Uno-Expertin nimmt Stellung zu Rassismus in der Schweiz
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Delegation berät Schweiz:Uno-Expertin nimmt Stellung zu Rassismus in der Schweiz

Uno-Delegation fordert Massnahmen gegen Rassismus in der Schweiz
«Schulen müssen für die Geschichte Schwarzer Platz machen»

Zehn Tage lang sammelte eine Delegation der Uno Erkenntnisse zu Rassismus und Racial Profiling in der Schweiz. Am Mittwoch stellte sie ihre Ergebnisse vor und lieferte Lösungsansätze.
Publiziert: 26.01.2022 um 20:54 Uhr
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Aktualisiert: 26.01.2022 um 21:18 Uhr
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Roger «Nzoy» Wilhelm wurde am 30. August 2021 in Morges von der Polizei erschossen.
Foto: zVg
Chiara Schlenz

Vor rund einem halben Jahr, am 30. August 2021, wurde der Zürcher Roger «Nzoy» Wilhelm (†37) auf einem Bahnperron in Morges VD von der Polizei erschossen. Der Fall löste eine Rassismus-Debatte in der Schweiz aus. Denn: Nzoy war ein schwarzer Mann.

Wurde Nzoy ein Opfer von Racial Profiling? Mit genau dieser und weiteren Fragen haben sich Expertinnen und Experten des Uno-Menschenrechtsrates in den vergangenen zehn Tagen befasst. Die Expertengruppe unter Vorsitz der US-Anwältin Dominique Day besuchte die Schweiz auf Einladung des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA).

Bilder zeigen Minuten nach Todesschüssen in Morges VD
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Polizei erschiesst Mann (†37):Bilder zeigen Minuten nach Todesschüssen in Morges VD

Einheitliche Regelung muss «auch im Föderalismus» möglich sein

Stereotypen über Menschen afrikanischer Herkunft sind gemäss den Expertinnen und Experten in der Schweiz weitverbreitet. Trotz dem «guten Willen» des Bundes komme es immer wieder zu Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe, erklärten sie. Teil des Problems seien die unterschiedlichen Ebenen von Bund, Kantonen und Gemeinden, wo Bewusstsein und Lösungswille nicht überall gleich ausgebildet seien. Doch: «Auch im Föderalismus muss eine einheitliche Regelung möglich sein», heisst es im Statement der Delegation.

Was ist «Racial Profiling»?

Der Begriff «Racial Profiling» («rassistisches Profiling») hat seinen Ursprung in den USA und beschreibt das zielgerichtete Kategorisieren von Menschen aufgrund des Merkmals der ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit, aber auch der Hautfarbe, wie Humanrights.ch erklärt.

Problematisch wird dieses Profiling, wenn die Methoden auf diskriminierende Weise angewandt werden. In der Praxis wird dieser Vorwurf vor allem im Zusammenhang mit Personenkontrollen durch die Polizei und die Grenzschutzbehörden erhoben, wenn kein Grund für die Personenkontrolle besteht oder die Beamten offen rassistisches Verhalten an den Tag legen.

Der Begriff «Racial Profiling» («rassistisches Profiling») hat seinen Ursprung in den USA und beschreibt das zielgerichtete Kategorisieren von Menschen aufgrund des Merkmals der ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit, aber auch der Hautfarbe, wie Humanrights.ch erklärt.

Problematisch wird dieses Profiling, wenn die Methoden auf diskriminierende Weise angewandt werden. In der Praxis wird dieser Vorwurf vor allem im Zusammenhang mit Personenkontrollen durch die Polizei und die Grenzschutzbehörden erhoben, wenn kein Grund für die Personenkontrolle besteht oder die Beamten offen rassistisches Verhalten an den Tag legen.

Es fehlten zudem Daten zum Racial Profiling durch die Polizei. Und auch ein unabhängiger Untersuchungs- und Beschwerdemechanismus bei Fällen rassistischer Diskriminierung, mahnten die Uno-Expertinnen. Sie forderten die Einführung eines solchen.

Rahel El-Maawi, Dozentin für Soziokultur und Social-Justice-Trainerin, betont gegenüber Blick die erwähnte Problematik: «Es sollte auch im Interesse der Polizei sein, dazuzulernen und sich weiterzubilden.» Die Stereotypen über schwarze Personen seien bei der Polizei so tief verankert, dass man diese bewusst «wegtrainieren» müsse.

Die Schweiz würde die Probleme von schwarzen Personen «verdrängen», sagt Dominque Day. Ähnlich sieht das auch El-Maawi. «Das Thema wird in der Schweiz aus einer defensiven Haltung heraus behandelt», erklärt sie. «Das erschwert den Umgang und die Behebung des Problems.» Langsam würde sich das zwar bessern, doch Rassismus werde noch immer oft als «Problem von anderen» gesehen und nicht als Problem, «das die gesamte Gesellschaft erfasst».

Uno-Delegation gibt Bund Tipps für Problemlösung

Die Delegation kritisierte aber nicht nur, sondern brachte auch konkrete Lösungsvorschläge. So soll, unter anderem, mehr Wert auf die Bildung gelegt werden. Es wird mehr Unterstützung für die Bevölkerung gefordert, um die eigenen Vorurteile gegenüber afrikanischstämmigen Personen abarbeiten zu können. Etwa in der Schule, um «auch für die Geschichte schwarzer Personen Platz zu machen».

«Die Schweiz muss lernen, ihre eigene Geschichte aus einem anderen Blickwinkel zu sehen», sagt El-Maawi. «Man soll über die unterschiedlichen Lebensrealitäten in der Schweiz sprechen können. Das Bildungssystem ist, wie unsere Gesellschaft, systematisch rassistisch. Wir müssen lernen, über Rassismus zu sprechen – in der Ausbildung und im Schulzimmer.»

Die Delegation fordert zudem, dass das Racial Profiling durch die Polizei «komplett verboten werden soll». So könne man beispielsweise ungerechtfertigte Personenkontrollen vermeiden. El-Maawi erklärt: «Die Kontrolle aufgrund der Hautfarbe oder Herkunft ist nicht gerechtfertigt, und die Stereotypen von afrikanischstämmigen Personen in den Köpfen der Polizisten führen oft zu unfairen Kontrollen.» Auch sie spricht sich für ein Verbot von Racial Profiling aus und befürwortet regelmässige Weiterbildung, um die eigenen Vorurteile zu reflektieren und die Polizeipraxis entsprechend zu evaluieren.

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