Immo-Tragbarkeit nach 65 – Experte klärt auf
«Übergang ins Rentenalter für Eigenheim-Besitzer ist problematisch»

Romain Dequesne, Geschäftsführer von Resolve, sagt im cash-Interview, was die optimale Hypothek beinhaltet. Er stellt fest, dass zentrale Fragen bis zum Vertragsabschluss oft nicht gestellt werden. Und dass der Übergang ins Rentenalter grosse Probleme mit sich bringt.
Publiziert: 21.10.2024 um 19:41 Uhr
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Aktualisiert: 21.10.2024 um 20:09 Uhr
Romain Dequesne ist seit 2020 Geschäftsführer des Immobilienfinanzberaters Resolve.
Foto: Resolve
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Luca Niederkofler
Cash

Herr Dequesne, auf der Resolve-Webseite schreiben Sie, dass die optimale Hypothek so viel mehr ist, als nur der Zins. Was heisst das?
Romain Dequesne: Wenn man über 20 oder 30 Jahre rechnet, sind zwar die Zinssätze ein wichtiger Bestandteil der Gesamtrechnung, aber die Punkte Amortisation, Schuldenstruktur und der Steuereinfluss sind mindestens genauso wichtig. Bei einem durchschnittlichen Objektwert von 1,2 Millionen Franken und einer Hypothek von 1 Million Franken macht der Unterschied zwischen der besten und schlechtesten Hypothek vielleicht 30 Basispunkte pro Jahr aus - das sind etwa 4’000 Franken pro Jahr. Bei einer unvorteilhaften Steuerstruktur und falscher Amortisation spielen diese 4’000 Franken aber eine untergewichtete Rolle.

Wie meinen Sie das?
Einerseits hat die Höhe der Belehnung einen Effekt auf die Steuersituation. Bei einer vorteilhaften Strukturierung des Vermögens können bis zu 90 oder sogar 95 Prozent des Objektwerts belehnt werden. Andererseits hat dies im Zusammenhang mit einer optimierten Amortisation auf die lange Dauer einen spürbaren Effekt auf die Steuern. De facto wäre dann eine Hypothek mit einem Zinssatz von 1,7 Prozent wesentlich günstiger als eine mit einem Zinssatz von 1,3 Prozent. Doch nicht alle Banken bieten alle Möglichkeiten an. Hier kommen wir ins Spiel. Wir prüfen die individuelle Ausgangslage des Kunden punkto Einkommen, Lebenssituation, Liegenschaft, Vermögen und Schulden und erarbeiten die in der Gesamtheit vorteilhafteste Finanzierungslösung mit in Frage kommenden Banken aus. Gleichzeitig machen wir für den Kunden eine Risikoanalyse.

Artikel von «Cash.ch»

Dieser Artikel wurde erstmals auf «Cash.ch» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.cash.ch.

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Auf was bezieht sich diese Risikoanalyse?
Für uns ist nicht nur der Zinssatz ein Thema, sondern wir sprechen zuerst über eine Vielzahl anderer Punkte. Die meisten Menschen arbeiten extrem viele Jahre, um sich eine Liegenschaft kaufen zu können. Und die Frage, was passiert, wenn plötzlich von beispielsweise einem Paar, einer nicht mehr arbeitet oder nicht mehr da ist, wird vielfach nicht thematisiert. Die Antwort auf diese Frage lautet leider zu oft: Nein, die Immobilie ist nicht mehr tragbar. Und dann klopfen die Banken an. Es geht deshalb um viel mehr als nur über die Zinssätze - nämlich um Finanzoptimierung, Steueranalyse und Risikoanalyse. 

Sie werben mit dem von Ihnen entwickelten Algorithmus die beste Finanzierungslösung herauspicken zu können. Wie sie aber selbst sagten, ist das Finanzierungsgeschäft extrem individuell …
Resolve ist keine Plattform. Wir haben zwar alle Kriterien von allen Ländern und wissen damit, wie sich die unterschiedlichen für die Hypothekarvergabe relevanten Kriterien im Zeitverlauf ändern - jedoch ist vieles situationsspezifisch und verhandlungsbedingt. Wir überbrücken einerseits das Automatisierte zum Individuellen. Nachdem unser Algorithmus eine Auswahl der geeignetsten Optionen für den jeweiligen Kunden retourniert, befassen sich unsere Kundenberater im Durchschnitt mit bis zu 40 Stunden pro Dossier, um die beste Gesamtlösung zu erarbeiten.

Wie schätzen Sie die Lage im Immobilienbereich ein?
Wir sind keine Immobilienbewerter und wollen es auch nicht sein. Ich kann deshalb keine Angaben zu der Höhe der Immobilienpreise machen. Worüber ich hingegen eine Aussage machen kann, sind die Volumen. Bis vor einiger Zeit war es im Raum Zürich typisch, Immobilien via ein Bieterverfahren zu verkaufen. Heute sind wir wieder eher bei der Situation, wo der ausgeschriebene Verkaufspreis am Ende der Transaktionspreis ist.

Die SNB hat kürzlich die Leitzinsen das dritte Mal in Folge gesenkt. Wie geht es weiter?
Im Vergleich zu anderen Märkten sind die Zinsen in der Schweiz unglaublich attraktiv. In Amerika zahlt man heute acht Prozent, in Frankreich oder in Deutschland sind die Hypozinsen bei etwa drei bis vier Prozent. Gleichzeitig glaube ich, dass der kurze Zinssprung in der Schweiz in Richtung von drei Prozent und jetzt zurück auf 1,3 bis 1,5 Prozent für eine zehnjährige Hypothek viele Schuldner zurück auf den Boden der Tatsachen gebracht hat. Heute sagt niemand mehr, dass Zinsen bei 0,4 Prozent normal sind. Diese Realisierung und gleichzeitige Zinssenkung hat extrem viel geholfen, um das Transaktionsvolumen wiederzubeleben. Weitere Zinssenkungen dürften meiner Meinung nach weniger starke Implikationen haben. Viele Kunden sind heute halb im Saron und halb in fixen Laufzeiten. Da die Hypozinsen auf diesem Niveau vielmehr durch die Margen beeinflusst werden, dürfte der künftige Effekt klein sein.

Denken Sie, dass es überhaupt noch Marktkorrekturen wie in den 90er bis 2000er Jahren am Schweizer Immobilienmarkt geben kann?
In den primär als Wohnsitz genutzten Liegenschaften - nein. In den Renditeliegenschaften vielleicht und bei den Ferienwohnungen in einigen weniger attraktiven Lokalitäten - ja, sehr wohl. Denn es gibt St. Moritz und es gibt die anderen. Das Premiumsegment bleibt, wo es ist. In weniger attraktiven Ferienorten ist dies nicht der Fall. Dort sehen wir in einigen Fällen, dass, wenn verkauft werden muss, nur mit Preisreduktionen verkauft werden kann. 

Für viele Eigentümer ist der Übergang ins Rentenalter ein zentrales Ereignis. Viele Sorgen sich um die Finanzierungsberechnungen und die Tragbarkeit des eigenen Heims.
Es ist wirklich problematisch. Wir haben mehrere Dossiers gesehen, wo die Tragbarkeit des Kunden nicht mehr gegeben war. Wir haben jedoch mit ihnen eine Lösungsstruktur gefunden, bei der sie nicht gezwungen waren, die Liegenschaft zu verkaufen. So haben wir beispielsweise Finanzierungsstrukturen mit den eigenen Kindern gefunden oder mit einem unserer Partner ein Viagé-Angebot entwickelt. Aber auch durch Abparzellierungen oder Teilverkäufe konnten wir die Notlage dieser Personen lösen. Resolve-Kunden werden jedoch nie in eine solche Situation kommen. In jedem unserer Beratungsprozesse überprüfen wir, dass die Tragbarkeit auch bis nach der Pension gegeben ist. Damit es nie so weit kommt, definieren wir die Höhe der zu leistenden Amortisation bis zur Rente. Sollte ein Kunde beim Zeitpunkt des Liegenschaftenkaufs mit Sicht auf die Rente über zu viele Schulden verfügen, weil beispielsweise zu wenig Amortisiert wird, weisen wir den Kunden immer darauf hin.

Romain Dequesne ist seit vier Jahren Geschäftsführer des Immobilienfinanzberaters Resolve. Resolve ist der grösste unabhängige Finanzberater in der Schweiz und hat vergangenes Jahr Finanzierungen für rund 930 Millionen Franken für ihre Kunden vermittelt. Er hat das Unternehmen von sieben auf heute 50 Mitarbeiter aufgebaut. Im Oktober lancierte das Unternehmen das erste landesweite Weiterbildungsprogramm, um den Fachkräftemangel bei den Finanzierungsberatern zu adressieren. Zuvor war Dequesne 15 Jahre bei McKinsey, wo er zuletzt als Partner in Frankreich, USA und auch der Schweiz tätig war. 

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