle. Geht es nach Schwegler, braucht es mehr Transparenz und eine lückenlose Aufarbeitung.
Auch im Umland wurde eine ähnliche Entwicklung festgestellt. Ruedy Sigrist-Dahinden, Leiter des Pastoralraums der Meggerwald-Pfarreien in Meggen, Adligenswil und Udligenswil will, ohne konkrete Zahlen zu nennen, überall eine Austrittswelle ausgemacht haben. Die Missbrauchsvorfälle hätten die Mitglieder erschüttert, als Austrittsgründe würden häufig die Intransparenz und versuchte Vertuschung der Fälle genannt.
Für die Austretenden sei es unmöglich geworden, hinter der Kirche zu stehen. Jeder Missbrauchsfall ist laut Sigrist-Dahinden «einer zu viel». Eine Reform sei notwendig. Die Aufarbeitung hätte jetzt oberste Priorität.
Einige Pfarreien mauern
Nicht alle Pfarreien im Kanton Luzern wollten sich gegenüber der «Luzerner Zeitung» zu der Studie äussern. In Kriens etwa soll ein Gespräch abgelehnt worden sein, auch die katholische Kirche in Grossdietwil habe keine Auskunft geben wollen. Den Wunsch nach Transparenz scheinen nicht alle zu teilen. Sigrist-Dahinden kommt zu dem Schluss: «Lippenbekenntnisse reichen nicht mehr.»
Die Studie war zu dem Ergebnis gekommen, dass es zwischen 1950 und heute mindestens 1002 Fälle sexuellen Missbrauchs gegeben hat. Die Dunkelziffer könnte sogar noch höher liegen. (nad)