Die Schweiz fremdelt mit ihrem mächtigsten Mann. Gianni Infantino (53), seit 2016 Präsident des Weltfussballverbandes, verblüfft die Menschheit mit seinen exzentrischen Auftritten ohnehin immer wieder. «Heute fühle ich mich schwul», sagte er etwa 2022 bei einem Auftritt in Katar.
Schlagzeilen machte der Walliser in seiner Heimat zuletzt, weil er die in Zürich domizilierte Fifa nach 90 Jahren schrittweise aus der Schweiz verlagert. Jetzt werden 100 Stellen nach Miami (USA) verschoben, wie vergangene Woche bekannt wurde.
WM auf drei Kontinenten
Und jetzt das: Infantino hat angekündigt, dass die Fussball-WM 2030 nicht auf einem, auch nicht auf zwei, nein, sondern auf drei Kontinenten stattfinden wird.
In Marokko, Portugal, Spanien, Uruguay, Argentinien und Paraguay soll das Turnier stattfinden. Ein Hohn für die Fans, die Teilnehmer und vor allem die eigenen Öko-Versprechen der Organisation. Auf ihrer Website ist zu lesen, wie man die Anstrengungen «bezüglich Umweltschutz und damit verbundener Themen wie Klimawandel, Abfallmanagement, Recycling, ökologisches Bauen und nachhaltige Beschaffung» in den letzten zehn Jahren «verschärft» habe.
Entscheid stösst vielerorts auf Kritik
Der einstimmige Entscheid des Fifa Council, eines Rats, in dem 37 Länder vertreten sind, stösst vielerorts auf Kritik. Dem Vernehmen nach sollen die Teilnehmer für diesen wegweisenden Beschluss nicht einmal physisch zusammengekommen sein. Die Sitzung habe virtuell stattgefunden.
Wer ob dieser Entwicklung nur noch den Kopf schütteln kann, ist Infantinos Vorgänger. Sepp Blatter (87) präsidierte den Verband von 1998 bis 2016. Gegenüber SonntagsBlick sagt er: «Es ist absurd, das Turnier in dieser Form auseinanderzureissen.» In seiner Ära fand eine WM ebenfalls in mehreren Ländern statt, 2002 in Südkorea und Japan.
Für Blatter zeigt die Erfahrung aus den letzten Jahrzehnten klar: «Die WM-Endrunde muss ein kompakter Anlass sein.» Das sei wichtig für die Identität des Events, für die Organisation und die Besucherinnen und Besucher.
«Abgesehen davon», so Blatter weiter, «hätte die Weltmeisterschaft 2030 historisch bedingt ausschliesslich nach Südamerika gehört.»
Hundert Jahre zuvor, 1930, fand in Uruguay die erste Fussballweltmeisterschaft statt.
Bahn frei für Saudi-Arabien
Für Insider ist der Hintergrund des Manövers eindeutig: Würde der Anlass 2030 in Südamerika ausgetragen, wäre 2034 Nordafrika dran. Indem nun Marokko dazustösst, wird dieser Anspruch nichtig.
Die Bahn wird damit frei für einen anderen Bewerber, für den sich Infantino sehr erwärmt: Saudi-Arabien. Dessen Machthaber, Kronprinz Mohammed bin Salman (38), weibelt derzeit mit allen Mitteln, um die Fussballwelt in den Wüstenstaat zu holen. Die WM 2022 in Katar kann damit als eine Art Generalprobe für die Saudis betrachtet werden.
Dass sich Infantino auf der Halbinsel wohlfühlt, hat er bereits letztes Jahr gezeigt, als er in das Emirat zog. Die Schweiz fremdelt mit ihm. Und umgekehrt.