UN-Delegation untersucht Rassismus in der Schweiz
Es war der 30. August 2021, als der Zürcher Roger «Nzoy» Wilhelm (†37) sich mit dem Zug auf den Weg von Zürich nach Genf machte und nicht mehr nach Hause zurückkehrte. Er wurde am Bahnhof in Morges VD von einem Polizisten der Regionalpolizei Morges VD niedergeschossen, nachdem er auf den Beamten und seinen Kollegen zugerannt war – er soll mit einem 26 Zentimeter langen Messer bewaffnet gewesen sein. Dreimal drückte der Polizist ab, Nzoy blieb am Boden liegen.
Videos dokumentieren den tödlichen Vorfall. Und zeigen auch die Momente nach den Schüssen: Während vier Minuten wird der angeschossene Mann nicht reanimiert, ihm werden Handschellen angelegt. Nzoy erliegt noch vor Ort seinen Verletzungen.
«Racial Profiling» auch in der Schweiz ein Problem
Der Fall löst eine Rassismus-Debatte in der Schweiz aus. Denn: Nzoy war ein schwarzer Mann. Wurde er ein Opfer von «Racial Profiling»? Mit dieser und weiteren Fragen haben sich in den vergangenen zehn Tagen Expertinnen und Experten des Uno-Menschenrechtsrates (The UN Working Group of Experts on People of African Descent) befasst. Vom 17. bis zum 26. Januar 2022 waren sie in der Schweiz zu Gast, um die Menschenrechtslage von afrikanischstämmigen Personen in der Schweiz zu untersuchen.
Am Mittwoch stellen sie die Resultate ihrer Untersuchungen vor und der Schweizer Politik Vorschläge zur Verbesserung der Situation von afrikanischstämmigen Menschen unterbreiten. Sprechen werden die US-Amerikanerin Dominique Day, die Vorsitzende der UN-Delegation und Catherine S. Namakula, Professorin für Menschenrechte und Strafrechtspflege an der Universität von Bloemfontein in Südafrika. Sie und weitere Abgeordnete der Delegation trafen sich während zehn Tagen mit Schweizer Behörden, Politikerinnen und Politikern sowie Polizeibehörden und Aktivistinnen und Aktivisten.
Der Begriff «Racial Profiling» («rassistisches Profiling») hat seinen Ursprung in den USA und beschreibt das zielgerichtete Kategorisieren von Menschen aufgrund des Merkmals der ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit, aber auch der Hautfarbe, wie Humanrights.ch erklärt.
Problematisch wird dieses Profiling, wenn die Methoden auf diskriminierende Weise angewandt werden. In der Praxis wird dieser Vorwurf vor allem im Zusammenhang mit Personenkontrollen durch die Polizei und die Grenzschutzbehörden erhoben, wenn kein Grund für die Personenkontrolle besteht oder die Beamten offen rassistisches Verhalten an den Tag legen.
Der Begriff «Racial Profiling» («rassistisches Profiling») hat seinen Ursprung in den USA und beschreibt das zielgerichtete Kategorisieren von Menschen aufgrund des Merkmals der ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit, aber auch der Hautfarbe, wie Humanrights.ch erklärt.
Problematisch wird dieses Profiling, wenn die Methoden auf diskriminierende Weise angewandt werden. In der Praxis wird dieser Vorwurf vor allem im Zusammenhang mit Personenkontrollen durch die Polizei und die Grenzschutzbehörden erhoben, wenn kein Grund für die Personenkontrolle besteht oder die Beamten offen rassistisches Verhalten an den Tag legen.
Auch Evelyn Wilhelm (46), die Schwester von Nzoy, traf sich mit den Vertretern der Uno, um über den Fall ihres Bruders zu sprechen. Blick hat sie auf ihrer Zugreise nach Genf, wo sie vor der Delegation sprach, begleitet. Für sie war das letzte halbe Jahr ein Kampf, fassen kann sie es noch immer kaum.
«Wäre er weiss gewesen, wäre es nicht so eskaliert. Er wäre noch am Leben», ist Wilhelm überzeugt. Denn: Nach Angaben mehrerer Zeugen betete Nzoy, ein gläubiger Christ, auf den Bahnsteigen in Morges. Er war Minuten vor seinem Tod sichtlich aufgebracht, wollte sich durch das Gebet offensichtlich beruhigen. Für die Schwester ist klar: «Es war von Anfang an das perfekte Beispiel von Racial Profiling. Wenn man einen schwarzen Mann sieht, der betet, denkt man sich sofort: Das ist ein Terrorist!»
«Kleiner Trost, dass Mutter und Sohn wieder vereint sind»
Ihr Bruder Nzoy sei bereits vor dem Vorfall in Morges «immer und immer wieder» von Polizisten kontrolliert worden, «ohne ersichtlichen Grund». Deshalb habe er laut seiner Schwester auch immer seinen Schweizer Pass in seiner Hosentasche getragen, damit er sich so schnell wie möglich ausweisen konnte. Dazu ist es Ende August 2021 nicht gekommen. Ein Detail lässt Wilhelm nicht los: «Als die Polizei in der Notrufzentrale anrief, betonten sie, dass es sich bei meinem Bruder um einen schwarzen Mann handelt. Dabei hätte es so viel wichtigere Details gegeben, die man hätte erwähnen können.»
Gegenüber dem Online-Magazin «Republik» bestritt die Kantonspolizei Waadt, dass die Hautfarbe von Nzoy eine Rolle gespielt habe. Auf eine aktuelle Anfrage von Blick will sich die Polizei nicht zum Fall äussern, da es sich um ein laufendes Verfahren handelt. Der Schütze, so bestätigt die Kantonspolizei aber, arbeite weiterhin als Regionalpolizist in Morges.
Für Wilhelm ist es ein schmerzlicher Verlust. Ihr Bruder war in der reformierten Kirche Streetchurch in Zürich aktiv, machte gerne mit Freunden Musik, hätte im November des letzten Jahres einen neuen Job als Altenpfleger begonnen. «Nzoy war ein Mann, der sein Herz am richtigen Fleck hatte. Meine Mutter starb vor acht Jahren an Krebs, er war es auch, der sie zuletzt zu Hause betreute. Jeden Samstag ist er zu ihr gegangen, um mit ihr einzukaufen», sagt sie. «Es wäre schrecklich gewesen, wenn sie das hätte miterleben müssen! Er liebte sie sehr, und jetzt sind sie wieder vereint.»