Darum schmelzen die Gletscher davon
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Trockene Winter, heisse Sommer:Darum schmelzen die Gletscher davon

Identifizierung steht noch aus
Der Stockji-Gletscher gibt Leiche frei

Verschwunden, vermisst, verschollen – durch die Hitze schmilzt das Eis der Gletscher aktuell so stark, dass letzte Woche nebst einem Flugzeugwrack auch ein Skelett zum Vorschein gekommen ist. Im Wallis wird nun gerätselt: Handelt es sich um den vermissten Milliardär?
Publiziert: 08.08.2022 um 00:07 Uhr
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Aktualisiert: 08.08.2022 um 18:29 Uhr
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Auf dem Stockji-Gletscher bei Zermatt VS ist ein menschliches Skelett aufgetaucht.
Foto: Luc Lechanoine
Luisa Ita

Der Stockji-Gletscher bei Zermatt VS hat ein menschliches Skelett freigegeben. Seit der Meldung am Mittwoch wird in der Region spekuliert: Könnte es sich beim Gletscher-Toten um den verschollenen deutschen Unternehmer Karl-Erivan Haub handeln?

Handelt es sich um Milliardär?

Seit April 2018 wird der deutsche Milliardär und Ex-Tengelmann-Chef vermisst. Zuletzt wurde er in Zermatt gesehen. Bei der Kantonspolizei Wallis heisst es auf Blick-Anfrage, die Identifizierung der menschlichen Überreste sei noch nicht abgeschlossen. Gemäss ersten Erkenntnissen dürfte das Skelett bereits etwas älteren Datums sein, doch abschliessend könne man das noch nicht sagen. Wann der Befund vorliegt, sei offen.

Nebst Haub gibt es weitere Menschen, die im Kanton Wallis spurlos verschwunden sind. Die Liste umfasst auf der Website der Kantonspolizei ganze drei Seiten. Vom schweizerisch-amerikanischen Doppelbürger Matthew Nisly (damals 20) beispielsweise fehlt seit dem 19. Oktober 2015 jede Spur: Er habe die Wohnung seiner Grosseltern gegen 10 Uhr morgens für eine Wanderung in der Region Blatten-Belalp VS oder Naters VS verlassen, sei aber nie wieder zurückgekehrt.

Angehörige möchten Gewissheit

«Das war ganz schlimm für seine Grosseltern», sagt jemand aus dem Umfeld der Familie zu Blick. «Wenn man Matt zumindest gefunden hätte, dann hätten sie damit abschliessen können. Aber so mussten sie die Ungewissheit ertragen.» Unterdessen seien die Grosseltern beide verstorben – ohne Gewissheit.

Dass es sich beim jüngsten Fund um die sterblichen Überreste des jungen Mannes handelt, dürfte aufgrund seiner damaligen Wanderpläne allerdings eher unwahrscheinlich sein.

Verschollener Deutscher oder vermisste Japanerin?

Der Deutsche Alfred Schmitt (49) verschwand am 24. August 2001: Er beabsichtigte, von der Theodulhütte aus das Breithorn zu besteigen. In der Hütte wurde er letztmals gesehen. Von dort aus bis zum Stockji-Gletscher sind es zu Fuss rund 16 Kilometer – womöglich eine realistische Strecke für eine Wanderung. Ob es sich beim gefundenen Skelett um den vermissten Wanderer handelt?

Die Knochen könnten auch von der vermissten Japanerin Junko Sato (28) stammen. Die junge Frau hatte schon Finnland, Schweden, Dänemark, die Tschechische Republik, die Slowakei und Österreich bereist, als sie Mitte September 2000 verschwand. Sie soll von der Jugi Zermatt allein zu einer Bergtour aufgebrochen und nie wieder zurückgekehrt sein.

Gletscherschmelze förderte auch Flugzeugwrack zutage

Alle diese Menschen haben Angehörige, die seit vielen Jahren trauern – und vermutlich immer noch ein Quäntchen Hoffnung hegen, ihre Liebsten irgendwann wieder in die Arme schliessen oder sich zumindest richtig von ihnen verabschieden zu können. In den letzten Tagen dürfte die Hoffnung zusätzlich aufgekeimt sein: Die Hitzewelle lässt das Eis der Gletscher schneller schmelzen und gibt frei, was es seit vielen Jahren begraben hatte.

So kamen vergangene Woche nebst dem Skelett vom Stockji-Gletscher auch Teile eines Kleinflugzeugs auf dem Aletschgletscher zum Vorschein. Ein Bergführer hat das Wrack im Bereich des Konkordiaplatzes entdeckt. «Von weitem dachte ich, es handle sich um zwei Rucksäcke», sagt Dominik Nellen (38). Bei der Maschine handelt es sich um ein Piper-Flugzeug, mit dem 1968 drei Zürcher abgestürzt sein sollen.

Hitzewelle lässt Gletscher viel rascher schmelzen

Der Glaziologe Loris Compagno (29) von der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie der ETH Zürich und der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) bestätigt Blick: «Aufgrund der Hitzewelle schmilzt der Gletscher aktuell viel stärker und gibt Objekte somit natürlich auch schneller wieder frei.»

Normalerweise sei frühestens im September so viel Eis abgeschmolzen, wie jetzt bereits bei den Messungen Ende Juli schon zerflossen gewesen sei. Der Doktorand erklärt: «Im Gletscher verschwundene Objekte können unter diesen Bedingungen mehrere Wochen oder sogar Monate früher als normal wieder zum Vorschein kommen.»

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