Es war ein Bild der Zerstörung, das sich Mitarbeitern der Untersuchungsbehörde (Sust) am Donnerstag im Gotthard-Basistunnel bot: gebrochene Schienen, entgleiste Waggons, von denen einer sogar noch ein Sicherheitstor gerammt und beschädigt hatte …
Tags zuvor war hier ein Güterzug entgleist – ein Unfall, wie er laut SBB alle hundert Jahre zu erwarten ist. Nun geschah er im achten Betriebsjahr. Der Lokführer konnte sich in Sicherheit bringen. Bis der Tunnel einspurig befahrbar ist, dürfte es Donnerstag werden. Um einiges länger wird es dauern, bis der entgleiste Zug – 23 von 32 Wagen sprangen aus den Schienen – entfernt ist und beide Fahrstrecken wieder in Betrieb genommen werden können.
Die Untersuchungen laufen übers Wochenende weiter. «Wir sind immer noch am Spurensichern», sagt Christoph Kupper (64), Bereichsleiter Bahnen bei der Sust. Seine Mitarbeiter untersuchen jeden Güterwagen, der aus dem Tunnel geborgen wird.
Doch auch im Tunnel selbst sucht man nach weiteren Spuren – in mühseliger Kleinarbeit: «Jedes gefundene Objekt muss einem Güterwagen, dessen Ladung oder einem Infrastrukturteil zugeordnet werden können.»
Einen entscheidenden Fund haben Kuppers Mitarbeiter bereits gemacht: «Im Tunnel haben wir mehrere Fragmente eines Eisenbahnrades sichergestellt, die ein ganzes Rad ergeben.» Kupper vermutet, dass ein Radbruch der Grund für die Entgleisung war. Die Trümmer würden nun metallurgisch untersucht.
Erst im Tunnel begann das Unglück
Interessant: Ausserhalb des Tunnels fanden die Ermittler keine Spuren. Auch die Zugkontrolleinrichtung in Claro TI – kurz nach Bellinzona TI – hatte keine Schäden am Güterzug registriert. Dabei handelt es sich um Hightechgeräte, die zwischen oder neben den Gleisen eingelassen sind und den Zug bei der Durchfahrt überprüfen: Sind Räder ungleich belastet? Bremsen blockiert? Treten Chemikalien aus?
Es scheint also, dass das Unglück erst im Tunnel seinen Lauf nahm. Dabei war es gewissermassen «Glück im Unglück», dass die Entgleisung ausgerechnet im Gotthard geschah, meint Bahnexperte Markus Barth (58). Der Basistunnel sei mit dem Lötschberg- und dem Ceneritunnel «der wohl sicherste Eisenbahntunnel in Europa».
Wäre der Zug in einem älteren Doppelspurtunnel entgleist, wäre die Gefahr ungleich grösser gewesen: «Da ist das Worst-Case-Szenario, dass ein Zug entgleist – und ein entgegenkommender Zug hineinfährt.»
Im Gotthardtunnel mit seinen zwei separaten Röhren ist das ausgeschlossen. Barth: «Die Entgleisung ist an einem Ort passiert, an dem die Sicherheitsvorkehrungen erste Klasse sind. Das hat sich beim Unfall positiv ausgewirkt.» Auch die betonierten Evakuationswege hätten verhindert, dass der Zug «die Wand hochklettert».
Überhaupt sei die Schweiz sicherheitsmässig sehr gut aufgestellt, sagt Barth, der lange in Führungsfunktionen bei SBB, BLS und SOB tätig war. Sein Fazit: «Zugfahren ist nach wie vor extrem sicher.»
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