Auf einen Blick
- 74-jähriger Rentner arbeitet im Hotel, um Leere nach dem Tod seiner Frau zu füllen
- Fredy Schmid unterstützt Küchenpersonal und gibt auch Tipps zur Verbesserung
- Zwei weitere Rentner chrampfen ebenfalls im Hotel, sie sind pünktlich und nie krank
Jeden Donnerstag und Freitag geht Fredy Schmid aus Reckingen VS pünktlich zur Arbeit. An diesen beiden Tagen chrampft er in der Küche des Hotels Glocke, ein paar Meter neben seinem Haus. Speziell daran: Fredy Schmid hat sein Arbeitssoll eigentlich längst hinter sich. Er ist 74 Jahre alt, ein Pensionär, der jedes Recht hat, es gemütlich angehen zu lassen.
Trotzdem arbeitet Schmid, 10 Stunden die Woche! Aber nicht, weil die Rente nicht reicht. Jahrzehnte lang hat der Gesundheitsfachmann in verschiedenen Positionen am Oberwalliser Spital gearbeitet, er ist versorgt. Schmid will arbeiten, hat sogar darum gebeten, im Hotel eingestellt zu werden.
Die Leere füllen
Der Hintergrund für Schmids zweite, späte Karriere ist tragisch. Vor vier Jahren stirbt seine Frau, nach langer schwerer Krankheit. Schmid hat sie lange und intensiv gepflegt. Der Tod der geliebten Partnerin hinterlässt eine grosse Leere im Leben des Rentners. Ihm fehlt der Kontakt zu Menschen, der Sinn im Leben. «Ich habe meine Leben lang immer gearbeitet, eine Aufgabe zu haben war mir immer sehr wichtig. Also lag es nahe, wieder etwas zu schaffen», sagt Schmid zu Blick.
Schmid macht auf die Suche nach einem neuen Arbeitgeber. Die Kriterien: nichts im Gesundheitswesen und keine Verantwortung. «Davon hatte ich in meinem Leben genug», sagt der Pensionär und lacht.
Fündig wird er bei Sebastian Schmid (42), dem Gastgeber des Hotels Glocke. Der Hotelier erinnert sich: «Ich fand die Idee toll, und weil ich Fredy schon lange kenne, habe ich ihn eingestellt.» Wenig später steht Fredy Schmid in der Küche des Hotels, unterstützt das Küchenpersonal.
Beste Voraussetzungen
Grossartig eingearbeitet werden muss der Rentner dafür nicht. Er sagt: «Ich habe immer schon leidenschaftlich und viel gekocht, auch für grössere Gesellschaften.» Sein Chef bestätigt: «Fredy wusste von Anfang an, was zu tun ist. Manchmal gibt er sogar Tipps, wie gewisse Arbeitsabläufe verbessert werden können. Er ist eine echte Bereicherung für das Team.»
Vor allem freut sich Gastgeber Sebastian Schmid, er ist nicht verwandt mit Fredy Schmid, darüber, dass der Pensionär so flexibel einsetzbar ist. Der 74-Jährige ist ein sogenannter «Spitzen-Brecher». «Wenn es besonders hektisch ist, ist Fredys Arbeit von grossem Wert.»
Der Pensionär bekommt im Gegenzug «eine sinnvolle Beschäftigung» und den Kontakt mit anderen Menschen. Beispiel mit dem 17-jährigen Kochlehrling. «Ich geniesse das sehr», sagt Fredy Schmid. «Dank meiner Lebens- und Berufserfahrung bin ich oftmals der ruhende Pol im hektischen Küchenalltag.» Wichtig ist aber, dass es sich bei seinem Engagement nicht um einen Frondienst handelt. «Ich habe einen Arbeitsvertrag und werde entsprechend bezahlt.»
Ein Modell für die Zukunft
Pensionär Fredy Schmid hat sich im Hotel Glocke so gut bewährt, dass Gastgeber Sebastian Schmid das Engagement der Rentner ausgeweitet hat. Inzwischen sind zwei weitere eigentlich pensionierte Männer für das Hotel tätig. Der Hotelier betont die Vorteile von Pensionären im Team. «Sie sind immer pünktlich, fast nie krank und fehlen fast nie. Ich kann dieses Modell meinen Branchenkollegen nur empfehlen.»
Fredy Schmid erklärt, woran das liegt. «Wir müssen nicht arbeiten, wir dürfen. Das macht einen riesigen Unterschied. Ich freue mich auf jeden Arbeitstag, denn ich arbeite, um etwas Sinnvolles zu tun und nicht, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen.»
Der Neo-Küchenhelfer hofft, dass andere Betriebe dem Beispiel des Hotels Glocke folgen. «Wir Rentnerinnen und Rentner haben ein unglaubliches Potenzial. Eines, das leider viel zu oft noch ungenutzt bleibt», sagt er.