Umstrittene Kooperation
Interreligiöser Dialog um jeden Preis?

Die umstrittene Uni in Ghom ist die einzige Hochschule Irans, wo auch Christen und Juden lehren dürfen. Macht der Dialog Sinn – oder ist der Preis zu hoch?
Publiziert: 24.12.2023 um 09:47 Uhr
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Aktualisiert: 24.12.2023 um 10:21 Uhr
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Eigentlich sieht die Schweizer Botschafterin in Teheran so aus.
Foto: ©FDFA
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Raphael RauchBundeshausredaktor

Das Aussendepartement EDA rechtfertigt den Besuch von Botschafterin Nadine Olivieri Lozano (49) an der umstrittenen Universität der Religionen und Denominationen (URD) wie folgt: «Einige Studierende hatten in der Vergangenheit die Gelegenheit, in die Schweiz zu reisen, um an interreligiösen Kursen teilzunehmen.» Damit sind Seminare gemeint, die von der Genfer «Stiftung für interreligiöse und interkulturelle Forschung und Dialog» angeboten wurden.

Stiftung existiert nicht mehr

Was das EDA verschweigt: Die Stiftung gibt es nicht mehr. Laut dem Finanzportal Moneyhouse befindet sich die Stiftung in Auflösung. Die Uni Genf, an der die Stiftung assoziiert war, teilt mit: «Die 2006 zwischen der Universität Genf und der Stiftung abgeschlossene Kooperationsvereinbarung endete im August 2015.» Die Vereinbarung habe aus einem Programm von Forschungsstipendien bestanden, «das jungen Forscherinnen und Forschern muslimischen, jüdischen und christlichen Glaubens die Möglichkeit bot, die Verständigung zwischen den Religionen voranzubringen».

Die Stiftung wurde 1999 gegründet und stand im Zeichen des interreligiösen Dialogs. Gründungsmitglied war Joseph Ratzinger (1927–2022), der spätere Papst Benedikt XVI. Auch Karim Aga Khan (87), früherer iranischer Skirennläufer und geistliches Oberhaupt der Ismaeliten, unterstützte die Stiftung.

Ausser der Uni Genf gibt es weitere Verbindungen zwischen der Schweiz und der URD. Im Jahr 2017 gewährte der Schweizer Nationalfonds dem Basler Professor Reinhold Bernhardt (66) einen Antrag in Höhe von 5500 Franken. Mit dem Geld lud er den URD-Professor Bagher Talebi Darabi ein. Das Ziel: die Themen «Religion und Säkularisierung im Iran» und die «interkulturelle Religionssoziologie» voranzutreiben.

Meinungen gehen auseinander

Ist der Dialog mit der Mullah-Universität sinnvoll, um Brücken zu bauen – oder naiv angesichts der iranischen Hardliner? Darüber gehen die Meinungen auseinander. 

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Der iranischstämmige Historiker Kijan Espahangizi (45) lehrt an der Uni Zürich und findet: «Die URD ist eine Einrichtung unter ferner liefen. Das ist intellektuell unterklassig. Andererseits gibt es hier eine besondere Nähe zu den Revolutionsgarden und damit zum Machtzentrum des islamischen Regimes im Iran.» Der katholische Theologe Klaus von Stosch (52) von der Uni Bonn verteidigt hingegen den Dialog mit der URD. Allein die Tatsache, dass hier Christen und Juden studieren und lehren könnten, stehe fürs Brückenbauen, betont von Stosch: «Das geht an keiner anderen Universität im Iran. Die URD ist aussergewöhnlich offen für den interreligiösen Dialog. Sie ist eine private Uni, die keine Gelder direkt vom Staat erhält.» Wobei von Stosch einräumt: «Es gibt auch regimetreue Kräfte und Hardliner – wie überall im Iran.» Doch es gebe auch «starke oppositionelle, emanzipatorische und feministische Stimmen, die wir im Stich lassen, wenn wir nicht mehr mit ihr kooperieren». 

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