Von Umweltschützern ausgebremst
Der Bund will Wolfsabschüsse wieder vornehmen können

Umweltschützer bringen mit ihren Beschwerden gegen den Abschuss von fünf Wolfsrudeln das Bundesamt für Umwelt in Verlegenheit. Versäumnisse in der Verwaltung haben den Jagd-Stopp wohl überhaupt erst ermöglicht.
Publiziert: 17.12.2023 um 00:19 Uhr
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Aktualisiert: 20.12.2023 um 09:27 Uhr
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Gegenstand heftiger Diskussionen: Die Regulierung der Wolfbestände beschäftigen jetzt nicht mehr nur die Politik, sondern auch die Gerichte.
Foto: Getty Images
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Lino SchaerenRedaktor

Am 1. Dezember begann in den Bergkantonen die grosse Abschussjagd auf Wölfe. Nur Tage später wurde die Offensive jäh ausgebremst: Mehrere Umweltverbände erwirkten mit Beschwerden beim Bundesverwaltungsgericht einen Stopp der Jagd auf fünf Rudel.

Die richterliche Gnadenfrist gilt damit für beinahe die Hälfte der zwölf Wolfsrudel, die das Departement von Umweltminister Albert Rösti (56) eliminieren will: drei im Wallis und zwei in Graubünden. Die aufschiebende Wirkung der Beschwerden verhindert, dass mit dem Abschuss von Tieren während des Verfahrens Tatsachen geschaffen werden.

Das Wallis und Graubünden wurden vom richterlich verordneten Halali überrumpelt. Der Erfolg der Umweltschutzorganisationen wirft ein schlechtes Licht auf das Bundesamt für Umwelt (Bafu). Recherchen zeigen jetzt: Das Departement von Rösti hat sich von den Verbänden übertölpeln lassen.

Dass sich Naturschützer gegen die Wolfsjagd wehren würden, war absehbar. Graubünden und Wallis sorgten deshalb vor und entzogen möglichen Beschwerden gegen Abschussverfügungen die aufschiebende Wirkung. Anders das Bafu: Das Bundesamt versuchte nicht einmal, solche Vorkehrungen zu treffen.

Keine Beschwerdefrist

Dort ging man davon aus, dass die Zustimmungen durch die Umweltverbände «nicht selbständig anfechtbar» sind. Deshalb gab es laut Bafu auch keine Beschwerdefrist. «Die Ausführung passiert mit einer Vollstreckungsverfügung auf Kantonsebene, entsprechend müssen die Beschwerdeverfahren dort geführt werden», sagt eine Sprecherin. Die Verbände hingegen betrachten die Bafu-Bewilligungen als Verfügungen. Gegen Verfügungen kann Beschwerde erhoben werden.

Der Schaden für die Behörden wurde mit dem Gang der Umweltschützer vor Gericht offensichtlich. «Ein solches Verfahren kann gut und gerne ein Jahr dauern», sagt Markus Schefer (58), Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Basel. Zeit, die das Bafu nicht hat: Die proaktiven Wolfsabschüsse sind per Gesetz nur bis Ende Januar zulässig.

Nun will das Bundesamt das Versäumte nachholen: Das Departement Rösti versucht, die aufschiebende Wirkung der Beschwerden im Nachhinein doch noch aufzuheben. Beim Bundesverwaltungsgericht wurde, wie das Bafu gegenüber Blick bestätigt, ein entsprechendes Gesuch gestellt. Das Ziel: Wildhüter und Jäger sollen noch in dieser Jagdsaison wieder Wölfe der fünf umstrittenen Rudel schiessen können.

Illegal geschossene Wölfe?

Das Verfahren könnte aber auch eine ganz andere Richtung nehmen. Tritt das Bundesverwaltungsgericht auf die Beschwerden ein, wären die Abschussbewilligungen des Bafu an die Kantone wohl noch nicht rechtskräftig. Was die Frage aufwirft, ob die bereits geschossenen Wölfe legal erlegt worden sind.

Auch Verwaltungsrechtler Markus Schefer stellt das infrage. «Mir scheint unklar, ob ein Abschuss vor Ablauf einer möglichen Beschwerdefrist überhaupt zulässig war.» Ihn stört, dass das Bafu die erteilten Bewilligungen bisher nicht veröffentlicht hat. «Gerade wenn ein Thema politisch derart aufgeladen ist, besteht ein grosses öffentliches Interesse daran, Klarheit über das Funktionieren der rechtsstaatlichen Verfahren zu haben.»

Die Umweltverbände betonen, sie wollten die Wolfsjagd nicht flächendeckend stoppen, bezweifeln aber, dass alle bewilligten Abschüsse von Rudeln gesetzeskonform sind. Sie versuchen nun, die rechtlichen Bedingungen zu klären. 

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