Als er Ende Juni nach Mexiko reiste, wurde Klimaaktivist Max Voegtli (30) am Flughafen Zürich fotografiert. Damit erlangte der Mediensprecher der Organisation Renovate Switzerland nationale Bekanntheit. Am Dienstag kam Voegtli zurück in seine Heimatstadt Zürich. Er war in London gelandet und von dort mit dem Zug weitergereist. Der Flug über den Atlantik sei von Turbulenzen geprägt gewesen, sagte Vögtli bei der Ankunft vor dem Bezirksgericht Zürich.
Der Klima-Kleber meint: «Ich bin froh, dass ich in nächster Zeit nicht fliegen muss.» Voegtli hatte zwei grosse Rucksäcke mit dabei – das Gepäck seines Trips durch Mittelamerika.
Das Bezirksgericht verurteilte Voegtli wegen Nötigung, Sachbeschädigung und Störung von Betrieben, die der Allgemeinheit dienen. Damit ist die Blockade des öffentlichen Verkehrs gemeint. Voegtli hatte im Oktober 2022 mit Renovate Switzerland das Zürcher Utoquai blockiert. Bereits einen Monat zuvor hatte er sich im Kunsthaus Zürich an den Rahmen eines Gemäldes geklebt.
Kunsthaus-Schaden schon beglichen
Das Gericht verhängte die Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 30 Franken bedingt. Trotzdem wird Voegtli eine Rechnung ins Haus flattern: Er muss Gerichtskosten von mindestens 2500 Franken tragen.
Schon beglichen ist dagegen der Schaden von 2100 Franken am Rahmen von Giovanni Segantinis «Alpweiden» im Kunsthaus, wie Voegtli während der Verhandlung erklärte.
«Der Zweck heiligt die Mittel» sei wohl sein Motto, sagte Einzelrichter Olav Hug zum 30-Jährigen. Der Richter riet Voegtli, sein Anliegen künftig auf legale Weise kundzutun. «Sonst redet die Öffentlichkeit mehr über die Art und Weise als den Inhalt.»
«Die Geschichte wird urteilen»
Eine orange Leuchtweste hatte Voegtli in den Gerichtssaal mitgebracht, nicht aber einen Anwalt. Seine Verteidigung bestand darin, eine lange Liste mit Extremwetter-Ereignissen der vergangenen Monate vorzulesen: Überschwemmungen, Waldbrände und Hitzerekorde.
Nach dem Prozess gab Voegtli bekannt, dass er das Urteil akzeptieren will. «Das Gericht hat entschieden, wo es in der Klimakrise steht, wie es sich positioniert», so der Aktivist. «Die Geschichte wird darüber urteilen.»
Trotz der Warnungen des Richters will Voegtli auch künftig nicht von illegalen Aktionen absehen. Legale Formen des Protests seien zu einfach zu ignorieren. «Nur durch illegale Aktionen werden unsere Anliegen gehört.»
Er will weitermachen, bis der Bundesrat den Klimanotstand ausruft und die Mittel spricht, um 1 Million Häuser in der Schweiz zu renovieren und neu zu isolieren. Bereits laufen jedoch weitere Strafverfahren gegen ihn.
Voegtli zahlt selber
Die Kosten für das Verfahren, mindestens 2500 Franken, wird Max Voegtli gemäss eigenen Aussagen selber bezahlen – und nicht die Organisation Renovate Switzerland.
Voegtli will das Urteil akzeptieren
Im Gespräch vor dem Gerichtsgebäude gibt Max Voegtli bekannt, dass er keine Revision gegen das Urteil einlegen will. Er wird das Urteil also akzeptieren. Gleichzeitig will er aber auch in Zukunft nicht auf zivilen Widerstand und illegale Aktionen verzichten. «Ich werde weitermachen, bis unsere Regierung handelt», erklärt der Aktivist. Er lässt sich nicht von seinem Weg abbringen, obwohl an verschiedenen Orten bereits weitere Verfahren gegen ihn laufen.
«Verwenden Sie legale Mittel!»
Der Richter zitiert das Sprichwort «der Zweck heiligt die Mittel», das in diesem Fall nicht angemessen sei. Er weist Voegtli darauf hin, dass es noch nie so einfach gewesen sei, mit Menschen auf legale Art und Weise zu kommunizieren wie heute. Darauf solle sich der junge Mann künftig konzentrieren. «Damit ist die Verhandlung geschlossen.»
Weiterzug wäre möglich
«Wenn Sie mit meinem Urteil nicht einverstanden sind, können Sie es weiterziehen», sagt der Richter. Nach dem schriftlichen Urteil habe Voegtli dann 20 Tage Zeit, um Revision einzulegen.
Richter warnt
Zur bedingten Geldstrafe sagt der Richter: Voegtli müsse sich jetzt zwei Jahre bewähren. Wenn er nicht mehr straffällig werde in dieser Zeit, dann müsse er die Strafe nicht bezahlen.
Bedingte Strafe für einen Ersttäter
Für einen Ersttäter wie Voegtli sei es angemessen, eine bedingte Strafe auszusprechen, erklärt der Richter. Er erwähnt positiv, dass Voegtli den Schaden im Kunsthaus finanziell bereits beglichen hat.
Sachbeschädigung im Kunsthaus in Kauf genommen
«Ich sehe keinen Rechtfertigungsgrund, fremdes Eigentum zu beschädigen, um auf den Klimawandel aufmerksam zu machen», sagt der Richter zur Klebe-Aktion im Kunsthaus.
Klimawandel kein strafrechtlich relevanter Notstand
Zum Thema Klimanotstand sagt der Richter: Gemäss Rechtssprechung des Bundesgerichts sei der Klimawandel kein strafrechtlich relevanter Notstand. Eine Strassenblockade sei nicht das einzige Mittel, um auf den Klimawandel aufmerksam machen. «Es gibt mildere Möglichkeiten, um auf den Klimawandel aufmerksam zu machen», sagt der Richter.
Der Richter erklärt seine Beweggründe
Richter Hug sagt zu Voegtli: «Sie haben die Strasse am Utoquai dicht gemacht.» Damit sei ein zentraler Verkehrsknoten von Zürich gesperrt gewesen. «Für mich ist klar, dass Sie den Leuten ein anderes Verhalten aufgezwungen haben», so der Richter. Bei der Strassenblockade ging es darum, ein Zeichen zu setzen. «Mit der Blockade ist Ihre Meinungsäusserungen in den Hintergrund getreten – Sie wollten auch den Verkehr stören.»
Max Voegtli ist schuldig
Richter Hug gibt bekannt, dass die Strafe gemäss Strafbefehl bestätigt wird: Voegtli ist schuldig der Nötigung, der Störung von Betrieben, die der Allgemeinheit dienen, und der Sachbeschädigung. Er wird verurteilt zu einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 30 Franken. Die Forderung der Firma Aqua Rep als Privatklägerin wird auf Weg des Zivilprozesses verwiesen. Die Entscheidgebühr liegt bei 1500 Franken, zusätzlich zu den 1500 für das Vorverfahren. Voegtli muss also Gerichtskosten von 3000 Franken bezahlen.