Haben Sie sich in letzter Zeit auf eine Wohnung beworben? Wenn ja, sind Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit Opfer einer Datenschutzverletzung geworden. Bei einer Auswertung von Bewerbungsformularen für Wohnungen von 28 verschiedenen Immobilienverwaltungen, darunter einige der grössten der Schweiz, hat der Beobachter festgestellt: Kein einziges erfüllte vollständig die Anforderungen, die der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) festgelegt hat.
Da bei Wohnungsbewerbungen in grossem Stil Personendaten erfasst werden, hat der EDÖB dazu ein Merkblatt veröffentlicht. Er ist auch befugt, bei einer Datenschutzverletzung ein Verfahren zu eröffnen und rechtlich durchsetzbare Verfügungen zu erlassen.
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Sein Merkblatt ist somit relativ bedeutend – und darin heisst es: Die Daten, die erhoben werden, müssen «dazu geeignet sein, aufgrund von objektiven Kriterien eine geeignete Mieterschaft auszuwählen». Nach diesem Grundsatz sind viele vermeintliche Standardfragen auf Bewerbungsformularen unzulässig.
Fast alle Vermieter fragen nach dem Zivilstand
Von den 28 Verwaltungen, deren Formulare dem Beobachter vorliegen, fragen beispielsweise mit einer Ausnahme alle nach der Nationalität und fast alle nach dem Zivilstand. Rund die Hälfte fragt nach dem Heimatort und verlangt eine Ausweiskopie. Zwei Verwaltungen fragen auch ohne Grund nach der Konfession – eine Information, die zu den besonders schützenswerten Personendaten gehört.
Alle diese Fragen sind laut dem EDÖB unzulässig. Sie haben keinen Nutzen für den Auswahlprozess oder könnten durch weniger einschneidende Fragen ersetzt werden. Ausserdem bestehe teils Diskriminierungspotenzial.
Eine Ausweiskopie darf zwar verlangt werden, aber erst, «wenn die Bewerberin oder der Bewerber endgültig bestimmt ist und der Mietvertrag aufgesetzt werden soll».
Unzulässige Gebühren
Neben unerlaubten Fragen ist dem Beobachter ein weiteres Problem aufgefallen: 13 Verwaltungen verlangen auf ihren Formularen eine «Umtriebsentschädigung» von bis zu 200 Franken, wenn eine Bewerbung nach dem Einreichen des Formulars noch zurückgezogen wird.
Eine solche Gebühr ist rechtlich unzulässig und muss nie bezahlt werden – auch wenn das explizit im unterschriebenen Formular stand. Wer das nicht weiss oder bei einer Verwaltung künftig nicht schlecht dastehen möchte, dürfte eine solche Gebühr aber schnell einmal bezahlen.
Branchenverband sieht kein weitgehendes Problem
Dass die Vorgaben des EDÖB derart schlecht umgesetzt werden, erstaunt. Denn die neueste Version des Merkblatts wurde nach der Revision des Datenschutzgesetzes per September 2023 gemeinsam mit dem Schweizerischen Verband der Immobilienwirtschaft (SVIT) ausgearbeitet.
Auf Anfrage des Beobachters erklärt der Verband, es gebe keine «weitgehende» Missachtung der Vorgaben. Es gehe vielmehr um «einzelne Personendaten», die vor der Gesetzesrevision «absolut Datenschutzgesetz-konform abgefragt werden durften».
Die Anpassungen würden einfach mehr Zeit in Anspruch nehmen als erwartet, so der Verband weiter. Der Datenschutz habe in letzter Zeit «richtigerweise» an Bedeutung gewonnen, und man erwarte, dass die im Juni veröffentlichte «Branchenempfehlung» in den nächsten Monaten bei den Mitgliedern Wirkung zeigt.
Der EDÖB dagegen weist darauf hin, dass er bereits vor der Gesetzesrevision seit langem sehr ähnliche Empfehlungen publiziert hatte. Da er damals noch keine rechtlich durchsetzbaren Verfügungen erlassen konnte, hatten seine Empfehlungen für die Branche einen weniger verbindlichen Charakter als das heutige Merkblatt.
Streitpunkt Nationalität
Die Datenschutzverletzungen, die dem Beobachter vorliegen, mögen zwar im Einzelnen eher geringfügig sein. Dass abgefragte Daten ernsthafte Konsequenzen haben können, zeigt sich aber bei der Frage nach der Nationalität – der einzige Punkt, in dem sich der SVIT und der EDÖB bis heute uneinig sind.
Der Branchenverband hält die Frage für zulässig, da «der Vermieter ein glaubhaftes Interesse daran hat, feststellen zu können, ob es in einer Liegenschaft aufgrund unterschiedlicher Nationalitäten zu Konflikten kommen könnte». Der Datenschützer hingegen sieht in der Frage Diskriminierungspotenzial.
Dass die Befürchtung des EDÖB berechtigt ist, zeigt eine Studie des Bundesamts für Wohnungswesen aus dem Jahr 2019. In einem Experiment mit über 11'000 fiktiven Bewerbungen zeigte sich, dass Personen mit kosovarischen oder türkischen Namen um drei und fünf Prozent tiefere Chancen für eine Einladung zur Wohnungsbesichtigung hatten.
Was können Mieterinnen tun?
Mieterinnen und Mieter haben bei unerlaubten Fragen begrenzte Möglichkeiten. Wer die Fragen nicht beantwortet, könnte schlechtere Chancen haben. Beim Mieterinnen- und Mieterverband Schweiz rät man deshalb: Lügen Sie zur Not!
Der Verband ist der Ansicht, dass man bei unzulässigen Fragen keine oder eine falsche Angabe machen darf und deswegen keine rechtlichen Konsequenzen zu befürchten hat. Das bestätigt auch das Beobachter-Beratungszentrum.
Dokumente wie die ID dürfe man aber auf keinen Fall fälschen. Ansonsten bleibt Mieterinnen nur, die Fragen trotzdem zu beantworten und beim EDÖB einen Datenschutzverstoss anzuzeigen. Der Datenschützer dürfte die Immobilienverwaltung dann zunächst verwarnen, könnte, wenn nötig, aber auch eine Verfügung erlassen. Für eine Anzeige beim EDÖB gibt es grundsätzlich keine Frist, sie kann also auch nach Ende des Bewerbungsprozesses noch gemacht werden.