Es sah nach der grossen Liebe aus: Der Basler Jude David K.* (38) heiratete die französische Jüdin Sarah B.* (34). «Masel tov!» (viel Glück), rief die Hochzeitsgemeinde, als ein Rabbiner die beiden in Israel traute. Das war im Jahr 2020. Mittlerweile sind die Glücksgefühle verflogen: Das Paar ist getrennt. Sarah spricht von häuslicher Gewalt. Und David wirft dem Leiter der Basler Kesb Willkür und Amtsmissbrauch vor. Doch der Reihe nach.
2021 kam Benjamin* auf die Welt. 2022 besuchten sie Sarahs Eltern in Frankreich, der gemeinsame Sohn war mit dabei. Doch dann wollte die Mutter nicht mehr zurück in die Schweiz. Nach zwei Monaten ging das jüdisch-orthodoxe Paar zu einem Rabbiner. Nach dem Gespräch reiste David K. mit Benjamin nach Basel zurück. Sarah B. wollte einen Tag später nachkommen. «Doch plötzlich stand sie mit fünf Personen vor der Wohnung, um das Kind zu entführen», erzählt David K. «Die Polizei und die Kesb wurden alarmiert.» Die Kesb entschied: Das Kind gehört zur Mutter, der Vater hat nur noch ein Besuchsrecht.
Wie so oft gibt es auch in diesem Familienstreit unterschiedliche Darstellungen. «Bei den Übergaben schrie unser Sohn und wehrte sich mit dem ganzen Körper. Er wollte bei mir bleiben und nicht zur Mutter», sagt David K. «Der Leiter der Kesb interessiert sich überhaupt nicht fürs Kindeswohl. Teilweise habe ich meinen Sohn komplett eingekotet in Empfang genommen. Der Leiter der Kesb kennt die Fotos, doch ihm ist das egal.»
Vorwurf: häusliche Gewalt
Eine andere Version der Geschichte erzählt Sarah B. – und dabei geht es um häusliche Gewalt. Laut Akten, die Blick vorliegen, zeigte sie ihren Mann in Frankreich wegen Körperverletzung an. «Er hat mich eingesperrt und wollte nicht, dass ich die Wohnung verlasse», steht in einem Einvernahmeprotokoll. «Er hat mich geschubst, ich bin auf den Flur gefallen. Er würgte mich und zog an den Haaren. Er hat meinen Kopf gegen die Heizung gestossen und mich geohrfeigt», gab die Mutter zu Protokoll. Eine gerichtsmedizinische Untersuchung stellte etwas später keine körperlichen Wunden bei ihr fest.
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K. bestreitet die Anschuldigungen: «Meine Ex lügt, um mir meinen Sohn wegzunehmen. Als orthodoxe Jüdin geht sie einmal im Monat zur Mikwe, zum Ritualbad. Hätte ich meine Frau verprügelt, hätte das die Mikwe-Frau gemerkt und Alarm geschlagen!» Sarah habe erst dann Gewaltvorwürfe erhoben, als es zum Sorgerechtsstreit kam. «Sie war neun Monate in Psychotherapie. Von Gewalt war nie die Rede», behauptet der Vater. «Ich verstehe nicht, warum die Kesb völlig einseitig meiner Ex glaubt.»
Angriff bei der Übergabe
Für eine Attacke, die David K. vorgeworfen wird, gibt es jedoch Zeugen: Bei einer Übergabe des Sohnes soll er seine Ex gefilmt haben. Als sie sich wehrte, warf er sie zu Boden. Der basellandschaftliche Betreuungsdienst «Heime Auf Berg» protokollierte einen «körperlichen Übergriff während der begleiteten Übergabe». Sarah B. hat daraufhin auch in Basel Anzeige erstattet.
Die Mutter will sich gegenüber Blick nicht äussern. Nach Angaben des Vaters haben die Behörden die Anzeige nicht weiterverfolgt: «Ich gehe davon aus, dass das Verfahren eingestellt wird.» Die Basler Staatsanwaltschaft will sich dazu nicht äussern. Ohnehin ist der Streit inzwischen eskaliert.
Welches Recht gilt?
Ein französisches Familiengericht urteilte im März zugunsten des Vaters. Der Sohn solle in Basel leben, die Mutter Alimente zahlen. Das Sorgerecht müsse gemeinsam ausgeübt werden. Inzwischen behauptet Sarah B., wieder in der Schweiz zu leben. Dies würde bedeuten, dass das französische Urteil hinfällig wäre und wieder die Einschätzung der Kesb zum Tragen käme.
«Das Einwohneramt hat gegenüber der Kesb bestätigt, dass meine Ex gar nicht in der Schweiz wohnt. Der Leiter der Kesb behauptet das Gegenteil und missachtet ein französisches Urteil. Das ist ein Skandal!», sagt der Vater. «Die Basler Kesb könnte die Mutter international zur Fahndung ausschreiben und suchen lassen. Doch sie unternimmt nichts», kritisiert K.
Er prozessiert nun ein weiteres Mal vor dem Appellationsgericht gegen die Kesb. Grosse Hoffnungen hat er nicht: «Die Kesb kann machen, was sie will – es gibt keine funktionierende Aufsicht. Die Kesb sitzt am längeren Hebel und geht manipulativ vor.»
Neue Klage in Paris
Am Montag klagt David K. erneut vor einem Gericht in Paris. Er fordert: «Der Sohn muss mir sofort übergeben werden – ansonsten droht ihr ein Zwangsgeld von 100 Euro pro Tag. Der Mutter soll vorläufig das Besuchs- und Unterbringungsrecht entzogen werden. Die Entscheidung soll zur Not mit der Polizei vollstreckt werden. Und Sarah B. soll über 13'000 Euro zahlen.»
Die Kesb hingegen teilt mit: «Die Vorwürfe des Vaters weisen wir mit aller Entschiedenheit zurück.» Zum laufenden Verfahren will sich die Kesb nicht äussern. Für alle gilt die Unschuldsvermutung.
* Namen geändert