Väter haben kaum eine Chance
Warum es so viele Kuckuckskinder in der Schweiz gibt

In der Schweiz bleibt ein Mann trotz DNA-Beweis rechtlich Vater, wenn er die Vaterschaft nicht fristgerecht anficht. Wie veraltet die Gesetze sind, zeigt ein Fall eines Kuckucksvaters.
Publiziert: 24.06.2024 um 12:42 Uhr
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Ein Mann kämpft gegen die Vaterschaft in der Schweiz. Doch wegen veralteten Gesetzen hat er keine Chance. (Symbolbild)
Foto: imago/Westend61
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Johannes HilligRedaktor News

Sein Sohn sah nicht aus wie er, sondern hatte Ähnlichkeit mit einem Freund der Familie. «Ich zweifelte jahrelang, ob ich der leibliche Vater meines Sohnes bin», sagt ein Kuckucksvater, der anonym bleiben möchte, zum «Tages-Anzeiger». Inzwischen lebte der Mann getrennt von seiner Partnerin und Mutter des Kindes. Als der Sohn acht Jahre alt war, wurden die Zweifel immer grösser. Und der Mann wollte einen DNA-Test. Sie lehnte aber ab.

Das Ergebnis hätte juristisch auch nichts geändert. Denn es gibt bestimmte Fristen, in denen Väter gegen die Vaterschaft klagen können. Bevor das Kind fünf Jahre alt ist, müssen Männer vor Gericht. Danach wird es schwierig.

Biologisch auf keinen Fall der Vater, aber juristisch

Erst als sein Sohn 12 Jahre alt war, ging der Mann vor Gericht. «Vaterschaft ausgeschlossen», hiess es im darauffolgenden DNA-Test. Trotzdem gilt er weiterhin als Vater und steht im Zivilstandsregister. Eine Streichung wurde abgelehnt. Das Problem: Die Frist war längst verstrichen. 

Hinzu kommt, dass sein Sohn kein Interesse habe, zu wissen, wer sein leiblicher Vater ist. Und so entschied das Gericht, dass der Mann weiterhin juristisch als Vater gilt, selbst wenn es biologisch ausgeschlossen werden kann. 

800 Kuckuckskinder pro Jahr in der Schweiz

Das Verhältnis zwischen dem Mann und seinem «falschen» Sohn ist inzwischen zerrüttet. Kontaktabbruch. Der Kuckucksvater ist nicht allein mit seinem Schicksal in der Schweiz. 

«Nach Schätzungen sind 1 bis 4 Prozent aller Kinder, die in der Schweiz geboren werden, sogenannte Kuckuckskinder», sagt Jurist Martin Widrig zum «Tages-Anzeiger». Es geht dabei um mindestens 800 Kinder – pro Jahr. Und oftmals haben die Kuckucksväter kaum eine Chance, aus ihrer Vaterschaft juristisch herauszukommen.

Der Grund: Die Gesetze sind veraltet. Zuletzt gab es eine Änderung im Jahr 1976, also vor den DNA-Tests. Bis heute gilt: Der Ehemann ist automatisch der Vater. Die Politik weiss vom Problem. Eine Expertengruppe hat sich damit beschäftigt und hat bereits Empfehlungen ausgesprochen, um die Situation zu ändern. Konkret: Der Mann muss aktiv die Vaterschaft anerkennen. Inwiefern das auch umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Bis sich das Parlament damit beschäftigt, dauert es noch. Mindestens bis Herbst 2025, erklärt das Bundesamt für Justiz.

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