Forschungsteam berichtet
Anhaltende Gletscherschmelze wird Hunderte neue Seen hervorbringen

In der Schweiz könnten sich in diesem Jahrhundert über 600 neue Gletscherseen bilden. Fast die Hälfte davon verschwindet bis im Jahr 2100 allerdings vollständig, weil Erosionsmaterial die Seen wieder auffüllen wird.
Publiziert: 15.07.2022 um 09:06 Uhr
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Aktualisiert: 15.07.2022 um 11:48 Uhr
Am Ende des Rhonegletschers ist bereits ein neuer See entstanden. (Archivbild)
Foto: URS FLUEELER

Das berichtet ein Forschungsteam um den Glaziologen Daniel Farinotti von der ETH Zürich und der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) im Fachmagazin «Earth Surface Dynamics». Die Wissenschaftler berechneten beruhend auf der gemessenen Eisdicke der Gletscher, dass potenziell 683 Seen mit einer Fläche von mehr als 5000 Quadratmeter und einer Tiefe von mehr als fünf Metern entstehen könnten - allerdings nur, wenn die Gletscher hierzulande gänzlich abschmelzen würden. Hauptsächlich im Einzugsgebiet der Rhône würden sich die neuen See befinden.

Szenarien abhängig vom Klimaschutz

Um die Zahl und Fläche der künftigen Gletscherseen realitätsnäher abzuschätzen, stützten sich die Forscher auf Emissionsszenarien, die von einer globalen CO2-Neutralität ab 2050 ausgehen sowie von Hochemissionsszenarien, bei denen nur wenig gegen den Klimawandel getan wird.

Demnach zeigte sich, dass bis Ende des Jahrhunderts 380 neue Gletscherseen entstehen könnten, wenn strenge Klimaschutzmassnahmen ergriffen werden. Bei dem pessimistischen Szenario wären es 655 Seen. Durch Sedimentation würden jedoch nach und nach fast die Hälfte der Seen bis 2100 wieder vollständig verschwinden.

Chancen und Risiken neuer Seen

Eine im vergangenen Jahr erschienene Studie unter Leitung des Wasserforschungsinstituts Eawag zeigte, dass seit der kleinen Eiszeit in der Schweiz rund 1200 neue Gletscherseen entstanden sind. Davon gab es etwa tausend Seen im Jahr 2016 noch, die anderen wurden wieder mit Sedimentmaterial aufgefüllt.

Neue Gletscherseen bergen gemäss den Forschern sowohl Chancen als auch Risiken. Zum einen können in und um sie wertvolle Ökosysteme entstehen, was in Konflikten zwischen Naturschutz und der wirtschaftlichen Nutzung von Wasserkraft münden könnte. Zum anderen können Seen ausbrechen und für Überflutungen bis in die Talregionen sorgen. Deshalb erfordere die grosse Zahl potenziell neuer Seen ein Nachdenken über die künftige Rolle und Auswirkungen der Gewässer, schreiben die Autoren.

Erst kürzlich warnte die Gemeinde Lenk BE vor der Gefahr von Hochwasser und Springfluten in Trübbach und Simme. Grund dafür war, dass der See auf dem Plaine-Morte-Gletscher sich zu entleeren begann. Die Gletscherseen auf der Hochebene der Plaine Morte halten die Behörden seit einigen Jahren auf Trab, vor allem der sogenannte Favergesee. Sobald dieser eine kritische Schwelle erreicht, kommt es zu einer spontanen Entleerung.

(SDA)

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