In der Westschweiz wirft ein Sorgerechtsstreit derzeit hohe Wellen. Der Traum einer Familie trotz fehlendem Partner führt eine Frau (39) aus dem Waadtland nach Dänemark. Dort ist es Single-Frauen erlaubt, sich mittels Samenspende künstlich befruchten zu lassen, im Gegensatz zur Schweiz. Nach fünf Jahren wird die Frau endlich schwanger. Doch im siebten Monat kommt es zu Komplikationen – das Baby wird per Notfallkaiserschnitt frühzeitig zur Welt gebracht und verbringt die ersten Tage im Brutkasten.
Nach dem Kaiserschnitt treten Unstimmigkeiten mit dem Pflegepersonal und den Hebammen auf. Diese kritisieren etwa die Art und Weise, wie die Mutter das Baby hält. Eine Psychiaterin weist zudem auf mögliche psychische Probleme der Mutter hin, da sie kaum Emotionen gegenüber ihrer Tochter zeige. Die Kritik wird von einem Ärzteteam, das auf Fälle von Kindesmissbrauch und Vernachlässigung spezialisiert ist, bestätigt. Es meldet den Fall der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb). Wie die Zeitungen von CH Media, denen Gerichtsakten zum Fall vorliegen, berichten, entzieht die Kesb der Single-Mutter daraufhin das Sorgerecht und platziert das Baby zuerst notfallmässig in der Säuglingsstation und schliesslich in einem Kinderheim.
Besuche einmal wöchentlich unter Aufsicht
Die Mutter darf das Kind nur einmal wöchentlich für anderthalb Stunden unter Aufsicht besuchen. Dagegen wehrt sich die Frau auf rechtlichem Weg durch alle Instanzen. Bald muss sich das Bundesgericht mit dem Sorgerechtsstreit befassen.
Der Entzug des Sorgerechts so kurz nach der Geburt ist ungewöhnlich. Babys werden normalerweise nur bei schweren Suchtproblemen oder starken psychischen Problemen der Mütter direkt nach der Säuglingsstation in einem Heim platziert. Die 39-Jährige betont, sie nehme keine Drogen und trinke nicht. Ausserdem erhalte sie Unterstützung von ihrer Schwester und von ihren Eltern. Auch ein Psychiater, der ein Gutachten im Auftrag der Mutter erstellt hat, plädiert dafür, ihr das Sorgerecht zu gewähren: Dass eine Mutter nach einer traumatischen Geburt mit ihrem Kind fremdle, sei ein bekanntes Phänomen.
«Fremdplatzierung immer der letzte Ausweg»
In den Augen der Behörden hat die Mutter Schwierigkeiten, angemessen für das Baby zu sorgen. Die Hilfe durch ihre Familie allein reiche nicht aus. Manon Schick, Chefin der Waadtländer Direktion für Kindesschutz, will sich in einem Beitrag von RTS mit Verweis auf das Amtsgeheimnis nicht zum konkreten Fall äussern. «Eine Fremdplatzierung ist immer der letzte Ausweg», stellt sie jedoch allgemein fest. Ihre Botschaft: Die Kesb handelt zum Wohl der Kinder.
Die Single-Mutter äussert sich gegenüber der Zeitung «24 heures» über den Sorgerechtsstreit: «Es ist unmenschlich, dass man mir mein Kind weggenommen hat.» Schuld an der ganzen Geschichte ist der Frau zufolge eine Hebamme. Diese habe sich ihr gegenüber feindselig verhalten und die Samenspende negativ beurteilt.