Schwule und Lesben sind von Papst Franziskus enttäuscht
«Dinge und Tiere werden gesegnet, aber wir nicht»

Mitte März verkündete Papst Franziskus im Vatikan, dass die römisch-katholische Kirche gleichgeschlechtlichen Paaren die Segnung verweigert. Dieser Entscheid traf Millionen von Menschen und führte selbst bei vielen katholischen Geistlichen zu Kopfschütteln.
Publiziert: 09.04.2021 um 11:41 Uhr
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Aktualisiert: 19.04.2021 um 11:28 Uhr
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Priscilla Schwendimann (28) ist reformierte Pfarrerin und lebt seit zwei Jahren mit einer Frau in einer eingetragenen Partnerschaft.
Foto: Priscilla Schwendimann
Erika Unternährer

Es war eine Absage mit klarer Ansage. Mitte März hielten Papst Franziskus (84) und der Vatikan fest: «Die katholische Kirche wird keine gleichgeschlechtlichen Paare segnen.» Dieser Entscheid löste weltweit Empörung aus. In Deutschland reagierten 2600 Geistliche mit einem Protestbrief an Rom. Auch in der Schweiz teilen nur wenige Bistümer die Meinung des Vatikans.

Entmutigend ist die Botschaft insbesondere für homosexuelle Frauen und Männer, die in der Schweiz immer noch für die gleichgeschlechtliche Ehe kämpfen müssen. Betroffene Gläubige sagen im Blick, was sie vom Entscheid des Papstes halten und was ein Segen für sie bedeuten würde.

Pfarrerin erteilt Segen in Eigenregie

Priscilla Schwendimann (28) lebt seit bald zwei Jahren in einer eingetragenen Partnerschaft und ist reformierte Pfarrerin. Schwendimann und ihre Partnerin liessen ihre Beziehung von der evangelisch-reformierten Kirche segnen, die es teilweise schon seit 1998 macht und heutzutage offiziell darf.

«Ein Segen ist nach biblischem Verständnis der Zuspruch und die Zuwendung Gottes an einen Menschen oder eine Menschengruppe», so die Pfarrerin. Wenn sie selber einem Menschen den Segen zuspreche, tue sie das immer in einer bittenden Haltung und im Vertrauen, dass Gott wirke. Somit verfüge niemand über den Segen und «schon gar nicht eine Institution».

Homosexuelle wünschen sich kirchlichen Segen

Urs Bertschinger (44) ist seit 13 Jahren in einer Beziehung mit einem Mann – und kann sich gut vorstellen, einmal zu heiraten. Und dann würde er auch gerne Gottes Segen in der Kirche erhalten wollen: «Es macht mich traurig, dass die katholische Kirche meint, bestimmen zu müssen, wer die Segnung erhält und wem sie verweigert wird. Wenn sogar Tiere und Dinge gesegnet werden, dann sollte sie doch auch für jede Beziehung gelten können.» Es gehe um Menschen und Liebe, und da sollte es keine Rolle spielen, ob man jemanden vom gleichen oder vom anderen Geschlecht liebe.

Matthias Rauh (41) möchte ebenfalls die Möglichkeit haben, seine Partnerschaft in der Kirche segnen zu lassen. Dieses Ritual bedeute ihm sehr viel, mehr noch als der staatliche Eintrag. Dennoch: «Überrascht hat mich die Aussage nicht. Aber was der Entscheid hierzulande ausgelöst hat, finde ich erfreulich.» Denn: Viele katholische Geistliche agieren gegen den Entscheid von oben – und führen weiterhin Segnungen durch. «Das zeigt doch, dass die katholische Kirche kein monolithischer Block ist.»

Bistümer kritisch gegenüber dem Vatikan

Rauh weiss, dass in Ländern, wo queere Menschen unterdrückt werden, die Aussagen des Papstes als Rechtfertigung von Gewalt gegen homosexuelle Menschen dienen. Gewalt, die bis zum Tod führen könne.

Der Papst begründet seinen Entscheid damit, dass die gleichgeschlechtliche Liebe nicht den Plänen Gottes entspreche. Dazu sagt Claudius Luterbacher (42), Kanzler des Bistums St. Gallen: «Wenn ich an die vielen gleichgeschlechtlichen Paare denke, die eine ehrliche, schöne und wohltuende Beziehung führen, dann kann mich diese Begründung nicht überzeugen!»

Andere Weltanschauung

Auch Bischof Felix Gmür (54) vom Bistum Basel findet, dass sich die Lehre der Kirche weiterentwickeln müsse: «Das Segnungsverbot entspricht der traditionellen Lehre. Die Human- und Naturwissenschaften haben sich jedoch weiterentwickelt. Von dieser Seite her wird Homosexualität heute anders beurteilt.»

Ob sich Seelsorgende im Bistum Chur vor Konsequenzen fürchten müssen, wenn sie gleichgeschlechtliche Paare segnen? Bischof Joseph Bonnemain (72) dazu: «Ich würde mit der oder dem Seelsorgenden Kontakt aufnehmen und wissen wollen, ob die Entscheidung seelsorgerlich gut abgewogen war.» Seine langjährige Erfahrung habe ihn gelehrt, dass Rügen, Tadeln und Verbote niemanden weiterbringen.

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