Pfarrer Roland Graf findet, die Corona-Impfung sei nicht für jedermann. Im aktuellen Pfarreiblatt der Gemeinden Unteriberg SZ, Oberiberg SZ und Studen SZ rät er «Kindern und Jugendlichen sowie Personen im fortpflanzungsfähigen Alter» von einem Piks ab. Besonders bei Jungen sei «das Risiko einer Impfung viel grösser als dasjenige, an Covid-19 schwer zu erkranken».
Graf stützt sich auf den Vorstand der Vereinigung katholischer Ärzte der Schweiz und Human Life International Schweiz (HLI), die «ihren Standpunkt mit etlichen Studien begründen können».
Gespielte Neutralität
Diese angebliche Neutralität ist allerdings nur vorgeschoben. Graf ist derzeit und seit Jahren Ad-interim-Präsident von HLI-Schweiz, der nach eigenen Angaben «grössten Pro-Life-Organisation der Welt». Und für die katholischen Ärzte hat er schon geschrieben. Diese sagen auf Blick-Anfrage lediglich, dass die Mitteilung auch bald auf ihrer Website zu finden sein werde.
Doch was ist dran an Grafs Argumenten? Sogar die beiden Verbände schreiben, dass wissenschaftliche Evidenz hinsichtlich langfristigen Nebenwirkungen fehle. Es gibt Stand heute auch keinerlei Beweise, die darauf hindeuten, dass eine Corona-Impfung mehr schadet als nützt – egal für welche Altersgruppe. Dafür viel Evidenz für das Gegenteil.
Bischof: «Nicht der geeignete Ort»
Eine klare Meinung dazu hat der oberste Katholik des Bistums Chur, zu dem Unteriberg gehört: Bischof Joseph Maria Bonnemain (72). Zu Blick sagt er: «Komplexe naturwissenschaftliche Fragen gehören in Fachkreise. Das Pfarrblatt und die Website sind nicht der geeignete Ort dafür.»
Der Bischof findet, das Impfen sei keine religiöse Frage, sondern ein Akt der Solidarität. «Ich bin längstens doppelt geimpft und glücklich darüber.» Muss Roland Graf nun mit Konsequenzen rechnen? Der Bischof sagt nur: «Die Stellungnahme werde ich mit dem Pfarrer von Unteriberg unter vier Augen besprechen.»
«Er ist für den Inhalt verantwortlich»
Ähnlich klingt es bei Josef Hochstrasser (74). Der reformierte Priester war vor seiner Heirat katholischer Priester und sagt, die Kirche solle ihre Stimme erheben, wenn es darum gehe, wissenschaftliche Erkenntnisse im Alltag der Menschen umzusetzen. «Aber in den wissenschaftlichen Bereich hat sich die Kirche nicht einzumischen.»
Pfarrer Roland Graf ist von seiner Sache überzeugt – und will sogar den Bischof belehren! Zu Blick sagt er: «Ich habe soeben dem Bischof ein E-Mail geschrieben. Er soll wissen, dass ich mich mit der Sache intensiv befasst habe. Ich habe das Thema mit katholischen Ärzten diskutiert. Ich habe die Aussagen für unsere Gemeinden publiziert. Dass das jetzt so hohe Wellen schlägt, ist unnötig. Ich möchte einfach, dass in meiner Pfarreiarbeit möglichst schnell wieder Normalität einkehrt.»
Zudem schickt Graf Blick Textausschnitte, die suggerieren sollen, die WHO und Ärzteverbände seien gegen Corona-Impfungen bei Jungen. Allerdings reisst er die Textstellen aus dem Zusammenhang: Eine kurze Überprüfung reicht, um zu belegen, dass alle lediglich schreiben, Erwachsene sollen zuerst geimpft werden. Und dann die Jungen.