Vertrauen ist in Valon Hamdijis (30) Job das Wichtigste. Ohne Vertrauen öffnen sich die Männer bei ihm nicht. Sie kommen mit schwierigen Geschichten. Konflikte sind eskaliert. Sie haben vielleicht ihre Frau oder ihre Kinder geschlagen. Oder Dinge gesagt, die ihren Liebsten Angst machen. Oder die Männer fürchten, das alles erst noch zu tun. Deshalb sitzen sie im Beratungszimmer an der Zürcher Langstrasse. Und fühlen Scham. In jenen Momenten ist Valon Hamdiji gefragt, er sagt: «Ich versuche, ihnen das Gefühl zu geben, dass ich sie nicht verurteile.»
Valon Hamdiji spricht ruhig, hört dem Gegenüber zu, geht auf das Gesagte ein. Hamdiji ist Sozialarbeiter und einer von acht interkulturellen Gewaltberatern des Mannebüro Züri. Seit 35 Jahren berät dieses Männer bei Schwierigkeiten mit der Rolle als Mann und Vater, sowie bei Ehe- und Beziehungsproblemen. Probleme, die zu häuslicher Gewalt führen können. Seit 2011 hat die Zahl der Taten um ein Viertel zugenommen. 2023 registrierte die Polizei in der Schweiz 19’918 Straftaten. Mit 10’792 Beschuldigten, 74 Prozent davon Männer.
Die Sprache ist der Schlüssel
Hier setzt die Gewaltberatung des Mannebüro Züri an. Lange erreichte die Fachstelle damit kaum Männer mit Migrationshintergrund. Bis sie anfing, interkulturelle Gewaltberater auszubilden. Seit 2023 sind diese im Einsatz. Sie stammen aus Kroatien, Nordmazedonien, Sri Lanka, Afghanistan, Ägypten, der Türkei, Brasilien oder aus Eritrea. Das Projekt ist schweizweit einzigartig. Das war auch ein Grund, weshalb Valon Hamdiji sich dafür bewarb. Er sagt: «Hier habe ich die seltene Chance, in der Gewaltprävention zu arbeiten.»
Wir treffen Hamdiji im Beratungszimmer, zwei Sessel, ein Tischchen, eine Topfpflanze, ein Flipchart, die Einrichtung ist schlicht, soll die Männer nicht überfordern. Dabei hilft auch: Valon Hamdiji spricht wie seine Klienten Albanisch, er ist mit den Praktiken und Wertvorstellungen in albanischen Kulturkreisen vertraut. Hamdiji ist in Nordmazedonien geboren und in Schaffhausen aufgewachsen. Er weiss, was es heisst, wenn man wegen des Nachnamens kaum eine Wohnung findet. Er sagt, er höre von seinen Klienten oft: «Herr Hamdiji, Sie verstehen mich.»
Das ist auch seine Motivation: Zuerst will Hamdiji den Menschen vor ihm erfassen, seinen Alltag, Beziehungs- und Familienleben, Job, Kindheit. Er will wissen: Was führte zur Gewalt? In den Gesprächen stelle er fest, sagt er: «Oft gibt Überforderung den Ausschlag.»
Wenn der Druck gross ist, knallt es eher
Kommen die Männer in die Schweiz, können sie anfangs meist kein Deutsch. Finden weniger schnell eine Arbeit. Oder eine Wohnung. Sie haben vielleicht Mühe, ihre Rechnungen zu bezahlen. Beamte behandeln sie möglicherweise abschätzig. Und oft sind sie mit ihren Familien alleine hier. Eltern, Geschwister, Menschen, die die Kleinfamilie entlasten könnten, sind weit weg im Herkunftsland. Hamdiji sagt: «Das baut viel Druck auf, der sich schlimmstenfalls als Gewalt entlädt.»
Das will er in der Beratung zusammen mit den Männern verhindern. Gemeinsam erarbeiten sie Strategien für schwierige Situationen: spazieren gehen, Sport machen, mit der Partnerin, Freunden oder Familienmitgliedern über Gefühle sprechen. Für viele ist das schwer. Ein Erfolgserlebnis sei es, sagt Hamdiji: «Wenn ein Klient bei der nächsten Sitzung sagt: ‹Hey, ich konnte meiner Frau sagen, warum ich hässig oder traurig bin.›»
Projekt kommt an
Das Angebot stösst laut dem Mannebüro Züri auf Anklang. Im ersten Jahr sahen Hamdiji und seine Kollegen 40 Männer, machten 250 Beratungen. Zwei Drittel, weil die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) diese vermittelten, ein Drittel meldeten sich von sich aus. Nun ist Nachfrage höher als zur gleichen Zeit im Vorjahr. Stephan Martin, der das Projekt leitet, sagt: «Wir rechnen mit doppelt so vielen Beratungen dieses Jahr.»
Zum Schluss wird Valon Hamdiji emotional. Als wir ihn auf das Schlagwort «Ausländerkriminalität» ansprechen, sagt er: «Das nervt mich.» Es suggeriere: Häusliche Gewalt sei importiert, kein alle Schichten und Kulturen betreffendes Phänomen. «So lösen wir das Problem nicht.» Genau dazu wollen Hamdiji und seine Kollegen beitragen.