Es braucht mehrere Anläufe, bis Fatima Moumouni für das Interview zusagt. Sie hat Bedenken. Weil sie neben ihren Shows nicht ins Rampenlicht drängt. Weil sie sich vor Hass-Kommentaren fürchtet. Aber auch, weil sie keinen Bock auf plump Fragen zu ihrer Herkunft hat. Am Ende sagt sie trotzdem zu, und wir treffen sie nahe der Zürcher Hardbrücke in einem Café. «Weil es da so schön urban aussieht und mir die Aussicht gefällt: Hardtürme, Schienen und Alpen.»
Fatima Moumouni, was stört Sie an der Frage: Haben Sie schon mal Rassismus erlebt?
Fatima Moumouni: In Interviews stört mich das, weil ich finde, dass das ein ziemlich niedriger Einstieg in das Thema ist. Ich muss der fragenden Person quasi erst mal beweisen, dass ich schon Rassismus erlebt habe, bevor wir endlich über die Sache selbst reden können. Und ich finde es komisch, dass ich meine entwürdigenden Erfahrungen auspacken muss, damit andere verstehen, was es zum Beispiel heisst, schwarz zu sein. Damit sie dann beurteilen können, ob das jetzt rassistisch genug ist. Oder ob ich nicht eher Aufhebens von etwas mache, das in ihren Augen gar nicht so schlimm ist.
Wie ist es mit: Woher kommen Sie?
Das ist eine intime Frage. Wann redet man sonst im normalen Leben bereits in der ersten Minute einer Begegnung über seine Eltern? Ich erlebe oft ganz absurde und richtig schlechte Gespräche, die mit dieser Frage beginnen. Der Witz ist: Ich hab gar nicht so viel mit Afrika zu tun, als dass es jedes Gespräch dominierten müsste.
Was sind das für schlechte Gespräche?
Ich muss mir von Leuten anhören, wie toll oder schlimm es bei ihrem Volunteer-Aufenthalt irgendwo in Afrika war. Nur weil sie denken, ich wüsste, wovon sie sprechen. Das ist ja noch nett. Oft offenbaren sich aber auch ziemlich komische Vorstellungen. Oder Leute wollen in ihrer «Rassenkenntnis» bestätigt werden. Einmal hat mir ein Typ gesagt, er kenne die westafrikanischen Frauen sehr gut, die habe er genau studiert. Das ist doch gruusig!
Wie gehen Sie damit um?
Nachdem ich mich drei Mal über so was aufgeregt habe, betrachte ich es als witzige Story für die Bühne. Das ist mein Ventil. Mein witzigstes Intro ist jenes mit dem bayerischen Hausmeister, der zu mir sagte: «I woass ned, wia ma sich in Iam Land so begriasst, aber i geb Iana jetz erst moi die Hand.»
Fatima Moumouni (27) wuchs in München auf – mehr möchte sie über ihre Herkunft nicht sagen. Weil es nicht immer nur darum gehen soll. Vor acht Jahren kam sie in die Schweiz. Heute lebt sie in Zürich und studiert in Bern Sozialanthropologie. Ihre Liebe zum Wort spiegelt sich in der Freude an der Mundart – sie spricht eine Mischung aus Aargauer und Zürcher Dialekt. Wenn sie nicht am Schreiben ist, ist sie am Auftreten – auf Bühnen, im Fernsehen und Radio. Neben Soloauftritten ist sie zusammen mit Slam-Kollege Laurin Buser mit dem Abendprogramm «Gold» unterwegs. Und sie gibt Antirassismus-Workshops mit Fokus auf Sprache. Ausserdem moderiert sie zusammen mit Ugur Gültekin eine Late-Night-Show zum Thema «Neue Schweiz».
Fatima Moumouni (27) wuchs in München auf – mehr möchte sie über ihre Herkunft nicht sagen. Weil es nicht immer nur darum gehen soll. Vor acht Jahren kam sie in die Schweiz. Heute lebt sie in Zürich und studiert in Bern Sozialanthropologie. Ihre Liebe zum Wort spiegelt sich in der Freude an der Mundart – sie spricht eine Mischung aus Aargauer und Zürcher Dialekt. Wenn sie nicht am Schreiben ist, ist sie am Auftreten – auf Bühnen, im Fernsehen und Radio. Neben Soloauftritten ist sie zusammen mit Slam-Kollege Laurin Buser mit dem Abendprogramm «Gold» unterwegs. Und sie gibt Antirassismus-Workshops mit Fokus auf Sprache. Ausserdem moderiert sie zusammen mit Ugur Gültekin eine Late-Night-Show zum Thema «Neue Schweiz».
Sie schreiben Texte über Rassismus in der Schweiz. Machen Sie sich auch Gedanken darüber, was es bedeutet, weiss zu sein?
Ja, klar. Ich glaube, weisse Menschen müssen sich nie fragen, was es heisst, weiss zu sein. Sie merken gar nicht, dass sie weiss sind. Weiss spielt keine Rolle. Weiss sieht man nicht. Ein Beispiel: Alle BeautyProdukte sind hierzulande auf weisse Haut ausgelegt. Und mir wird immer wieder bewusst, dass weisse Menschen mehr für sich persönlich sprechen können.
Wie meinen Sie das?
Sie zum Beispiel hören sicher nie, dass jemand über Sie sagt: Rebecca ist meine Freundin – sie ist weiss. Oder: Wenn ich als Einzige zu spät an ein Meeting komme, nehme ich immer an, dass die anderen wieder schlecht von mir denken – und ein Stereotyp für die unzuverlässigen Schwarzen bestätigt bekommen. Das habe ich schon oft so erlebt. Ich bin mir ständig bewusst, dass ich nicht weiss bin.
Wann haben Sie sich zum ersten Mal als anders wahrgenommen?
Ich habe mich nicht als anders wahrgenommen. Die Leute sahen mich als etwas anderes. Das kam früh, schon als Kind in München wurde ich wegen meiner Hautfarbe beleidigt, und meine Mutter war immer sehr besorgt, wenn Nazi-Skinheads am Bahnhof standen. Vieles davon habe ich aber erst viel später realisiert. Meine Eltern schützten mich. Sie betrieben einen grossen Aufwand, damit ich sicher vor Diskriminierung aufwachsen konnte.
Gibt es in Sachen Rassismus einen Unterschied zwischen der Schweiz und Deutschland?
In Deutschland weiss die breite Gesellschaft, dass Deutschland den Holocaust verursacht hat. Du kannst dort anders darüber reden, es kann weniger gut verleugnet werden, dass Rassismus existiert. Die Schweiz sieht sich selbst als Land, das nie Übeltäter war. Sondern seit eh und je das Gute und Neutrale in der Welt verkörpert hat. Dieses Selbstbild verhindert eine solche Diskussion. Ein Grossteil hier glaubt zum Beispiel, die Schweiz habe keine Kolonialgeschichte.
Bekannt ist, dass der Eisenbahnpionier Alfred Escher sein Vermögen unter anderem mit einer Kaffeeplantage auf Kuba machte, auf der Sklaven schufteten.
Reiche Familien finanzierten den globalen Sklavenhandel. Die Schweiz war zentral in der globalen Rassenforschung aktiv. Schweizer Söldner waren in Kolonialdiensten tätig. Und es gab hier bis in die 1960er-Jahre Menschenzoos. Das alles will man hier aber nicht wahrhaben. Die Diskussion um die Basler Fasnachtsgugge Negro-Rhygass hat das gezeigt.
Das Logo dieser Gugge bestand aus einem schwarzen Männchen mit dicken Lippen und einem Knochen im Haar.
Da argumentierte man, wir hätten hier keine Kolonialtradition, und deshalb würde diese Symbolik bei uns nichts bedeuten. Der Schweiz fehlt die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte. Und so kann man sich immer herausreden: Ich habe das nicht gewusst und nicht so gemeint.
Sind wir demnach alle rassistisch?
Rassismus ist eine Ideologie, die zu unserer Geschichte gehört. Wer findet, dass Schwarze stinken, weniger intelligent sind oder alle einen grossen Penis haben, ist da nicht selbst drauf gekommen. Rassen sind eine Erfindung unserer Vorväter. Ich gebe Antirassismuskurse an Schulen. Wenn ich da frage, ob es Rassen gibt, sagt die Hälfte Ja. Das ist doch krass.
Es gibt genügend Leute, die von sich behaupten, nicht rassistisch zu sein.
Ja, das sind die Leute, die sagen: Ich bin keine Rassistin, ich sehe keine Farben, ich finde bunt schön! Als wäre das ein Zauberspruch: Sobald man es sagt, ist es so. Das ist eine Verblendung. Du bist in der Schule trotzdem mit ausschliesslich weissen Männer-Vorbildern aufgewachsen. Du bist aufgewachsen damit, dass Frauen mit Kopftuch dein WC putzen. Dass du als Volunteer nach Afrika gehst, weil dort doch alle arm, bedürftig und unterentwickelt sein sollen – alles Afrika-Vorurteile. Und bis jetzt haben wir noch nicht mal über institutionellen Rassismus geredet.
Inwiefern institutionell?
Deine Polizei macht Racial Profiling. Wenn du nicht weiss bist und keinen Schweizer Namen hast, ist es schwieriger, einen Job zu bekommen. Und du wirst auf Ämtern schlechter behandelt.
Sie begegnen Rassismus, indem Sie dem Publikum auf der Bühne das kolonialistische Afrika-Bild vor Augen halten. Da gehts um Massaibräute mit «Brüsten wie Kokosnüsse». Wie wichtig ist Humor in der Sache?
Er ist wichtig, um ins Gespräch zu kommen. Durch Humor nehmen die Leute weniger eine Verteidigungsposition ein und hören zu. Dann ist es auch einfach gut, wenn man zusammen lachen kann. Wenn man merkt: Hier haben wir eine Gemeinsamkeit.
Von wem haben Sie den humoristischen Zugang?
Von meinem Vater. Ich habe mich immer gefragt, weshalb er lachend von Polizeikontrollen heimkam. Die haben ihn ja immer auf der Strasse gefilzt und schikaniert. Racial Profiling. Erst vor etwa zwei Jahren habe ich begriffen: Er machte es für mich. Er wollte mir zeigen, dass ich nicht verbittert, ängstlich oder traurig sein muss, sondern aus so etwas Entwürdigendem auch etwas Eigenes machen kann. Durch Humor.
In einem Ihrer Texte haben Sie sich schon als «Quoten-N» bezeichnet. Sie sprachen das N-Wort aus. Weshalb machen Sie das heute nicht mehr?
Das Wort benutzte ich in einem Aufklärungstext zu Rassismus. Ich hab dann aber gemerkt, dass Leute den Text vollkommen falsch verstehen. Plötzlich war das ein Freifahrtschein dafür, ständig schlechte Schwarzen-Witze zu machen, die ich schon seit dem Kindergarten kenne. Die Leute fingen an, das N-Wort zu benutzen. Und sie haben dann auch noch erwartet, dass ich darüber lache.
Sie befassen sich auch mit Feminismus. Am 14. Juni liefen Sie an der Frauendemo mit, und gleichzeitig ärgern Sie sich in einem Essay über «Pop-Feminismus». Was ist das?
Es reicht nicht, nur darüber zu diskutieren, dass es jetzt okay ist, dass sich Frauen als Ausdruck der Selbstbestimmung die Achselhaare wachsen lassen. Das ist nicht Feminismus, sondern Individualismus.
Also Egozentrismus.
Ich mache ein Beispiel: «Feminist»-Shirts von H & M tragen so viele Mädchen. Keiner denkt daran, dass diese in Asien von Frauen unter ausbeuterischsten Arbeitsbedingungen hergestellt werden. Man kann niemanden dazu zwingen, Feministin zu sein. Aber wenn du Feministin sein willst, solltest du über deine eigene Cellulitis hinausdenken. Auch weiter als den Gender-Pay-Gap. Wir können uns nicht nur um die Businessfrauen kümmern, darum, dass diese die Lohnungleichheit überwinden.
Politisch kommt der Vaterschaftsurlaub voran – wenn auch nur jener für zwei Wochen. Die Zürcher Justizdirektorin Jacqueline Fehr will auf anonyme Bewerbungsverfahren setzen, um Frauen zu fördern. Kann man nicht froh sein, dass sich überhaupt etwas bewegt?
Die Frage ist: Wer kann froh sein? Das erinnert mich an einen als feministisch gefeierten Song von Beyoncé, in dem es heisst: «Always stay gracious, best revenge is your paper» – bleib immer elegant, die beste Rache ist, wenn du ihnen dein Geld zeigst. Wie viele Frauen auf der Welt können das sagen? Nach dem Motto: Es ist okay, wenn du mich sexuell belästigst, ich behalte meine Würde, indem ich dich mit Geld abspeise. Es geht nicht nur um Geld und Karriere.
Sondern?
Es geht immer noch um sexuelle Gewalt – auch zwei Jahre nach #MeToo. Und dann geht es auch um deine portugiesische Putzfrau, deine mittellose Nachbarin, deine queere Arbeitskollegin und deine geflüchtete «Surprise»-Verkäuferin. Wie lange müssen sie alle warten, bis sie an der Reihe sind? Bis sie sich endlich um ihre Achselhaare kümmern können, weil all die anderen Probleme gelöst sind?
Fatima Moumouni Live:
Die erste migrantische Late Night Show der Schweiz, 23. und 24. August, Theaterspektakel, Zürich
Gold – Abendprogramm mit Laurin Buser, 29. und 30. August, Theaterspektakel, Zürich