Seine Anhänger mussten sich 18 Monate lang gedulden. Dann aber, nach einer ausgedehnten Sendepause, veröffentlichte «Q», der anonyme Anführer der rechtsextremen Verschwörungsbewegung QAnon in den USA, im Juni plötzlich fünf neue Nachrichten. Wer steckt hinter diesen Posts?
Laut den Algorithmen des Walliser Start-ups Orphanalytics deutet alles auf Ron Watkins als Absender hin. Der 35-Jährige Verfechter der QAnon-Theorie hatte sich im August bei einer republikanischen Vorwahl in Arizona um einen Sitz im Kongress beworben. Da die Zwischenwahlen in wenigen Wochen stattfinden – und auch Ex-Präsident Donald Trump immer wieder seine Nähe zu «Q» andeutet –, könnte diese Information im Wahlkampf eine Rolle spielen.
Drei Jahre lang überschwemmte «Q», hinter dem sich ein hochrangiger US-Beamter oder Militärangehöriger zu verbergen schien, das Internet mit verschwörungstheoretischen Wahnvorstellungen, vielfach waren diese sogenannten Drops auffallend rätselhaft formuliert. Viele Anhänger von «Q» glauben, in Washington gebe es einen Staat im Staat, in dem Demokraten – darunter Joe Biden – im Namen Satans Kinder vergewaltigen und ihr Blut trinken. Donald Trump sei der Messias, der geschickt wurde, um aufzuräumen.
Ab Dezember 2020 verstummte «Q» urplötzlich nach dem 4953. Drop. Er kommentierte nicht einmal den Sturm aufs Kapitol am 6. Januar 2021, an dem viele seiner Groupies teilnahmen, weil sie dachten, dies sei in seinem Sinne.
Immer mehr Anhänger von «Q»
Im Jahr 2021 glaubten laut dem Public Religion Research Institute 16 Prozent der Amerikanerinnen und Amerikaner an die Theorie von QAnon. In der republikanischen Wählerschaft betrug dieser Wert sogar 25 Prozent. Weder Trumps Abwahl noch das Schweigen von «Q» schwächten die Bewegung.
Am 24. Juni 2022 meldete sich der mysteriöse Agitator wieder – auf der rechtsradikalen Website «8kun». Dass die geheimnisvollen Botschaften wie «Shall we play a game once more?» («Wollen wir wieder ein Spiel spielen?») oder «Remember your oath» («Erinnere dich an deinen Eid») von «Q» stammen, daran gibt es für seine Fans keinen Zweifel.
Die wahre Frage ist vielmehr, wer «Q» wirklich ist. Dieser Punkt ist angesichts der bevorstehenden Parlamentswahlen am 8. November hochaktuell. Die Republikanische Partei wird versuchen, im Kongress wieder die Oberhand zu gewinnen. Laut dem linksgerichteten Forschungszentrum Media Matters for America kandidieren auf ihren Listen mindestens 15 QAnon-Anhänger.
September 2022: Donald Trumps Treuepflicht
Pikant ist, dass Donald Trump diese antidemokratische Bewegung, die laut FBI ein terroristisches Risiko darstellt, immer offener unterstützt. Am 13. September veröffentlichte der abgewählte Präsident auf seinem Netzwerk Truth Social ein manipuliertes Foto, das ihn mit dem Buchstaben Q auf dem Revers seines Jacketts zeigte.
Wem schwört der ehemalige Staatschef, der in Rechtsstreitigkeiten verwickelt ist, die seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2024 gefährden, da die Treue? Wer steckt hinter den letzten Nachrichten mit der Unterschrift «Q»? Stammen die Drops vom gleichen Autor wie die zuvor veröffentlichten? Und ist es wirklich immer ein und dieselbe Person?
SonntagsBlick fragte ein Walliser Start-up, das sich für dieses Thema interessiert und dessen Algorithmen und künstliche Intelligenz es ermöglichen, mit grosser Genauigkeit zu erkennen, wer sich hinter einem Text verbirgt, selbst wenn der nicht mehr als 50 Zeichen lang ist.
Claude-Alain Roten ist der Gründer von Orphanalytics. Er möchte nicht, dass sein Wohnort bekannt wird, da die extremistische Q-Bewegung auch in der Schweiz Ableger hat. Am 27. September zeigt er in seinem Wohnzimmer, wie er seine Berechnungen durchführt. «Das ist keine Zauberei. Sehen Sie: Ich habe die letzten Drops ins System eingegeben, das sie mit den Texten von sechs Leuten vergleicht, die die US-Presse als Verdächtige identifiziert hat.»
Die erste Sternstunde von Orphanalytics
In weniger als einer Minute erscheinen die Ergebnisse in Form von farbigen Grafiken. «Die letzten fünf Nachrichten von ‹Q› erscheinen in Rot. Bei uns entspricht diese Farbe Ron Watkins. Wir haben eine Genauigkeit von 92 Prozent.»
Ron Watkins, so heisst der Sohn von Jim Watkins, einem Internet-Porno-Produzenten, Gründer des Online-Kanals «8kun», früher «8chan», in dem die Mitteilungen von «Q» seit Anfang 2018 erschienen. Der 30-jährige Ron arbeitet zwar seit November 2020 offiziell nicht mehr dort, kandidierte aber bei der republikanischen Vorwahl für die Kongresswahlen in Arizona. Am 2. August 2022 belegte er den letzten Platz.
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Orphanalytics war bereits im Februar 2022 auf Atkins aufmerksam geworden. Damals enthüllten Roten und sein Team zusammen mit französischen Wissenschaftlern der Ecole des Chartes für die «New York Times» die Identität der beiden Autoren, die sich bis Dezember 2020 hinter dem Kürzel «Q» versteckt haben sollen: der südafrikanische Journalist Paul Furber und Ron Watkins.
Wörter wie Mikroben analysieren
Für seine Analysen verwendet Orphanalytics die Stylometrie, eine präzise statistische Methode, um Schreibstile zu vergleichen. Da jeder Mensch seine eigene Art zu schreiben hat, tragen selbst anonyme Texte so etwas wie eine Unterschrift, die kaum zu fälschen ist.
Dazu gruppiert der Algorithmus alle denkbaren Drei-Buchstaben-Strukturen, analysiert deren Häufigkeit und vergleicht die Daten mit anderen Texten. Künstliche Intelligenz berechnet dann den Grad der Ähnlichkeit.
Detaillierte Ergebnisse ihrer Untersuchung veröffentlichen die Wissenschaftler von Orphanalytics am Sonntag auf ihrer Website, zeitgleich mit dem Erscheinen dieses Artikels.
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