Sie wollen für den absoluten Notfall vorbereitet sein: Teile der mittlerweile national bekannten Freiheitstrychler wappnen sich offenbar für einen möglichen Kollaps des Versorgungssystems. Das erzählen die führenden Köpfe der Gruppe, die in den vergangenen Monaten vor allem auf Corona-Demos für Aufsehen sorgte, in einem Portrait im Magazin der «NZZ am Sonntag».
Darin geben die Trychler einen Einblick in ihre Lebensweise. Es geht dabei um die Pandemie und die Massnahmen der Regierung – aber nicht nur. Auch der vermutete mögliche Zusammenbruch des Wirtschafts- und Versorgungssystems spielt eine gewichtige Rolle.
«Dann kommt es zum grossen Gemetzel»
Die Freiheitstrychler sagen, dass Vorkehrungen getroffen wurden. So habe die Gruppe im ganzen Land Kühlcontainer verteilt, einige sogar unter der Erde vergraben. Darin gehortet seien mehrere Tonnen Lebensmittel und Wasser. Hinzu kämen 60 Tonnen Diesel und Notstromaggregate. «Aus der Geschichte muss man lernen», erklärt Andy Benz dieses Vorgehen. Er gilt als Anführer und Gründer der Freiheitstrychler.
Für ein anderes Mitglied der Glockenschwinger in den weissen Kutten ist zudem klar: «Wenn dereinst die Nahrungsmittelversorgung zusammenbricht, kommt es zum grossen Gemetzel.» Der Staat habe bereits bei der Beschaffung von Masken versagt, und zudem habe es keine Desinfektionsmittel mehr gegeben. «Wer sagt denn, dass es für immer Kartoffeln geben wird?», so eine andere Stimme der Trychler.
«Prepper»-ähnliches Verhalten
Die Angst vor dem Zusammenbruch. Sie rührt laut Psychologen vor der Angst, dass der Staat im Ernstfall nicht mehr handlungsfähig ist. Die «Prepper», wie sie genannt werden, sind gern auf alles vorbereitet. Sie entwerfen Katastrophenszenarien. Genau wie die Trychler. Auch sie glauben nicht, dass der Staat noch handlungsfähig ist. Das Vertrauen in die Behörden ist kaum vorhanden.
Selbst die Planung von Fluchtrouten gehört bei Preppern zum Alltag, berichtet der «Tagesspiegel». Die Überlebenskünstler verstecken ihre Notnahrung überall, verteilt in der ganzen Region oder gar im ganzen Land – aus Ungewissheit, in welche Richtung sie fliehen müssen. Auch die Trychler haben ihre Notvorräte im ganzen Land versteckt.
Solche Prepper-Verhaltensweisen gibt es schon lange. Schon während des US-Bürgerkriegs Mitte des 19. Jahrhunderts hatten Menschen in den Südstaaten Vorräte vergraben, um so auf das Schlimmste vorbereitet zu sein.
Ängste sind unbegründet
Tatsächlich kämpfte der Bund zu Beginn der Corona-Krise mit Versorgungsproblemen. Die Armeeapotheke war mit der Beschaffung überfordert.
Die Angst vor einem Zusammenbruch der Lebensmittelversorgung ist allerdings auf kurz- und mittelfristige Sicht unbegründet. Zwar kann es aufgrund von Katastrophen oder Einschränkungen auf den Transportwegen jederzeit zu Engpässen kommen. Vereinzelte Produkte können fehlen, die Grundversorgung ist aber stets gewährleistet. Das war auch zu Beginn der Corona-Krise der Fall, als es 2020 aus Angst vor Engpässen zu Hamsterkäufen gekommen war.
Für den Gau hat der Bund zudem sogenannte «Pflichtlager» eingerichtet. In diesen werden die notwendigsten Lebensmittel gelagert. So soll die Versorgung der gesamten Schweizer Bevölkerung während eines Zeitraums von bis zu vier Monaten gesichert werden. Während der Pandemie mussten diese Lager bisher nie angezapft werden.
Trychler-Chef schaffte sich kugelsichere Weste an
Andy Benz zeigt sich davon nicht überzeugt. Der Trychler-Chef sagt, er habe in Afrika erlebt, wie schnell das System kollabieren könne. Der 48-Jährige ist zudem sicher, dass sein Handy von der Polizei überwacht werde. Aus Angst vor möglichen Übergriffen legte er sich auch eine kugelsichere Schutzweste zu.
Ob die Angst vor einem Angriff begründet ist oder ob es sich um eine Verschwörungstheorie handelt, bleibt offen. Allerdings sorgten die Trychler erst vergangene Woche genau deshalb für Aufsehen. In einem Video griff die Gruppierung erstmals Verschwörungstheorien auf, unter anderem den «Great Reset».
Sozialwissenschaftler Marko Kovic (36) sagte nach der Veröffentlichung des Videos zu Blick: «Die Freiheitstrychler outen sich mit dem Video eindeutig als Verschwörungstheoretiker.» Zwar seien längst nicht alle Trychler diesen Theorien verfallen. Aber wer in der Schweiz glaube, er lebe in einer Diktatur, sei nur «wenige Schritte» von Verschwörungstheorien entfernt. (zis)