Die Worte, die ein Mann seinem amtlichen Beistand in einem E-Mail schreibt, lassen wenig Zweifel offen: «So leben kann ich nicht mehr, aber aleine werde ich nicht gehen!!!» Zwei Minuten später schiebt er ein zweites Mail nach: «Erklärungen braucht es jetzt nicht mehr!!! Leine werde ich nicht gehen 2nehme ich noch mit!!!»
Hinter der sprachlich holprigen Drohmail soll ein Streit um Sackgeld stecken. Der Mann wollte pro Monat 200 Franken mehr, hat sie aber nicht bekommen. Für den Beistand ist es eine «klare Morddrohung». Der Mann kommt in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte und wegen Drogendelikten. Der Mann ist kokainsüchtig, konsumiere weitere Drogen. Auch leide er an paranoider Schizophrenie und zeige dissoziale Persönlichkeitszüge.
Verband ist vermehrt mit Anfragen konfrontiert
Rund 2400 professionelle Beistandspersonen begleiten in der Schweiz etwa 109'000 Erwachsene und Kinder, die einen Schwächezustand und einen Schutzbedarf aufweisen oder bei denen das Kindswohl gefährdet ist. Eingesetzt werden sie von den Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (Kesb). Beistandspersonen sind eine Art Coach für schwierige Lebenslagen, Berater, Betreuerin, Vermittlerin, Vermögensverwalterin oder Erzieher. Es sind Profis – dennoch kommt es immer wieder zu Problemen, wie CH Media berichtet.
Strafanzeige wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte werde nur in wenigen Fällen eingereicht, wird Markus Odermatt zitiert, Geschäftsführer des Schweizerischen Verbandes der Berufsbeistandspersonen (SVBB). In letzter Zeit erhielt der SVBB aber vermehrt Anfragen von Mitgliedern wegen Drohungen.
Jeder achte Beistand fühlt sich nicht sicher
So gehört auch das Überbringen schlechter Nachrichten zum Berufsprofil von Beiständen und Beiständinnen. Bei Klienten kann das Wut und Frust auslösen, die manchmal in Drohungen gipfeln. Wie CH Media weiter schreibt, gaben im Jahr 2021 in einer Umfrage 53 Prozent der etwas mehr als 1300 befragten Berufsbeistände an, im letzten Jahr mindestens einmal bedroht worden zu sein, die Hälfte davon sogar mehrmals. Jeder achte Beistand fühlt sich bei seiner Arbeit nicht sicher.
Im vergangenen Dezember habe der Verband deshalb Empfehlungen zum Bedrohungsmanagement abgegeben. «Das A und O zur Bewältigung solcher Situationen sind eine gute Schulung und Sensibilisierung», so Odermatt.
In Sicherheitsschulungen lernten Berufsbeistände Strategien zur Deeskalation. Steht beispielsweise ein heikler Termin auf der Agenda, könne es sinnvoll sein, diesen zu zweit wahrzunehmen oder im Besprechungszimmer Gegenstände zu entfernen, die als Wurfgeschoss oder Waffe dienen könnten – zum Beispiel Scheren.
Eine Beiständin könne sich auch so platzieren, dass sie näher beim Ausgang sitzt als der Klient, sodass sie notfalls flüchten kann. Es gibt auch Notfallknöpfe, um während des Gesprächs die Polizei und/oder das interne Sicherheitsteam zu alarmieren. Ganz auf Deeskalation wollen sich die Beistandspersonen dann doch nicht verlassen. (dba)