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Walliser Vermieter schaltet Herzinfarkt-Patient Internet für Notfallknopf aus
«Er will mich loswerden – um Geld mit Touristen zu machen»

Herzinfarkt-Patient Gert Kind aus dem Oberwallis braucht einen Knopf, mit dem er notfalls die Sanität rufen kann. Der Rentner kann seine Miete nicht mehr zahlen. Sein Vermieter kündigt ihm – und stellt ohne Vorwarnung das WLAN ab, das Kind für den Notfallknopf braucht.
Publiziert: 08.10.2024 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 08.10.2024 um 07:07 Uhr
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Vor eineinhalb Jahren hatte Gert Kind (66) einen schweren Herzinfarkt und musste wiederbelebt werden. Noch heute muss er jede Woche in die Reha.
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Gina KrücklReporterin

Ein Streit mit dem Vermieter ist für jeden unangenehm. Doch für Gert Kind (66) aus dem Oberwallis wurde es lebensgefährlich. Um ihn aus seinem Zuhause zu ekeln, hat der Vermieter ohne Vorwarnung das Internet abgestellt. Das Problem: Der Senior ist wegen medizinischer Probleme auf einen Notfallknopf angewiesen, um im Falle einer Notlage die Ambulanz aufbieten zu können. Und dieser Lebensretter funktioniert ohne Internet nicht. Der Rentner ist schockiert: «Meinem Vermieter ist völlig egal, ob ich überlebe», sagt er zu Blick. «Ihm geht es nur ums Geld.»

Ende April 2023 hatte Kind einen ersten schweren Herzinfarkt. «Ich musste wiederbelebt werden.» Später erlitt der 66-Jährige noch einen weiteren Infarkt. Die Folge spürt Kind bis heute: «Ich gehe jede Woche in die Reha, muss alle zwei Stunden meinen Blutdruck messen und täglich Medikamente schlucken.»

Plötzlich ohne Notfallknopf

Dazu trägt Kind immer den Notfallknopf bei sich. «Ohne den würde ich es im Ernstfall nicht schaffen, die Ambulanz zu rufen.» Doch diese Lebensversicherung ist im Moment nutzlos. Weil das Internet über den Vermieter läuft, konnte der dem kleinen Lebensretter buchstäblich den Stecker ziehen.

Als Kind das fehlende Netz bemerkt hat, habe er seinen Vermieter angerufen. «Er hat sich geweigert, es wieder anzustellen.» Weswegen der Rentner einen Antrag ans Bezirksgericht Leuk & Westlich-Raron geschickt hat, in dem er fordert, dass das WLAN sofort wieder angestellt wird. «Weil das nichts gebracht hat, habe ich jetzt mit meinem Handyanbieter eine Lösung gefunden.» Zusätzliche Kosten, für die Kind kein Geld hat.

Nur 500 Franken Miete erlaubt

Fast sein ganzes Leben hat Kind als selbständiger Schreinermeister gearbeitet und so seine siebenköpfige Familie ernährt. Doch nach seinen Herzinfarkten war schnell klar, dass Kind sein Geschäft schliessen muss. «Ich komme gerade noch die Treppen zum Haus hoch.» Weil er sich bereits kurz vor dem Pensionsalter befand, wurden die AHV-Abklärungen gestartet. «Ich bin deutscher Staatsbürger, darum sind die Abklärungen kompliziert.»

Kind wurde zunächst vom Sozialdienst seiner Wohngemeinde unterstützt – mit 2350 Franken im Monat. «Das hat gerade so gereicht», so der Rentner. In einem Brief warnte die Gemeinde aber, dass dies nur eine Übergangslösung sei, da die Miete für einen hiesigen Einpersonen-Haushalt höchstens 500 Franken kosten darf. Kinds Miete beträgt aber 1250 Franken. Seit Mai erhält er eine AHV-Rente über gut 1600 Franken. «Weil meine Miete zu hoch ist, kriege ich keine Ergänzungsleistungen.»

Er habe bereits versucht, eine günstigere Wohnung zu finden. «Aber für 500 Franken – das ist fast unmöglich.» So habe er auch seinem Vermieter angeboten, die Werkstatt sowie die Wohnung im EG zu räumen und nur die kleinere Wohnung im ersten Stock für die 500 Franken zu mieten. «Doch der will davon nichts wissen. Der will mich einfach so schnell wie möglich hier raus haben, damit er das Haus an Touristen vermieten kann.»

Tatsächlich hat Kinds Vermieter aktuell sechs Ferienwohnungen in der Region ausgeschrieben. Monatsmiete: zwischen 4000 und 13'000 Franken. 

Einen Monat für Umzug

Ende Juli schickte der Vermieter via Mail eine Kündigung: Kind soll per Ende August sein Zuhause verlassen. Zwar steht die einmonatige Kündigungsfrist in Kinds Vertrag, doch die gesetzliche Mindestkündigungsfrist von Mietwohnungen verlangt drei Monate.

Mittlerweile möchte Kind aber selbst so schnell wie möglich aus seinem Haus: «Nach allem, was passiert ist, fühle ich mich hier einfach nicht mehr wohl.» Zumal das Haus «eine Bruchbude» sei. Auch Blick sieht beim Besuch vor Ort alles andere als ein heimeliges Zuhause: nicht funktionierende Heizungen, eine kaputte Waschmaschine, Löcher in den Wänden, Schimmel im Keller und eine gemeingefährliche Treppe.

Das meiste sei so bereits vor seinem Einzug im Jahr 2020 gewesen, so Kind. «Mein Vermieter hat mich immer wieder vertröstet. Er hat wohl gehofft, dass ich die Sachen irgendwann einfach selber repariere.» Was er etwa bei den fehlenden Türen getan hätte. «Aber jetzt habe ich genug – sobald ich eine neue Wohnung finde, bin ich weg.»

Gert Kinds Vermieter hat auf eine Anfrage von Blick nicht reagiert.

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